In feierlichem und würdigem Rahmen feierte der Österreichische Eishockey Verband dieser Tage im Wiener Rathaus sein 100jähriges Bestehen. Ein Jubiläum, zu dem man als überzeugter Eishockeyfan herzlich gratulieren darf! Höhepunkte der Feier waren die Bekanntgabe der Wahl des österreichischen Jahrhundertteams und des Jahrhundertspielers. Eine (anonyme) Anzahl von 20 Experten aus dem In-und Ausland hat mit der Wahl des leider wegen einer Auslandsreise nicht anwesenden Sepp Puschnig zum Spieler des Jahrhunderts zu Recht ein heimisches „Denkmal“ verewigt, nicht umsonst hat der einstige „Karawankenbär“ als einziger Österreicher Aufnahme in die hall of fame des Internationalen Eishockey Verbandes gefunden.
Auch die fünf Spieler des Jahrhundertteams sind ohne Zweifel herausragende Vertreter des Sports mit unbestrittenen Meriten. Auf das Team - Divis; Hohenberger, Ulrich; Brandner, Kalt, Vanek- kann Österreichs Eishockeysport stolz sein. Sie alle haben vor allem im Ausland, drei davon sogar in der NHL, große Erfolge errungen – und mit Thomas Vanek ist der international renommierteste Austrostar ja immer noch aktiv (zur Zeit wohl wegen des NHL lock out gerade nicht, aber die Geschichte ist ja bekannt…). Die Wahl solcher Jahrhundertgrößen und dieses Eishockey-Jahrhundertteams in allen Ehren, aber für mich ist das zu sehr eine Momentaufnahme der letzten 20, 30 Jahre. Daraus auf die Qualität eines ganzen Jahrhunderts zu schließen, ist schon eine gewagte These, wenngleich verständlich. Wer kennt schon noch die Helden des WM-Teams 1947, das damals auf einer kleinen Moldauinsel in Prag Bronze errang (im Freien natürlich, damals war open air selbstverständlich und keine bestaunte Attraktion wie jetzt in Pula) und durch den legendären 2:1 Sieg über Schweden der CSR (sic!) zum Weltmeistertitel verhalf.
Die bei der Feier eingespielten historischen Reminiszenzen entlockten höchstens den älteren Semestern einen Seufzer der Wiedererkennung, aber wer kann den heute noch mit Namen, wie Csöngei, Goalie Fredi Huber (ein seltenes Bewegungstalent, er war auch Tennis-Davis-Cup-Legende und überdies Landhockeynationalspieler) oder dem Kärntner Gerdi Springer, der es als ebenso versierter Fußballer später sogar zum Trainer des berühmtesten österreichischen Fußballvereins SK Rapid Wien brachte, etwas anfangen. Oder diese gar in Vergleich zu den heutigen Größen setzen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit und viel zu spekulativ, die Verhältnisse von damals lassen sich einfach nicht mit den heutigen vergleichen. Da muss man erst gar nicht die Erzählungen von Adolf Bachura, einem weiteren österreichischen Eishockeyoriginal der Nachkriegszeit, zitieren. So erinnert sich der „Nazl“ an ein WM-Spiel in den Fünfzigerjahren im Leninstadion von Moskau, als man vor 40.000 Zuschauern bei -30 Grad Celsius von den Russen erbarmungslos vom Eis geschossen wurde. Sein langjähriger Verteidigerkollege Hermann Knoll und Walter Znenahlik feierten übrigens in beneidenswerter Rüstigkeit ebenfalls mit.
Noch weiter zurück in der Historie lässt sich der Weg nur noch in Geschichtsbüchern verfolgen, denn Zeitzeugen einer Epoche, in der Österreichs Eishockeyteam immerhin zweimal (1927 und 1931) den damals nicht unwichtigen (und seit 1991 nicht mehr vergebenen) Titel eines Europameisters errungen hat, gibt es wohl keine mehr. Aber auch damals hat es Spieler gegeben haben, die in ihrer Zeit Herausragendes geleistet haben und , wie es so schön heißt, zum Ruhme des österreichischen Eishockeyports ihren nicht unmaßgeblichen Anteil beigetragen haben. Bloß, wer kennt die Namen noch, das ist einfach zu lange her. Andere Namen sind indes noch in recht frischer Erinnerung, an sie wurde bei diesem Festakt allerdings vergessen(?).
Der viel zitierte Aufschwung in den 80er und 90er-Jahren, als man dann doch für einige Zeit zum festen Inventar der A-Gruppe zählte, ist untrennbar mit dem Element der „Austrokanadier“ verbunden. Mag in den Augen mancher Betrachter das ein den kurzfristigen Erfolg gesucht habender Irrweg gewesen sein und möge auch die überwältigende Mehrheit der einstigen Austros auch nur zweitklassige Legionäre gewesen sein, die nach Beendigung ihrer Karrieren mit fremder Staaatsbürgerschaft wieder in ihre Geburtsländer zurück gekehrt sind, manche dieser eingebürgerten „Fremdarbeiter“ haben schon ihre Spuren hierzulande hinterlassen. Neben dem unvergessenen Adelbert St. John (übrigens Schwager des Jahrhundertspielers Puschnig) ist in erster Linie Rick Cunningham zu nennen. Der legendäre Offensivverteidiger spielte mit Herz und Seele für seine neu gewählte sportliche Heimat und auch wenn sich die Wege des Lebenskünstlers wieder in ferne Weltgegenden wie die Karibik begeben haben , das war ein großartiger Eishockeyspieler, der stets für Österreich sein letztes Hemd verspielt hätte.
Man kann also lang in der Geschichte herum kramen und wird immer auf etwas stoßen, was bei so einer Jubiläumsfeier vielleicht auch Erwähnung verdient hätte, doch Anspruch auf Vollständigkeit können derart subjektive Einschätzungen, ob hier oder dort, ohnehin nicht erheben. Somit verbleibt die Tatsache, dass mit dem wohl unbestritten besten Goalie der europäischen Nachkriegsära, dem legendären Sbornaja-Tormann Vladislav Tretjak, in der Tat ein echter Jahrhundertspieler ebenfalls zu Gast war und Reinhard Divis dessen Auszeichnung überreichte.
Was sonst noch „hängen“ blieb: Die These in Werner Schneyders gewohnt pointierter und sprachlich exzellenter Laudatio, wonach Eishockey kein Sport für Vollidioten wäre – eine Anspielung auf die unterschiedlichen „Fankulturen“ im Eishockey und im Fußball (manche Forum-postings oder Facebookeinträge widersprechen dem allerdings ein wenig). Und der Appell des Altpräsidenten Dr. Hans Dobida, dass man auf die österreichische Jugend nicht vergessen möge. Ein mahnendes Wort zur rechten Zeit – da passte es irgendwie, dass mit Reinhard Divis und Dieter Kalt zwei Spieler, die zwar keine Junghoffnungen mehr, aber immerhin frisch gekürte Mitglieder des „Jahrhundertteams“ sind, in ihren Dankesreden beklagen mussten, dass es für sie keinen Platz mehr in einem heimischen Verein gibt, obwohl sie sich noch fit genug fühlten…