Thomas Koch - Million Dollar Baby
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Stefan Jäger -
17. Januar 2012 um 12:10 -
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Albert Einsteins Forschungen im Bereich der theoretischen Physik gelten aufgerundet als größte wissenschaftlichen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Der Meister selbst nahm sich selbst allerdings weniger ernst und hinterließ nebenbei noch ein buntes Sammelsurium spitzzüngiger Zitate zur Menschheit an sich (“Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.”) und den Problemen die sie so mit sich bringt (“Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können.”). Und dann noch: “Gott ist subtil, aber bösartig ist er nicht.” Oder doch?
Rückblende. Vor der Saison, deren Halbzeit aktuell bereits überschritten ist, gab es in Klagenfurt eigentlich nur ein Thema: Thomas Koch. Das lag bedingt am entscheidenden Treffer Kochs im siebenten Finalspiel zu Gunsten der Salzburger und unbedingt an seiner bloßen Existenz im System von Trainer Pierre Pagé überhaupt. Nach einem schwierigen Gastspiel bei Lulea zog es den besten österreichischen Mittelstürmer wieder in die Heimat, der KAC musste zusehen wie Salzburg rund um Koch eine Meistermannschaft kaufte. Der Stachel saß tief.
Koch wurde indes vier Mal Meister, einmal Vizemeister und gewann mit Salzburg den IIHF Continental Cup. Am Ende war allerdings von einem eisigen Verhältnis zwischen Trainer und Star-Center die Rede. Gerüchte machten die Runde: Pagé habe Koch nach Bekanntwerden seiner Verhandlungen mit dem KAC sogar mittels Psychologen für spielunfähig erklären wollen – Liebesentzug für Fortgeschrittene. Als die “Kleine Zeitung” dann den Transfer vermeldete, lagen beim KAC die Nerven endgültig blank. Die “Mission Koch”, die Heimholung des verlorenen Sohns, galt als Meisterstück von Trainer und Vorstand. Koch wurde, obwohl naturgemäß nie offiziell bestätigt, zum teuersten Liga-Transfer aller Zeiten. In Klagenfurt wurde der emotionale wie sportliche Befreiungsschlag gefeiert – der Mann mit der Nummer 18 sollte die Lücke füllen, die der Abgang von Center Jeff Shantz hinterlassen hatte. Das in jeder Hinsicht: Stark am Bully, als Kopf und Lenker des Powerplays, variantenreicher Strippenzieher im Angriff und brillanter Spielmacher für seine Flügel.
Blende in die Jetztzeit. Mit -7 ist Koch gemeinsam mit Legionär Joe Tenute Letzter der teaminternen Plus/Minus-Wertung, liegt mit 20 Punkten aus 37 Spielen auf Platz fünf der Scorer seines Teams und auf Platz zehn der Torschützen. Der Begeisterung ist Ernüchterung gepaart mit Unverständnis gewichen. Es wirkt wie ein Paradoxon: In Salzburg von Pagé geknechtet aber unglaublich erfolgreich – in Klagenfurt beschützt und beliebt - aber ein Schatten seiner selbst? Koch wirkt unsicher, unauffällig und ist seit Saisonbeginn weit von Normalform entfernt. Der Auftritt in Zagreb tat mir schon fast körperlich weh, auch weil ich ihn lange kenne und er einer meiner Lieblingsspieler ist.
Kritik aus dem Verein und von den Fans wird nur hinter vorgehaltener Hand geäußert – noch hat die Verwunderung nicht der Entrüstung Platz gemacht. Das liegt vor allem an Koch selbst, der als intelligenter, höflicher und gleichzeitig äußerst sensibler Typ gilt. Letzteres ist seine größte Schwäche: In Salzburg, entfernt von seiner eishockeyverrückten Heimat, war Koch eingebettet in ein auf ihn abgestimmtes System, in dem die Spielweise des kreativen Alleskönners voll zur Geltung kam. Koch war ein Star, wurde aber nur am Eis wie einer behandelt.
In Klagenfurt hingegen baute sich der Druck proportional zur Erwartungshaltung der Fans, Medien und Teamkameraden bereits vor der Saison auf – Koch wurde zur personifizierten Trophäe im Krieg der beiden Eishockey-Antipoden KAC und Salzburg und droht jetzt zur tragischen Gestalt zu werden.
Mit den Transfers von Mike Siklenka und Koch wurden den Salzburgern zwei Stützen der Vergangenheit weggeschnappt, die in Klagenfurt bis dato kaum zur Geltung kamen. Matthias Trattnig steht bekanntermaßen ebenfalls ganz oben auf der Einkaufsliste der Rotjacken, sollte Thomas Pöck nach Österreich zurückkehren, dürfte das Wettbieten munter weiter gehen. Der große Verlierer ist bislang der KAC, der Stars kaufte und Budgetposten bekam.
Ob der Eishockey-Gott doch bösartig ist? Herb Brooks, Olympia-Trainer der USA 1980 fasste es einmal schön zusammen: “Ich will nicht die besten Spieler, ich will die richtigen Spieler.”