Quendler heute in der KLZ
Was läuft bei den Graz 99ers eigentlich falsch?
Das Grazer Eishockey ist seit Jahrzehnten von Erfolglosigkeit geprägt. Trainer wurden zu Bauernopfern. Die sportliche Expertise fehlt bis heute.
Blickt man auf die Tabelle, findet man die Graz 99ers abgeschlagen am letzten Platz. Doch die sportliche Misere scheint, historisch betrachtet, kein gelegentlicher Ausreißer zu sein. Im Gegenteil: Sie hat System. Seit Liga-Neugründung und Professionalisierung weist kein anderer Klub eine derart notorische Erfolglosigkeit auf. Die Zahlen zeichnen ein trauriges Bild: 2000 stieg der Klub auf, und in dieser Epoche, also vor exakt zwanzig Jahren, gelang sogar der Halbfinaleinzug (Liga bestand aus sieben Vereinen). Danach wurde sage und schreibe zehn Mal das Play-off verpasst.
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Die Frustration sitzt tief und hat mittlerweile sogar die hartgesottenen Fans erreicht. Sie mussten in den vergangenen Jahren einiges an Schmach über sich ergehen lassen. Denn eigentlich galt Graz immer als Standort mit viel Tradition und Geschichte (ATSE Graz), Kuriositäten (Grazer Elefanten), Leidenschaft und riesiger Begeisterung. Eishockey war in der Stadt des Fußballs (Sturm und GAK) eine charmante Alternative, fernab gängiger Konventionen. Die Duelle gegen KAC, VSV, IEV, und WEV zählten zu den Klassikern und sorgen in der Murstadt noch heute für Melancholie.
Die Gegenwart sieht allerdings nicht so rosig aus. Seit dem Wiederaufstieg haben die 99ers nicht weniger als 19 Trainer „verbraucht“, ein sportlicher Leiter fehlt seit Jahrzehnten. Bad Nauheim-Trainer Harry Lange lehnte vor einem Jahr ein diesbezügliches Angebot dankend ab. Ein hausgemachtes Problem: Die 99ers werden von Trainern und Spielern immer mehr als letzte Station vor dem Karriereende betrachtet, dementsprechend schwierig gestaltet sich auch die Akquise neuer Akteure. Manager Bernd Vollmann, der seit 2010 im Amt ist, leitet zwar die wirtschaftlichen Geschicke der Steirer äußerst souverän, aus sportlicher Sicht wurden aber immer wieder Fehlentscheidungen getroffen. Trainerverlängerungen (zuletzt Jens Gustafsson sowie Johan Pennerbron) trotz Verpassen des Play-offs und ein nicht vorhandener Österreicher-Stamm tragen das ihre zur sportlichen Talfahrt bei und das, obwohl der Klub etatmäßig durchaus zum Liga-Mittelfeld zählt.
Ein Ära geht 2024 zu Ende. Jochen Pildner-Steinburg, eine (streitbare) Säule der Liga und des österreichischen Eishockeys, gibt sein Präsidenten-Amt ab. Herbert Jerich dürfte übernehmen. Und wohl auch weiterhin an Vollmann festhalten. Der international operierende Unternehmer ist bereits mehrmals als Sportmäzen (Tennis) aufgetreten, auch für die 99ers (finanzierte das Lock-out-Engagement von Thomas Vanek). Die Frage wird lauten: Wie kommt er mit den Mechanismen des Sports und den Eigenheiten der Charaktere zurecht? Wie ist es um seine Geduld bestimmt? Und: Welche Visionen hat er mit den 99ers?
So eigen, so verbohrt, so irrational die Grazer in der Liga abseits des Eises manchmal auftreten mögen: Sie sind und bleiben eine bedeutende Filiale für das heimische Eishockey. Umso wichtiger wäre es, endlich einen sportlichen Höhenflug zu erleben. Leere Versprechungen gab es schließlich genug.