Ein weiterer Artikel über die Kloten Flyers im Tages-Anzeiger
ZitatAlles anzeigenDer seltsame Fall der Kloten Flyers
Der Playoff-Finalist verstärkte sich und legte dann den schlechtesten Start seit Jahren hin. Mit der Ursachenforschung tut er sich schwer.
Schon vor dem Stadion ist zu hören: Die Flyers sind auf dem Eis an diesem Donnerstagmorgen. Pucks knallen gegen die Banden, und bald sind auch Stimmen erkennbar. Die Kommandos von Trainer Hollenstein, überraschend energische Erklärungen von Assistent Rintanen. Zwei Tage nach dem 2:6-Debakel gegen Bern ist das Team konzentriert am Werk. Es wird in Blöcken trainiert, es gibt Liniensprints, Schusstraining, immer wieder Korrekturen. Die Intensität ist hoch, das Personal des Playoff-Finalisten fast vollzählig. Und die Frage drängt sich auf: Wie ist es möglich, dass dieses Team so schlecht ist?
Dass es schlecht ist, verrät schon die Tabelle: Rang 10, 24 Punkte, 51:72 Tore. Aber wie schlecht es wirklich ist, zeigt erst der Blick in die Vergangenheit. Seit der Saison 2006/07, als pro Spiel erstmals drei statt zwei Punkte vergeben wurden, hatten die Flyers nach 21 Spielen noch nie so wenig Punkte. Waren sie noch nie so schlecht klassiert. Erzielten sie noch nie so wenig Tore und kassierten noch nie so viele. Eine verheerende Bilanz für eine Mannschaft, die im Sommer personell aufgewertet wurde.
Es ist auch kein gutes Zeichen für die Lernfähigkeit, wenn ein Team zweimal in zwei Monaten einen Fehlstart produziert. Da war der Saisonbeginn, als die Flyers sechs Niederlagen aneinanderreihten, ehe sie sich mühsam auf Rang 7 vorarbeiteten. Und da war die Nationalmannschaftspause, nach der es schon wieder drei Misserfolge in Serie sind. «Vielleicht hatten wir in der Pause unterbewusst das Gefühl, es gehe jetzt von selbst», spekuliert Goalie Martin Gerber.
Mit Ursachenforschung tun sich alle bei den Flyers schwer. Simon Bodenmann ortet fehlendes Selbstbewusstsein, Romano Lemm fehlende Stabilität. «Wir lassen uns zu leicht aus dem Konzept bringen», findet der Stürmer, «wir spielen oft zu kompliziert.» Und Gerber weiss: «Wir haben gute Leute, aber irgendwie greift es nicht ineinander.»
«Wieder ein Feuer auslösen»Das gilt vom Captain bis zum Goalie. Kein anderer NLA-Spieler hat so oft aufs Tor geschossen (52-mal) und so selten getroffen (2-mal) wie Victor Stancescu. Und nur ein anderer Nummer-1-Torhüter (Fribourgs Conz) hat die schlechtere Fangquote als der 40-jährige Gerber. Bei 89,7 Prozent liegt sie – so tief wie nach keiner der bisher 18 Profisaisons, die den Emmentaler aus der NLA über in die besten Ligen Schwedens, Nordamerikas und Russlands zurück in die Schweiz führten.
Es lässt darum aufhorchen, wenn Gerber über den Herbst 2014 sagt: «So etwas habe ich noch nie erlebt.» Überzeugende Erklärungen liefert er keine, dafür ein einfaches Gegenmittel: «Die kleinen Dingen besser machen, die Zweikämpfe besser gestalten und so wieder einen Rhythmus und ein Feuer auslösen.»
Ein Feuer auslösen: Das tat Gerber mit den Flyers schon einmal. Im Playoff-Viertelfinal gegen Davos, als sein Team 0:2 hinten lag. In Spiel 3 schlug der Goalie einem Gegner den Handschuh ins Gesicht – er wurde ausgeschlossen und später gesperrt, doch die Szene war die Wende. Die Flyers kämpften plötzlich um jeden Zentimeter, gewannen viermal in Folge und schafften es mit einfachen, nicht immer ansehnlichen Mitteln bis in den Final. «Wir haben einfach härter gearbeitet», nennt das Gerber.
Dass soll auch heute das Rezept sein, wenn der Gegner erneut Davos heisst – und wie im Frühjahr nichts für die Flyers spricht. Der HCD ist Leader, hat in 11 Heimspielen noch keinen Punkt abgegeben. Es ist der Auftakt zu entscheidenden Tagen: Morgen und am Dienstag kommen mit den Lakers und Ambri die einzigen Teams nach Kloten, die in der Rangliste noch hinter den Flyers liegen.
Eine Punktevorgabe seitens der Clubführung gibt es nicht, aber auch kein Signal für personelle Änderungen: Ein fünfter Ausländer kommt gemäss Chefscout Pascal Müller «sicher nicht».
Auf Zuwachs freuen kann sich damit einzig Patrick von Gunten: Er fehlte gestern im Training, weil seine Frau und er das erste Kind erwarten. Der Einsatz des Nationalverteidigers in Davos ist offen.
(Tages-Anzeiger)