Athletentum mit Kostümen
15.10.2007 | 18:19 | MARKKU DATLER (Die Presse)
Eishockey. Während die Vienna Capitals den KAC 8:5 abfertigten, litt Werner Schneyder mit und plauderte dabei über Checks, Feuer und Identifikation. Ein Schauspiel in drei Akten.
WIEN. „Ihr seid nur ein Punktelieferant“, sangen viertausend Wiener Eishockey-Fans in der Albert Schultz Halle. Es ist ein Lied, das dem Gegner vor Augen führen soll, dass sowohl das Spiel verloren, als auch die Wertschätzung seiner Spielstärke eher gering angesiedelt ist. Dem hatte an diesem Abend der KAC auch gar nichts entgegenzusetzen: Acht Tore kassiert, fünf – mit viel Glück – erzielt, dazu von den Vienna Capitals eine Tracht Prügel erhalten, kurzum: Österreichs Rekordmeister schlich in Kagran mit einer 5:8-Packung vom Eis und die Rotjacken taten es sogar sehr schnell. Die Fans hatten es ihnen ja seit einer halben Stunde lautstark geraten: „Ihr könnt nach Hause fahren...“
Vorhang auf, erstes Bully
Dabei war zuvor noch gut gelaunt einer der größten KAC-Fans Österreichs in die Eishalle gekommen. Und wäre es nach dem Schauspieler Werner Schneyder gegangen, die Rotjacken hätten gewonnen, „wie immer“. Schließlich sei der „KAC eine Weltanschauung“, wobei er Nicht-Klagenfurtern allerdings zugestand, diese Dimension „nicht begreifen zu müssen“. Aber in einer Stadt, in der die Welt immer scheibenförmig bleiben wird, gebe es keine Diskussion. Eishockey gehe hinauf, bis zur „guten“ Gesellschaft, und der KAC biete alles, was „die klassenlose Gesellschaft zu ihrer Erfüllung benötigt“. Jedoch nur, wenn er gewinnt.
Schneyder, 70, hat Eishockey vor 57 Jahren lieben gelernt. Er putzte das Eis, um Geld für Karten zu bekommen und noch heute faszinieren ihn „das Spiel auf zwei Tore, Härte und Tempo“. Dabei griff er sich an die Stirn, Wien führte 1:0. „Oje“, er nickte, schüttelte den Kopf. Ob er Böses ahnte?
Der Sport, sagt er, habe sich verändert. „Vereinstreue kennen nur noch wenige“, Geld und Ruhm dominieren im Eishockey, dem „Athletentum mit Kostümen“. Selbst kleine Burschen würden in der Rüstung schnell was hermachen... Da glich der KAC aus. 1:1, da sprang Schneyder sogar auf: „Wie echte Helden, jawohl!“ Vorhang auf und zu, Applaus.
Untergang im zweiten Drittel
Während sich Schneyder in der Drittelpause mit Hans Schmid „verbal“ duellierte – der Kärntner ist sein Freund und Präsident der Capitals – wurde er während des Spiels schnell ruhiger. Beim KAC „geht gar nichts, da ist kein Feuer drin!“ Er entdeckte eine Zweiklassengesellschaft und Spieler, deren Namen „kein Begriff“ sind so wie es einst etwa Ahorn-Star Adi Tambellini war. „Der Kult ist weg“, es falle auch schwer, sich mit dieser Puck-Generation zu identifizieren. „Ein altmodisches Denken“, sagt er, aber immer aktuell. Auch das Spiel: KAC vergibt Chance um Chance, Wien führt 4:2 und als ihm Schmid zärtlich „Werner, die Gelben sind meine Mannschaft – ihr müsst üben“ ins Ohr haucht, ist alles aus. „Geeeeh!“ Auch Schneyders letzter Wunsch nach einem „Short-Hander“, einem Tor in Unterzahl, blieb trotz mehrfacher Aufforderung unerfüllt. „Leise Melancholie“ machte sich beim Abgang aller Rotjacken in die zweite Pause breit.
Dritter Antritt, es ist alles aus
Entfesselt starteten KAC und Schneyder aber ins Schlussdrittel. „Jawohl“, wurde der ehemalige Journalist, Kommentator und Kabarettist laut. „Weg mit der Scheiben, schneller, gemma, was ist? Nein!“ Nicht der Schiedsrichter war ein Verbrecher, der „trostlose Auftritt“ des KAC ging munter weiter! Rodman, Dolezal, Selmser und Co. nahmen mit ihren Toren ganz Klagenfurt die Hoffnung. Schneyder, entsetzt beim Stand von 7:3: „Jetzt geht es langsam in die Schande über. Das ist nur noch gediegene Mittelklasse – glanzlos!“
Er war sauer, „das inferiore Spiel“ verdarb alles. Als eine Handvoll KAC-Fans zu singen beginnt, lobt er die „letzten, treuen Seelen“. Doch dann stand es 8:4, Schneyder nickte, er applaudierte – dem Gegner. Das 5:8 war nur der letzte Akt, die Erlösung, alles in allem aber ein „korrektes Ergebnis“. Jetzt konnte auch endlich Werner Schneyder wieder „nach Hause gehen“.
9. Runde: Graz – Innsbruck 7:8 n. Penalties (1:2, 6:1, 0:4; 0:0; 0:1), Jesenice – VSV 5:4 n. P., (2:1, 1:2, 1:1; 0:0; 1:0), Szekesfehervar – Laibach 3:4 (0:0, 3:3, 0:1), Capitals – KAC 8:5 (1:1, 3:1, 4:3). – Die Capitals engagierten Sebastien Chapentier (Ka, 30) als Ersatz für den verletzten Torhüter Labbe.
ZUR PERSON
Werner Schneyder: *25. Jänner 1937 in Graz, er ist Schriftsteller und Schauspieler.
Nach dem Studium der Publizistik und Kunstgeschichte arbeitete er als Journalist, Dramaturg, Autor, Regisseur. Der Durchbruch als Kabarettist gelang in den 70er-Jahren mit „Talk Täglich“ in der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“. Im Sport erlangte er „Legenden-Status“ vor allem als Kommentator der zwölf Box-WM-Kämpfe von Henry Maske.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2007)