ZitatAlles anzeigenSie ist es höchstwahrscheinlich: Der größte Fahndungsfall in der Geschichte Österreichs scheint geklärt. Die seit 1998 abgängige Natascha Kampusch ist damals entführt worden und am Mittwoch ihrem Peiniger entkommen. Nach dem Entführer wurde gefahndet. Um 20.51 Uhr kam vom Nordbahnhof die Meldung, dass sich ein Mann vor die S-Bahn geworfen hatte. Der Tote hatte einen BMW-Schlüssel bei sich, die Beschreibung des Toten schien auf P. zu passen. Gegen 23 Uhr hatte die Kripo nahezu Gewissheit: "Bei dem Selbstmörder dürfte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Wolfgang P. handeln."
Angeblich hat Natascha am Mittwoch ein paar Runden im Garten des Hauses in Strasshof, wo sie seit 1998 festgehalten worden war, drehen dürfen. Sie konnte auf ein nahes Grundstück gelangen. Dort wurde sie von einer älteren Frau gefunden, der sie sagte, dass sie die letzten Jahre in einem Keller eingesperrt war.
Um 13.04 Uhr wurde die Polizei alarmiert, die die zunächst unbekannte Verwirrte in die Inspektion nach Deutsch Wagram brachte. Und dabei sollten die Worte fallen, die nun wahrscheinlich eines der größten Polizei-Rätsel der letzten Jahre gelöst haben: "Ich bin Natascha Kampusch." Und: Ihr Entführer sei mit einem roten BMW 850i nach Wien unterwegs.Großfahndung
Bei der Polizei schlug die Nachricht wie eine Bombe ein. Sofort wurde eine Großfahndung eingeleitet. Beamte des nö. Landeskriminalamts und der "Natascha"-Soko der Kripo-Burgenland rasten nach Deutsch Wagram.
Natascha war am 2. März 1998 entführt worden, als Tatverdächtiger gilt der Nachrichtentechniker Wolfgang P., 44. Er soll sie in einem Haus bei Strasshof gefangen gehalten haben. Die Montagegrube der Garage soll zu einem "Verlies" ausgebaut gewesen sein. Der Zugang sei von dem Nachrichtentechniker elektronisch gesichert worden. Die Grube ist drei Meter lang, zwei Meter tief und 1,6 Meter breit. Darin: Ein Bett und ein Regal, Kinderbücher, auch Lesestoff für Ältere. Natascha soll die ersten Jahre fast ständig in der Grube, die nur durch einen 0,5 mal 0,5 Meter großen Durchstieg mit Tresortür erreichbar war, gewesen sein.
P.s Mutter sei wochenends im Haus gewesen, um für ihn vorzukochen, habe aber nichts bemerkt. Es sei sogar einmal zum Zusammentreffen zwischen der Frau und Natascha gekommen. Doch P. habe eine Geschichte erfunden, um die Anwesenheit der Jugendlichen zu erklären.Beziehung
Natascha soll in der Gefangenschaft hin und wieder Zeitungen zu lesen bekommen haben, der Entführer ließ sie ausgesuchte Videos ansehen oder Radio hören. Zwischendurch erteilte er ihr eine Art Unterricht. Sonnenlicht sah sie nur selten, ihre Haut ist blass. Zuletzt ging er mit ihr im Garten spazieren oder Einkaufen, Kontakt mit Fremden war dabei verboten.Zwischen dem Entführer und seinem Opfer soll sich eine sonderbare Beziehung entwickelt haben. Auch von sexuellem Missbrauch war die Rede. Näheres werden die, natürlich sehr behutsam geführten, Befragungen von Natascha ergeben.
Natascha leidet am "Stockholm-Syndrom"
Die Entführte war nicht gänzlich von der Außenwelt abgeschottet und wurde auch von Zeugen gesehen. Um Hilfe suchte sie allerdings nie.
Natascha Kampusch ist nach über acht Jahren in Sicherheit. Im Laufe der Ermittlungen kristallisierte sich immer mehr heraus, dass die vor mehr als acht Jahren entführte Natascha Kampusch von ihrem mutmaßlichen Kidnapper nicht gänzlich von der Außenwelt abgeschottet worden ist. Zeugen gaben an, die junge Frau hin und wieder gesehen zu haben. Sie hat aber offenbar nie Hilfe gesucht. "Die Frau leidet an einem schweren Stockholm-Syndrom", sagte Erich Zwettler vom Bundeskriminalamt.Bei lang andauernden Entführungen und Geiselnahmen ist wiederholt das so genannte Stockholm-Syndrom beobachtet worden. Für Außenstehende auf den ersten Blick unverständlich, entwickeln die Opfer in der lebensbedrohlichen, als ausweglos empfundenen Situation Sympathie für die Täter oder solidarisieren sich mit deren Zielen. Das Phänomen ging 1973 nach einem Banküberfall in der schwedischen Hauptstadt in die wissenschaftliche Literatur ein, als sich dort ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Geiselnehmern und Opfern entwickelt hatte.
Schutzmechanismus
Bei dem auch bei den Tätern zu beobachtenden Syndrom handelt es sich um einen unterbewussten psychologischen Schutzmechanismus. Vor dem Gefühl, ausgeliefert zu sein, schützen sich die Betroffenen seelisch dadurch, dass sie sich mit ihren Peinigern identifizieren. Diese Bindung kann auch nach dem Ende der Gefahr weiter bestehen. In Extremfällen stellen sich die Geiseln bei ihrer Befreiung sogar vor ihre Entführer und sehen die Polizei als Bedrohung an.
kurier.at
unglaublich,zu was menschen fähig sind......