Ich habe mich schon in meinem letzten Blog anlässlich der erfolgreichen Olympia-Qualifikation für Sochi 2014 mit der österreichischen Nationalmannschaft befasst und möchte das eben jetzt wieder tun, nach dem in Helsinki der bittere Abstieg in die WM-Zweitklassigkeit besiegelt wurde. Eigentlich ein Resultat, das den Realitäten und gewohnten Abläufen entspricht. Österreich ist als Aufsteiger (genauso wie EBEL-Partner Slowenien) prompt wieder abgestiegen, bleibt also dem bekannten Muster der „Liftmannschaft“ treu: Auf- und Abstieg wechseln in schöner Regelmäßigkeit im Jahresrhythmus, jetzt schon zum fünften Mal.
Doch wie sehr klaffen diesmal reales Geschehen und nackte Statistik auseinander! Unser Eishockeyteam darf hoch erhobenen Hauptes das Eis in Helsinki verlassen, trotz des letztlichen Scheiterns hat sich das Team so gut wie selten verkauft und in allen Spielen (auch gegen die „Großen“) gut dagegen gehalten. Mehr als das, ist es auch aktiv und offensiv aufgetreten. Welch ein Unterschied zu früheren Zeiten – selbst in der „Ron Kennedy-Ära“, als wir uns über einen längeren Zeitraum im Oberhaus halten konnten, kamen wir kaum über eine Mitläufer-Rolle hinaus, indem man gegen in der Weltrangliste „benachbarte“ Länder gut abschnitt, gegen die Giganten des Sports aber fast immer inferior wirkte und chancenlos klare Niederlagen einsteckte. Doch diesmal: Gegen die USA 2:0 geführt, gegen die Slowakei sensationell im Penaltyschiessen gesiegt, gegen die Finnen zwei shorthander im letzten Drittel hintereinander erzielt und gegen die Russen nach dem Aufholen eines 0:2 sogar 3:2 voran gelegen – das hätte man vor dieser WM nicht für möglich gehalten. Zwar lagen diese unerwarteten Ergebnisse und die für eine Eishockey WM völlig unübliche Ausgeglichenheit aller 16 (!) teilnehmenden Nationen im Trend dieser Tage in Stockholm und Helsinki – da schlägt die Schweiz einen Großen nach dem andern, da verliert Titelverteidiger Russland gegen Frankreich und da holt sogar Slowenien gegen Kanada einen Punkt, trotzdem: Darauf darf Österreichs Eishockeyfamilie, wie Teamchef Manny Viveiros immer wieder betonte, stolz sein! Es hat zwar keinen Sinn, den vielen darüber hinaus vorhandenen Möglichkeiten, die es gegeben hat, dem Abstieg zu entgehen, nach zu trauern, fatal sind sie schon: Ausgerechnet im Auftaktspiel gegen die USA patzt der dann überragende Goalie Bernhard Starkbaum – mit der Form der übrigen Spiele hätte er seine Mannschaft locker im Spiel gehalten. Ohne Zeit zu regenerieren (auch der Spielplan kam unserer Mannschaft nicht entgegen), verliert man mit der schwächsten Leistung der WM das Schlüsselspiel gegen Frankreich. Ja und über das unglückliche und unnötige 0:2 gegen „Erzfeind“ Deutschland will ich lieber keine Worte mehr verlieren, sonst kommt der Ärger wieder hoch. Aber was nützt´s: zwei Siege gegen im Grunde auch höher eingeschätzte Letten und gegen den Vizeweltmeister genügen nicht, mit 5 Punkten muss man wieder runter (in der anderen Gruppe haben schon 3 zum Klassenerhalt gereicht!). Alles ein bisschen viel an Ungerechtigkeit, Pech und missliebiges Schicksal!
Aber, kann man darauf für die Zukunft aufbauen? Das Verbesserungspotenzial ist wie erwähnt offenkundig, doch darf man nicht vergessen, für die Olympischen Spiele 2014 wird es mit dem Stamm dieser Mannschaft noch reichen, dann wird es allerdings zum Altersschnitt kommen müssen. Je mehr Österreicher, die sich vor den vielen Scouts aus den besten Ligen der Welt hier so gut präsentiert haben, im Ausland bei Spitzenclubs unterkommen, desto besser ist das fürs Team – der Einfluss von Führungsspielern wie Vanek und Pöck mit ihrer NHL-Erfahrung, aber auch die Erfahrung von anderen, die schon in anderen Ligen gespielt haben und es in Zukunft vermehrt tun werden, kann für die Nationalmannschaft nur fruchtbar sein. Aber – die relativ dünne Decke an Spitzenspielern wird auf Dauer für das Ziel, sich unter den besten Nationen zu halten, nicht reichen. Woher aber die nötigen jungen Talente, die nachdrängen sollen, nehmen? Da beißt sich die Katze wieder einmal in den Schwanz, die Debatte kennen wir ja auch schon zum Überdruss. Die einheimischen Spieler bekommen in der nationalen Meisterschaft in ihren Vereinen zu wenig Eiszeiten, zu wenig Verantwortung in der Spielgestaltung – und dann sollen sie bei der WM ein vernünftiges power play können? Wo gibt es den Trainer, der bei dem durch die Regularien (Punkteregel!) gedeckten System nicht seinen Legionären den Vorzug gibt, weil man eben erfolgsabhängig ist. Das kann sich kein Trainer oder Verein erlauben, denn Geduld ist keine Kategorie, die man sich gegenüber seinen Fans und Sponsoren und wohl auch gegenüber den eigenen Ansprüchen leisten kann. Also resignieren, in der EBEL weiterhin den Söldnertruppen mit ihren (meist) zweitklassigen Ausländern zujubeln und dann bei Olympia und WM auf ähnliche Leistungsexplosionen (mit glücklicherem Ausgang als eben jetzt) hoffen? Nein, das wäre Illusion.
Im Grunde kann wirklich nur ein mittel- und langfristiges Projekt helfen, wie der auch dieser Tage vorgestellte Plan „Austrian Hockey 2017“ von ÖEHV-Direktor Alpo Suhonen eines sein könnte, an dem alle – Verband, Liga und Vereine – glauben und daran mit arbeiten. Die Schweiz hat es (zugegeben auf wesentlich breiterer Basis) unter ähnlichen Voraussetzungen vorgemacht. Sie war einst auch bloß eine Liftmannschaft, in der Liga gaben früher (zumeist allerdings erstklassige) Ausländer den Ton an – und heute erntet man die Früchte von einem mit alemannischer Beharrlichkeit verfolgten System der Nachwuchsausbildung, das in der Tat Nachhaltigkeit bewirkt. Warum das dort geklappt hat, erklärt Edmonton Oilers Chefcoach Ralph Krüger – nach seinen glorreichen VEU-Zeiten jahrelang Coach des Schweizer Nationalteams - einfach damit, dass sich „icehockey minded persons“ und nicht „Politiker“ um die Dinge kümmern. Also Leute, die Eishockey leben, kennen und fühlen und nicht (nur) solche, die sich aus anderen Motiven (und nicht immer nur erfolglos) in diesem Sport verwirklichen wollen.
Alpo Suhonen und Lyle Seitz, die hierzulande Masterminds von entsprechenden Konzepten sind, gehören zweifellos zu der Sorte von Eishockey-Experten im Krüger´schen Sinne. Als Anhänger des Eishockeysports und des Nationalteams darf man sich wünschen, dass sich deren Gedanken und die anderer Kenner trotz aller berechtigter Skepsis zumindest ansatzweise in absehbarer Zukunft so auswirken, dass wir bei einer A-WM nicht nur über Ansätze von Erfolgen, sondern regelmäßig über tatsächliche Erfolge jubeln dürfen. Schon in zwei Jahren wäre (hoffentlich) wieder Gelegenheit dazu!