Nun haben wir bei Servus TV ja zum Glück eine recht spezifische Aufgabenverteilung, vor allem die Beiziehung der Regelexperten, Gerhard Schiffauer und Bernd Freimüller, nimmt uns Eishockeyexperten ein wenig aus der Schusslinie, wenn es um haarige Entscheidungen der Referees geht. Als ehemalige Spieler kennen wir zwar den Großteil der Regeln, nach denen wir früher gespielt haben, aber einerseits kommt es ständig zu Änderungen und Adaptierungen und andererseits gibt es keinen Spieler, der alle Regeln kennt und diese auch anzuwenden weiß.
Somit ist es gerade beim Co-Kommentieren, wo wir selbst oftmals „nur“ eine oder zwei Lupen sehen, nicht immer leicht, sich in der Sekunde festzulegen, ob eine Attacke nun ein Foul, ein Abseits zu Recht gepfiffen oder ein Tor regulär war. Manchmal gibt es dann aber die Momente, in denen man intuitiv einfach sicher ist, richtig zu liegen und diese Meinung dann auch offensiv vertritt. Zu genau solch einer fraglos fragwürdigen Szene kam es letzten Freitag im Spiel Caps vs Zagreb:
Hier geht es zu dem Video - die fragwürdige Szene ist bei 2:00 zu sehen
Ross Lupaschuck spielt einen Querpass von rechts nach links zu Marcel Rodman. Dieser wischt in der ersten Bewegung mit dem (rechten) Schläger über den Puck, dieser rutscht daher weiter und würde in weiterer Folge zwischen Rodman und dem Torpfosten in die Ecke gleiten. Allerdings gelingt es Rodman mit einer schnellen Bewegung seines linken Fußes nach innen, dem Puck eine völlige Richtungsänderung zu geben, sodass sich dieser nun doch noch aufs (fast leere) Tor zubewegt. Rodman selbst versucht noch ein weiteres Mal mit seinem Stock die Scheibe zu treffen. Er schlägt aber über den Puck und somit beendet das schwarze Stück Hartgummi seine Reise hinter der Torlinie der Kroaten. Tor oder nicht Tor?
In meiner ersten Reaktion live bin ich davon ausgegangen, dass Rodman den Puck noch rechtzeitig vor der Torlinie mit dem Stock erreicht hat und damit die Frage nach Schlittschuhtor oder nicht ohnehin obsolet sei. In der Wiederholung musste ich dann feststellen, dass dem nicht so ist. Allerdings ist auch klar zu erkennen, dass Rodman den Eislaufschuh derart nach innen dreht, dass er ganz bewusst versucht hat, den Puck zu erreichen und ihn eben – wenn auch nicht ins Tor zu spielen – so doch, ihn zumindest in Richtung Tor zu bewegen. Mir ist schon klar, dass er dabei eine Bremsbewegung mit dem Schlittschuh durchführt. Aber fast jede Bewegung, die auf dem Eis mit dem Schuh getätigt wird (außer Eislaufen selbst), löst durch die scharfen Kanten regelmäßig eine Bremsung aus. Eine Kickbewegung wie beim Fußball oder meinem Lieblingsspiel aus Kindheitstagen „Tip Kick“, wird man auf einer Eisfläche nie sehen, weil man ja so keine Scheibe spielen könnte.
Daher handelt es sich nicht um eine Bremsbewegung, bei der der Spieler angeschossen wurde und das Tor daher trotz Richtungsänderung des Schlittschuhes zu geben gewesen wäre, sondern eben um Bewegung des Fußes mit einer Drehbewegung in Richtung Puck, bei der dieser bewusst gespielt wird.
Die Head-Referees Kincses und Veit haben nach langem Video-Studium (könnte man übrigens in der Halle in der Zwischenzeit nicht mit ein wenig Musik oder Showeinlagen die zu dem Zeitpunkt fantastische Stimmung am Leben erhalten?) richtig entschieden: Kein Tor. Dass die Regel aber ohne Videostudium meines Erachtens schwer umsetzbar ist, sollte bei der IIHF auch zu einem Nachdenkprozess anregen, denn die Unterscheidung zwischen „Kick“ oder „Nicht-Kick“ ist oftmals eine verschwimmende.
Noch dazu, wo das IIHF Regelbuch und das Case – Book (Sammlung von Fallbeispielen) einen Interpretationsspielraum zulassen.