Istanbul - Die tätlichen Angriffe nach dem Spiel im Fenerbahce-Stadion haben die Freude der Schweiz über die achte Teilnahme an einer WM-Endrunde überschattet.
Um möglichst schnell dem Hexenkessel zu entkommen, eilten die Gäste am Mittwoch nach dem Schlusspfiff im Sprint in die Kabinen. Dort kam es dann zu wüsten Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten unter Aktiven, Betreuern und dem Personal.
Der Türkei drohen nun Sanktionen. FIFA-Boss Blatter fordert rasche Maßnahmen - auch eine Suspendierung oder der Ausschluss von der WM 2006 ist möglich.
"Jeder musste um sein Leben rennen"
"Was nach dem Spiel geschehen ist, ist ein Skandal", sagte kopfschüttelnd der Schweiz-Stürmer Marco Streller, der das zweite Tor der Gäste beim 2:4 erzielt und nach dem 2:0 im Berner Hinspiel damit dank der Auswärtstorregel die Qualifikation sicherte.
"Jeder musste um sein Leben rennen. Sicherheitsleute und türkische Spieler haben uns angegriffen", erzählte der Legionär des Stranzl-Vereins VfB Stuttgart.
Auseinandersetzung Trainer und Spieler
Einer habe dem für Eintracht Frankfurt spielenden Benjamin Huggel gegen den Kopf geschlagen. Steller fügte hinzu, dass er wisse, wer das gewesen sei.
Augenzeugen berichteten aber auch, dass Huggel den türkischen Physio-Trainer Mehmet Özdilek getreten habe, als beide Teams nach dem Schlusszeichen ins den Kabinentunnel rannten. Was vorausgegangen sei, sei aber unklar.
Daraufhin habe der türkische Abwehrspieler Alpay Özalan vom 1. FC Köln versucht, Huggel anzugreifen, aber stattdessen einen anderen Spieler getroffen. Danach habe ein wildes Gerangel eingesetzt, an dem sich Akteure beider Mannschaften beteiligt hätten.
Der Schweizer Stephane Grichting musste nach einem Tritt in den Unterleib ins Acibadem-Spital gebracht werden, das er am Donnerstag aber wieder verlassen durfte.
"Es waren untragbare Zustände"
Ein trauriges Lied vom eidgenössischen Spießrutenlauf konnte auch Raphael Wicky singen. "Es waren untragbare Zustände, es war unfassbar, türkische Spieler und Ordnungskräfte haben auf uns eingeprügelt. Ich habe Schläge gegen den Kopf und in den Rücken bekommen", erzählte der HSV-Profi, der die gegnerischen Altintop-Brüder in Schutz nahm.
"Sie haben mich vor ihren eigenen Teamkollegen verteidigt und mich in die Kabine gebracht. Wenn die beiden nicht gewesen wären, dann Gute Nacht", so Wicky.
Unter Polizeischutz ins Hotel
Der 28-Jährige und seine Landsleute haben sich nach der Partie zwei Stunden in der Kabine eingeschlossen. "Von da aus habe ich einige Telefonate geführt. Ich wollte meinen Eltern und meinen Freunden sagen, was sich gerade abspielt und dass ich in Sicherheit bin. Später wurden wir dann unter Polizeischutz ins Hotel gebracht", schilderte Wicky.
Medien heben Türkei in Opfer-Rolle
Türkische Zeitungen berichteten am Donnerstag, Huggel habe den Streit vom Zaun gebrochen. Fotos zeigen den Mann mit der Rückennummer 14 auf dem Dress, wie er vor dem Kabineneingang Özdilek von hinten einen Tritt gegen das Bein versetzte.
Die Schweizer hätten die Auseinandersetzungen provoziert. "Unsere Spieler sind in die Falle gegangen", schrieb die Sportzeitung "Fanatik".
Hakan Sükür erklärt Team-Rücktritt
Kameraleute, die die Tumultszenen vor den Garderoben hatten filmen wollen, wurden ebenfalls attackiert. In diesem Zusammenhang nannte die Zeitung "Milliyet" den türkischen Spieler Emre.
Von offizieller türkischer Seite gab es zunächst keine Stellungnahme zu den Auseinandersetzungen und den drohenden Konsequenzen. Hakan Sükür kündigte lediglich das Ende seiner Teamkarriere an, der 34-jährige Stürmer will nach dem Scheitern der Jugend Platz machen.