VEU-Ermittlungen: Ein Spieler hat wohl ausgepackt
18.06.2023 • 05:20 Uhr / hannes.mayer@neue.at
Die neuesten exklusiven Erkenntnisse zu den Steuer-Ermittlungen gegen die VEU Feldkirch.
Die Eishockey-Funktionäre in Feldkirch haben offensichtlich nichts aus der Vergangenheit gelernt. Denn trotz der so wechselhaften Geschichte des Eishockeysports in Feldkirch, bei dem sich Triumphe und finanzielle Debakel abwechselten, haben die Feldkircher, so der dringende Tatverdacht der ermittelnden Behörden, in den vergangenen Jahren Spielergehälter systematisch am Finanzamt vorbei als Schwarzgeld ausbezahlt. Im Visier der Ermittler stehen dabei aktuell die Spielzeiten 2019/20 und 2020/21.
Die Vorwürfe
Wie exklusiv von der NEUE am Donnerstag berichtet, haben vor Kurzem Hausdurchsuchungen bei mehreren VEU-Verantwortlichen der Jahre 2019 bis 2021 stattgefunden. Nach Informationen der NEUE laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Trotzdem scheinen sie in Feldkirch die Lage völlig falsch einzuschätzen. Die Pioneers-Verantwortlichen um Geschäftsführer Christian Groß, Sportdirektor Michael Lampert und Präsident Pit Gleim wittern auf breiter Ebene eine Verschwörung und eine mediale Hetzjagd gegen sie. Obwohl Lampert, der bis vor einem Jahr einer der beiden Geschäftsführer bei der VEU Feldkirch war, vor der Erstveröffentlichung der Causa die Ermittlungen gegenüber der NEUE am Mittwoch auf Anfrage bestätigte: „Es ist richtig, dass derzeit bei der VEU Feldkirch eine behördliche Prüfung bezüglich der abgabenrechtlichen Behandlung von Spielerbezügen im Gange ist. Die Prüfung bezieht sich ausschließlich auf bereits abgelaufene Saisonen der VEU Feldkirch und betrifft in keiner Weise die Pioneers Vorarlberg. Somit gibt es auch keine wie immer gearteten Auswirkungen auf Spielbetrieb, Planungen etc. bei den Pioneers Vorarlberg. Die Pioneers Vorarlberg sind ein völlig selbständiger Verein. Bei den Pioneers Vorarlberg gibt es keinerlei abgabenrechtliche Prüfungen. Die VEU Feldkirch kooperiert selbstverständlich vollumfänglich mit den Behörden und hat diesen sämtliche Unterlagen und Dokumente übergeben. Das Verfahren läuft. Ob es zu Nachzahlungen kommt oder nicht, steht noch nicht fest. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, bitte ich um Verständnis, dass ich keine weiteren Auskünfte geben kann.“
Die Zusammenhänge
Um die Zusammenhänge und vielen komplexen Verstrickungen in der aktuellen Causa zu verstehen, gilt es, die Feldkircher Eishockeyhistorie zu kennen. Die Geschichte der finanziellen Turbulenzen in Feldkirch reicht bis mindestens ins Jahr 1978 zurück, als die VEU nur knapp am Konkurs vorbeischlitterte. Spätestens 1984 wuchsen den Feldkirchern ihre jährlichen bis zu zweistelligen Millionen-Ausgaben für ihre Meistermannschaften der Jahre 1982 bis 1984 über den Kopf, 1986 folgte der überfällige Ausgleich und eine Konsolidierung.
Bis man ab der Saison 1992/93 wieder in die Vollen ging bei der VEU. Mit der Jahrhundertmannschaft um Bengt-Ake Gustafsson, Thomas Rundqvist, Simon Wheeldon, Gerhard Puschnik, Reinhard Divis, Rick Nasheim, Dominic Lavoie und vielen mehr gewann man unter Trainer-Legende Ralph Krueger Titel um Titel, 1998 feierte die VEU gar den Sieg in der Euroliga. Die VEU war die beste Mannschaft Europas und in den zurückliegenden fünf Jahren der erfolgreichste Eishockeyverein der Welt. Finanziell wurde die Ära jedoch zum Desaster, im Jahr 2000 musste man Konkurs anmelden.
Die Nachfolgevereine schlitterten 2004 und 2007 abermals in den Konkurs, ehe man in Feldkirch die neue Realität annahm. Und die hieß erst die beschauliche Nationalliga, dann INL und ab 2016/17 die länderübergreifende, immerhin semiprofessionelle Alps Hockey League.
Im Jänner 2019 nannten die Feldkircher, nach mehreren Umbenennungen nun wieder als Vorarlberger Eishockey Union, für die EBEL und hofften dabei auf 50 Millionen Euro eines Investors aus Deutschland. Dafür ließen sie die mehr oder minder fixierte Allianz mit dem seinerzeitigen EBEL-Klub Dornbirner EC sowie EHC Lustenau platzen: Gemeinsam wollte man als Team Vorarlberg für die EBEL nennen, gar ein Hallenneubau war geplant.
Der EBEL-Alleingang der Feldkircher ging schief, am 3. April 2019 musste die VEU die eigenständige und völlig übereilte EBEL-Bewerbung zurückziehen. Die Millionen kamen nämlich nicht – der vermeintliche Investor war in Wahrheit ein Betrüger. Die VEU musste in der Alps Hockey League verbleiben. Damals hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass die Feldkircher enorme Schwierigkeiten bei der Finanzierung der anstehenden Spielzeit 2019/20 hätten, da sie bis in den April hinein den Sponsoren erstklassiges Eishockey versprachen und dann eben doch weiter in der Alps Hockey League verbleiben mussten. Just ab jener Spielzeit, eben der Saison 2019/20, sollen, so der Vorwurf, in Feldkirch systematisch Spielergehälter unversteuert ausbezahlt worden sein.
Die GmbH
Unmittelbar nach der gescheiterten EBEL-Nennung, im Juni 2019, gründeten sie bei der VEU Feldkirch die VEU Event GmbH. Mit Christian Groß und Michael Lampert ernannten sie gleich zwei Geschäftsführer, einziger Gesellschafter, also Inhaber, war der Verein VEU. Die Feldkircher gründeten das Unternehmen als Vorbereitung auf den in die nahe Zukunft verschobenen EBEL-Einstieg, weil dort der Spielbetrieb über eine GmbH abgewickelt werden muss. Diese Vorgabe galt und gilt aber nicht für die semiprofessionelle Alps Hockey League, auch das ist wichtig zu wissen. In den folgenden drei Jahren wickelten die Feldkircher über ihre GmbH die Gastronomie, den Handel mit Sportartikeln und andere Geschäfte ab, nicht aber den Spielbetrieb. Das heißt: Die Spielergehälter und anderen Aufwendungen für den Ligabetrieb wurden weiterhin vom Verein VEU Feldkirch bezahlt.
Am 18. Mai 2022 wurden die Feldkircher im dritten Anlauf in die nunmehr in ICE Hockey League umbenannte internationale Profiliga aufgenommen. Dieses Mal hatte man sich nicht als VEU beworben, sondern als Team Vorarlberg – obwohl die neuerlich diskutierte Allianz mit Dornbirn und Lustenau nicht zustande gekommen war. Zwölf Tage später präsentierten die Montfortstädter den neu gegründeten Verein Pioneers Vorarlberg, mit dem sie in der ICE Hockey League antreten wollten. Vom Altverein VEU Feldkirch nabelte man sich öffentlich ab, die VEU wurde zum Partnerverein der Pioneers degradiert, die in die Drittklassigkeit abtauchen sollte.
Jetzt brauchten die Feldkircher zur Abwicklung des Profibetriebs eben eine GmbH. Statt eine neue Gesellschaft zu gründen, entschieden sich die Feldkircher Eishockey-Macher per Beschluss vom 13. Juli 2022 dafür, schlichtweg die VEU Event GmbH in Pioneers Betriebs GmbH umzubenennen. Was aller Dementis zum Trotz die Verbundenheit der Pioneers mit der VEU dokumentiert – und genau deshalb besteht rechtlich natürlich eine Verbindung zwischen der VEU aus den Jahren 2019 bis 2021 und den Bemer Pioneers Vorarlberg von heute.
Der Verein VEU Feldkirch schied zwar bei der Umbenennung der GmbH als Gesellschafter aus, neuer Eigentümer wurde der Verein Bemer Pioneers Vorarlberg. Aber das ändert nichts daran, dass es sich um dasselbe Unternehmen handelt. Zum Verständnis: Würde eine Namensänderung genügen, um die Altschulden loszuwerden, würde jeder marode Unternehmer seiner Firma einen neuen Namen verpassen, um bei null beginnen zu können.
Auch die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse lösen die Altlasten nicht in Luft auf, wie ein weiteres Beispiel zeigt: Ein hoch verschuldetes Eigenheim verliert nicht seine Hypotheken, nur weil es der Vater auf den Sohn überschreibt. Außerdem war Pioneers-Geschäftsführer Groß auch Geschäftsführer der VEU Event GmbH, was eine weitere und noch wichtigere Verbindung zwischen der VEU der Jahre 2019 bis 2021 und den heutigen Pioneers herstellt. Wie überhaupt alle hauptverantwortlichen Personen der seinerzeitigen VEU heute auch bei den Pioneers das Sagen haben: Pit Gleim war Präsident der VEU und ist jetzt Präsident der Pioneers, Groß ist eben heute Geschäftsführer der Pioneers, so, wie er es auch im Verdachtszeitraum bei der VEU war, einzig die Position von Lampert hat sich geändert: Bei der VEU noch Geschäftsführer, fungiert er jetzt bei den Pioneers als Sportdirektor.
Dass im Zeitraum der mutmaßlichen Steuervergehen die VEU die Gehälter nicht über die GmbH abgewickelt hat, ändert dem Vernehmen nach nur bedingt die rechtliche Betrachtungsweise – das ergab eine von der NEUE veranlasste erste anwaltliche Einschätzung. Wenngleich klar ist, dass sich darüber noch sehr viele Menschen sehr lange den Kopf zerbrechen werden, so sich denn die dringenden Verdachtsmomente bestätigen sollen. Aber es braucht wenig Fantasie, um zu prophezeien: Auch wenn aktuell nicht gegen die Pioneers ermittelt wird und sich daran nichts ändern sollte, würden eventuelle Nach- und Strafzahlungen eher schon als nicht auf die Pioneers zurückfallen, zumal eben die handelnden Personen bei den Pionners ja dieselben sind wie davor bei der VEU.