Das Torhüterspiel im Wandel der Zeit
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Experten Gastkommentare -
5. Dezember 2012 um 07:08 -
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Das Ansehen alter Eishockeyvideos führt dem Betrachter im Abstand von Dekaden vor Augen wie sehr sich der Eishockeysport ändert. Wer sich Ausschnitte aus den 60er, 70er, 80er und 90er Jahren ansieht , der kann sich angesichts der Unterschiede bei Ausrüstungen, Eislaufvermögen und Systemen ein Schmunzeln kaum verkneifen. Die Veränderungen und der Wandel sind auch für den Nicht-Fachmann offensichtlich. Auch das Torhüterspiel hat sich wesentlich gewandelt.
In den 60er Jahren stellten die ersten Slap-Shots die Torhüter vor neue Herausforderungen, die 70er und 80er erforderten besseres Antizipieren des Spiels, da das Pass- und Kombinationsspiel schneller und variantenreicher wurde. Daraus resultierten notwendige Seitwärtsbewegungen und Grätschen von einer zur anderen Seite des Torraums. Die Torhüter fanden sich immer häufiger auf ihren Knien wieder und Nachschüsse wurden teils mit artistischen Bewegungen abgewehrt. Show und spektakulären Situationen wurde genügend Raum geboten. In dieser Zeit entwickelte sich eine wesentliche Abwehrhaltung– der „Butterfly“, bei dem der Torhüter mit beiden Knien am Eis kniet und den Körper aufrecht hielt und beide Arme seitlich wegstreckte. Wenn er in dieser Position einen Schuss abwehren aber nicht festhalten konnte, war es sein Bestreben entweder zurück auf die Beine zu kommen oder unter Umständen sich vor dem Tor querzulegen. Diesen Stil spielten in den 80er und 90er Jahren wohl 99,9 % der Torhüter. Der berühmteste unter ihnen war wohl Patrick Roy (Montreal, Colorado). Die anderen 0,1 % waren „Stand up Goalies“, die jeden Schuss nur im Stand zu parieren versuchten. International wären hier vielleicht Ken Wregget, Correy Hirsch und Roman Turek zu nennen.
In Österreich pflegte der Tscheche Dr. Marcel Sakac diesen Stil in Perfektion. Durch sein ausgezeichnetes Eislaufvermögen brachte er die Angreifer zur Verzweiflung. In den 90er änderte sich der Stil des Butterfly-Goalies insofern, als dass Torhüter wie Ed Belfour oder Curtis Joseph Schüsse aus sehr kurzer Distanz und Getümmel vor dem Tor parierten, indem sie auf ihren Knien verharrten und ihren Stock Flach auf das Eis legten, um so zumindest flache Schüsse aus dem Getümmel zu blockieren. Die Weiterentwicklung diese am Boden –Verharrens sehen wir heute. Torhüter nehmen bei jedem Schuss die Butterfly-Position ein. Der große Unterschied zum „alten“ Butterfly-Stil ist jedoch, dass der Torhüter heute nach dem ersten Schuss mit dem Körper in dieser Position bleibt, und wenn nötig, sich seitlich bewegt. Ziel ist es bei jedem Schuss den Körper zwischen Puck und Tor zu bekommen. Große Paraden oder „Glove-Saves“ sind dabei nicht das Ziel. Die Effektivität ist dadurch gewährt, dass man sich nicht alleine auf das Auge und die Reaktion der Hand oder des Beins verlässt, sondern versucht den Schuss mit dem gesamten Körper zu blockieren.
Befindet sich der Torhüter in guter Position, so findet der Angreifer kaum Lücken. Flach am Eis verhindern die Schoner den Treffer und den Rest deckt der Oberkörper ab. Rein statistisch gesehen steigen die Chance des Torhüters, da die Wahrscheinlichkeit, die wenigen freien Lücken zu treffen, sehr gering ist. Dieser moderne Butterfly-Stil machte den Wissensvorsprung der großen Eishockeyländer teilweise zunichte, da die Torhüter-Trainer weltweit den Stil sofort übernahmen bzw. zum Umlernen gezwungen wurden. Ein Beweis für Österreicher, die nicht nur aber auch dadurch international fußfassen konnten, sind Bernhard Brückler, der ausgezeichnete Saisonen in Finnland und Russland absolvierte, aber auch Bernhard Starkbaum, der nunmehr in Schweden erste Erfolge feiert.
Bei aller Effektivität dieses Stils hat er auch seine Schwächen. Häufig entstehen Tore weil Torhüter reflexartig auf ihre Knie fallen, egal ob der Schuss aus 5 oder 25 Metern, aus dem Slot oder aus spitzem Winkel erfolgt. Häufig kollern einfach kontrollierbare Schüsse aus großer Distanz über die Schultern der Torhüter, auch bei Schüssen aus spitzem Winkel sind vor allem kleinere Torhüter fehleranfällig. Einige der Top-Spieler haben dies erkannt – alleine Evgenij Malkin erzielte einige solche Tore in der vergangenen Saison. Ein weiterer Schwachpunkt sind Rebounds. Vor allem flache Schüsse können alleine mit den Schonern nicht ausreichend kontrolliert werde und bieten gute Chancen für den Angreifer.
Auch für den Zuseher scheint ein einheitlicher und schablonenhafter Stil auf Dauer nicht attraktiv. Wer erinnert sich nicht an einen Dominik Hasek, der seinen ganz eigenen beinahe chaotischen Stil im Stile eines Freischwimmers praktizierte, und trotzdem einer der besten seiner Zunft war, und an spektakulären Saves kaum überbietbar war. Genau von solchen Ausnahmekönnern und kreative Köpfen lebt jede Sportart. Wäre er in ein Schema gepresst gewesen, hätte er sein Genie vielleicht niemals entdecken können. Aus diesem Grunde sollte die kreative Freiheit im Stil nicht zu rigoros eingeschränkt werden. Nur diese ermöglicht eine Weiterentwicklung und Entdeckung neuer Wege und Strategien. Auch der derzeitige Stil wird mit Sicherheit Veränderung erfahren und uns vielleicht in 10 oder 20 Jahren wieder ein Schmunzeln abringen.