Philipp Lonin ist eine imposante Erscheinung. Der Mann ist 2 Meter groß und wiegt rund 120 kg. Philipp Lonin ist im Widerspruch zu seinen Körpermaßen, ein Mensch, der lieber im Hintergrund bleibt. Philipp Lonin ist aber auch ein Mensch, dem es trotz seiner jungen Jahre (Jahrgang 1986) nicht immer super-leiwand-gut gegangen ist. Philipp Lonin hat letztes Jahr ein persönliches Tief gehabt, aus dem es ihm irgendwie nicht gelungen ist, sich alleine wieder rauszuwursteln.
Aber Philipp Lonin hat einen Freund, und zwar einen sehr guten Freund: Österreichs-NHL-Export Michi Grabner. Als "Grabse" nach der letzten, überaus erfolgreichen, Saison in New York wieder in die Villacher Heimat zurückkehrte, lud er seinen Buddy "Lippe" (gibt es eigentlich Villacher Menschen mit Eishockeybezug, deren Spitznamen nicht auf "e" enden? Krompe, Lanze, Lugge, Kersche, ...) zu sich nach Hause zum Abendessen ein und merkte schnell, dass etwas mit seinem Kumpel nicht stimmte. Lonin wog knappe 160 kg und redete sich im Beisein von Grabners Frau Heather und deren Sohn Aidan den Frust von der Seele. Doch ein nettes Plaudern unter den früheren VSV-Nachwuchs-Kollegen war Grabner zu wenig.
Er schnappte sich seinen Freund und nahm ihn mit zum Training, motivierte ihn, an sich zu arbeiten. Dazu zählten aber nicht nur zwei Trainingseinheiten täglich, die der übergewichtige Hobbysportler und der NHL-Star gemeinsam absolvierten, sondern auch gemeinsames, gesundes Kochen und gemeinsame Freizeitaktivitäten. Umgekehrt erleichterte Lonin Grabner's Verpflichtungen in Kärnten, denn der NHL-Spieler wurde den Sommer über von einem Interview zum nächsten weitergereicht, von einer Homestory zur nächsten Charity-Veranstaltung. Philipp Lonin wich nicht von Grabner's Seite und nahm ihm dabei die eine oder andere Kleinigkeit ab.
Als Grabner im August wieder Richtung New York aufbrach, fragte er Lonin, ob er ihn und seine Familie nicht begleiten wollte, um bei ihnen zu leben. Für den gebürtigen Wiener, der seit seinem ersten Geburtstag in Villach gelebt hat, war es die Chance, seinen begonnenen Neustart auch mit einer Luftveränderung fortzusetzen. Er schlug nach kurzer Überlegung sofort zu.
Seither lebt Lonin im Appartment der Familie Grabner. Michi Grabner geht weiterhin so oft wie möglich mit dem Freund trainieren. Im Gegenzug unterstützt Lippe die Grabners, wo immer er kann oder benötigt wird. Er hilft im Haushalt, erledigt Einkäufe und Ähnliches, wenn die Islanders auf einem Road-Trip sind, er kümmert sich liebevoll um Little-Aidan, wenn Mummy and Daddy mal für ein paar Stunden ungestört in ein Restaurant essen gehen möchten. Trotz anders lautender Gerüchte gibt es zwischen den beiden Freunden keine finanzielle Vereinbarung. Und das zu betonen, ist Philipp sehr wichtig: "Ich lebe von meinem eigenen Geld, habe keine großartigen Ausgaben und wenns tatsächlich nicht mehr reicht, würden mich meine Eltern jederzeit unterstützen."
Philipp Lonin hat seither rund 40 kg abgenommen, Tendenz sinkend. Sein Englisch wird von Tag zu Tag besser. Erst unlängst hat er den amerikanischen Führerschein absolviert.
Michi Grabner selbst hatte ich bislang als sympathischen, lebenslustigen, sauschnellen und erfolgreichen Eishockeyspieler kennenlernen dürfen. Aber ganz ehrlich? Sympathisch und lebensfroh sind die meisten Cracks. Doch zu seinem Freund befragt, redet Grabner nicht lange rum: "Ich habe gesehen, dass er nicht glücklich war und wollte ihm helfen. Jetzt hat er Selbstvertrauen getankt und vor allem sein Lächeln wieder gefunden."
Die Hilfe, die Grabner anspricht, hätten neun von zehn Menschen wahrscheinlich mit einem netten Geldbetrag erledigt, der dem Freund ein wenig über seine tatsächlichen Sorgen hinwegtrösten hätte sollen. Aber zwischen den Beiden gehts nicht ums Materielle. Grabner hat erkannt, dass sein Freund nicht seine Kohle benötigt, sondern seine persönliche Unterstützung und hat ihm diese - NHL Star hin oder her - einfach gegeben.
Wenn oft von Vorbildwirkung der Sportstars gesprochen wird, dann hab ich noch selten die tatsächliche Umsetzung so hautnah erlebt wie in diesem Fall. Und in einer Welt, in der es mittlerweile fast ausschließlich um Leistung, Karriere und Geld geht, muss auch ich mir immer wieder vor Augen führen, dass es das Wichtigste ist, sich für seine Familie und Freunde Zeit zu nehmen, für sie da zu sein. Und wenn das einem viel beschäftigten und herumreisenden NHL-Profi gelingt, dann muss ich als normaler Büro-Angestellter das schon lange schaffen.