Keine lange Einleitung: Es geht ums Icing und wie man die aktuelle Regelung verbessern könne:
Vorteile des aktuellen Automatic-Icings (No-Touch-Icing): Keine Zweikämpfe der zurückeilenden Verteidiger mit den angreifenden Stürmern. Dadurch haben sich die Verletzungsgefahren für die Defender nachweislich verringert. Durch das Verbot des Wechsels für die defensive Mannschaft, überlegt sich ein Spieler oft ein zweites Mal, ob er nun wirklich die Scheibe einfach runterschießen soll, um den Druck ein wenig loszuwerden.
Nachteile: Viele Leerläufe im Spiel. Verteidiger, die gar nicht mehr zurücklaufen müssen. Keine spannenden Sprints um die Scheibe. Jeder versuchte schnelle Pass in die Tiefe, der seinen Abnehmer knapp verfehlt, wird als unerlaubter Weitschuss mit einem Bully im eigenen Drittel bestraft (inkl Wechselverbot).
Derzeitige Alternativen:
Touch-Icing, wie es nach wie vor in der NHL fabriziert wird. Stürmer dürfen die Verteidiger nicht mehr attackieren, wenn diese klar zuerst die Scheibe berühren. Ist beim aktuellen Tempo trotzdem immer mit einem Restrisiko einer Verletzung verbunden.
Hybrid-Icing: Wurde im NHL-Research Development and Orientation Camp (RDO) 2010 erstmals getestet und die Einführung steht nach wie vor zur Debatte. Worum geht's dabei? Vereinfacht dargestellt: Die Linesmen müssen während des Sprints um die Scheibe entscheiden, ob der Angreifer eine Chance hat, vor dem Verteidiger an die Scheibe zu kommen. Spätestens auf Höhe der Bully-Punkte, also wenige Meter vor der entscheidenden Torlinie, soll der Pfiff erfolgen, wenn der Stürmer keine Chance auf die Scheibe hat. Ist der Linesman der Ansicht, der Forechecker hat sehr wohl die Möglichkeit, Erster in diesem Rennen zu sein, lässt er das Spiel weiterlaufen. Der ein oder andere aussichtslose - aber gefährliche - Zweikampf könnte dadurch verhindert werden, ohne die Spannung aus diesen kleinen Wettläufen rauszunehmen.
Das Hybrid-Icing klingt für mich äußerst interessant, birgt jedoch die Gefahr, dass die Referees noch mehr in die Schusslinie geraten, wenn sie in spielentscheidenden Phasen nicht ganz auf Höhe der sprintenden Spieler sind und damit vielleicht nicht den besten Blickwinkel zum Geschehen haben. Wie viele Angreifer werden behaupten, sie hätten den Verteidiger eh noch eingeholt. Stattdessen gibt es Bully im eigenen Drittel und der gerade noch sprintende (und daher ermüdete) Spieler darf nun nicht einmal ausgewechselt werden.
Mir ist dazu in den letzten Wochen eine ganz andere Überlegung durch den Kopf gegangen, die ich nun der Eishockeyöffentlichkeit einfach mal zur Diskussion hinwerfe:
Ich nenn es "Blue-Line-Icing": Ein unerlaubter Weitschuss sollte nur dann gepfiffen werden, wenn die Scheibe aus dem eigenen Verteidigungsdrittel kommt. Bis jetzt ist ja die rote Mittellinie das entscheidende Kriterium. Oftmals werden aber dadurch scharfe Fehlpässe auf dem Center Ice bestraft, die halt so gar nichts mit einer unerlaubten Befreiung zu tun haben. Weiters würde das Angriffsspiel nicht erst in der gegnerischen Hälfte beginnen, sondern bereits ab Erreichen der neutralen Zone, sprich ab Überschreiten der eigenen blauen Linie, könnte man die Scheibe ins Angriffsdrittel schießen und nachlaufen.
Dies würde vermutlich das Tempo des Spiels noch weiter beschleunigen, mit dem Nachteil, dass das technische Zusammenspiel im Mitteldrittel nicht mehr so nötig wäre. Aber Hand aufs Herz: Das einzige Ziel, das angreifende Teams derzeit haben, ist es, die Mittellinie zu erreichen, um die Scheibe dann tief spielen zu können. Die Zeiten von glorreichen Pässen rund um die rote Linie sind spätestens seit Wegfall des Red-Line-Offsides (Zweilinien-Pass) 1998 ohnehin Vergangenheit. Und das Angriffsdrittel bleibt ja aufgrund der Abseitsregel ohnehin ein geschützter Bereich, sprich kein Spieler kann vor der Scheibe in dieses eindringen.
Die Folgen? Ich denke, dass es mehr Break-Aways geben könnte und den einen oder anderen Flügelstürmer, der einfach mal auf Verdacht zur zweiten Blauen vorfährt, um vielleicht einer runtergeschossenen Scheibe nachzujagen. Somit könnte man beim No-Touch-Icing bleiben und trotzdem die Anzahl der unerlaubten Weitschüsse reduzieren. Ob man eine solche Änderung noch mit dem prinzipiell sicher positiv zu bewertenden Hybrid-Icing zusammenführt, lass ich jetzt einfach mal offen.
Leider kann ich kein RDO-Camp finanzieren, um meine Gedanken einem Praxis-Test zu unterziehen. Es handelt sich beim Icing auch eher um "kosmetische Eingriffe" (© Bernd Freimüller) und nicht um revolutionäre Veränderungen. Trotzdem wäre es für mich ein Ansatz, um unseren Sport wieder einen weiteren Schritt voran zu bringen und vor allem für die Zuseher noch kurzweiliger zu machen.