U20 Nächste oder verlorene Generation?
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Bernd Freimüller -
28. Dezember 2011 um 12:47 -
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Zwei Wochen vor Weihnachten, knapp 20 Kilometer von der Grenze entfernt, Garmisch-Partenkirchen: Die nächste Generation des österreichischen Eishockeys steht auf dem Prüfstand. Jetzt ist die U20-WM, Division 1A (vulgo B-WM) ausgewertet, eine Frage besteht weiter: Sind diese 22 Spieler die „next generation“ oder einfach die nächste „lost generation“?
Das pure Endergebnis war so wie erwartet, der anfängliche Optimismus der neuen Coaches Christian Weber und Philippe Horsky machte im Verlaufe des Turniers Realismus Platz. Zwei akzeptabelen Spielen (eine unglückliche Shootout-Niederlage gegen Slowenien nach 2:0-Führung sowie die wohl besten zwei Drittel des Turniers beim 2:5 gegen Norwegen) standen ein 2:11-Debakel gegen Gruppensieger Deutschland sowie das chancenlose 2:6 gegen Belarus gegenüber. Das Schicksalsspiel am letzten Spieltag gegen die eisläuferisch inferioren Briten wurde nach 0:1-Rückstand mit 3:1 gewonnen und somit der Klassenerhalt geschafft. So die Ergebnisfakten des Turniers, Österreich belegt damit in der U20-Weltrangliste den 15. Rang, die Abwärtstendenz der letzten Jahre im Nachwuchsbereich bleibt aber bestehen.
Wie immer bei Juniorenteams geht aber viel mehr um den möglichen Nachschub für das A-Team. Ausfälle gab es bis auf den schulisch verhinderten Layne Viveiros und den am Knöchel verletzten Alexander Cijan keine. Weber führte jedoch das (vorbildliche) Schweizer Prinzip für Nachwuchsnationalteams ein: Bei ungefähr gleichem Leistungsniveau wurden 17jährige den älteren Spielern vorgezogen, sodass mit Christoph Duller (Salzburg), Patrick Peter (Vienna Capitals) und dem EBEL-erfahrenen Johannes Bischofberger (Salzburg) gleich drei „94er“ zum Kader gehörten. Während Peter sich keinen Stammplatz sichern konnte, gehörten Duller und Bischofberger zu den positiveren Erscheinungen.
Eisläuferisch konnte das Team mithalten, die durchschnittliche Physis jedoch erschütternd. Das Spiel gegen Deutschland war ein Matchup von Kindern gegen Erwachsene, im Durchschnitt schien das deutsche Team einen Kopf größer und etwa 20 kg schwerer zu sein, was sich auch im Ergebnis niederschlug. Eigentlich ein Wunder, dass Österreich ohne Verletzungen durch das Turnier kam.
Wen werden die österreichischen Eishockeyfreunde also im Nationalteam oder zumindest als Bundesligastammspieler wiedersehen?
Konstantin Komarek:
Der A-Team erfahrene Kapitän bleib in fünf Spielen punktelos, insofern natürlich eine Riesenenttäuschung. Sein Motor lief jedoch wie immer auf Hochtouren, einer der wenigen, der auch Elemente des Erwachseneneishockeys (Behauptung auf engem Raum, Abschirmen der Scheibe) mitbrachte. Vorbildliche Einstellung, allerdings ist er kein Offensivleader. Wenig verwunderlich daher, dass er eigentlich beim gleich anschließenden Finaltag des Salute-Turnier eine bessere Figur machte, wo er seine Qualitäten als „buzzsaw player“ und Strafenzieher eher ausspielen konnte. Ein wertvoller Teamspieler mit vorbildlicher Einstellung. Wenn seine „Size/Skating-Ratio“ nur ein klein wenig besser wäre - er scheint immer sehr viel Energie für das Eislaufen aufwenden zu müssen, was im Einklang mit seiner durchschnittlichen Statur sein Handicap ist.
Potential: Wertvoller Spieler für das Nationalteam mit vorbildlicher Einstellung, aber ob er in näherer Zukunft eine Rolle in den Scoring Linien einnehmen kann?
Patrick Obrist:
In Österreich fast völlig unbekannt, ist er noch ein Jahr im schweizerischen Zug unter Vertrag, wo er in der nächsten Saison auf die Aufnahme in der Kampfmannschaft hofft. Einer der wenigen Spieler mit einer Kombination aus guter Größe und ausgezeichneten Füßen. Der 1993 geborene Flügel (im U18-Team als Center eingesetzt) hat die im modernen Eishockey notwendige Gabe, im Verkehr und unter Druck gute kurze Pässe zu spielen. Kein großer Hitter, steckt aber Checks sehr gut weg. Gute Übersicht und Hände, ausgezeichnete Einstellung. Vom Paket her vielleicht das größte Talent, muss aber den Sprung ins Erwachseneneishockey bald vollziehen.
Potential: A-Teamspieler mit derzeit noch unabschätzbarem Scoringpotential, aber guter Physis und Füßen
Christoph Duller:
Der großgewachsene Verteidiger zeigte in einer oft überforderten Defensive als Jüngster das größte Potential auf. Großgewachsen, mit einer niedrigen Paniktendenz unter Druck. Verteidigt 1-1-Situationen meist ruhig, seine Füße sahen in Relation zur Größe gut aus. Einfaches Spiel mit dem Puck, kann ersten Pass gut spielen, aber mit limitiertem Offensivupside. Kommentar eines NHL-Scouts: „Sollte seine Chance im Ausland suchen.“
Potential: Größte Bluelinerhoffnung dieses Teams, muss allerdings mehr Energie und Feuer in sein Spiel bringen. Ob dies in Österreich gelingt?
Johannes Bischofberger:
Neben Teamkollegen Markus Pöck noch am ehesten mit regelmäßiger EBEL-Erfahrung. Wie so viele seiner Mitspieler „undersized“, aber mit besserer Physis. Der Salzburger Center und Flügelstürmer bringt die bei seinem Mangel an Größe unerlässlich schnellen Beine und, im Unterschied zu den meisten seiner Mitspieler, guten Hockey Sense mit. Zeigt Geduld mit dem Puck und findet auch unter Druck die richtige Abstimmung zwischen Puckhalten und –weiterleiten. Spielt, um einen Scouting-Ausdruck zu verwenden, „größer als gelistet“, absorbiert Checks um Pucks weiterzuleiten.
Potential: Nationalspieler mit Scoringupside. Verdient sich bereits jetzt einen Stammplatz in Salzburg.
Wer weist neben diesem Kleeblatt bei großzügiger Betrachtung noch Upside für zumindest eine gute EBEL-Karriere auf?
Goalie Wolf Imrich (KAC, 92) brachte einerseits Größe, gute Beine und Reboundkontrolle mit. Andrerseits verursachte er aber in entscheidenden Momenten genickbrechende Gegentore und verlor dann seinen Stammplatz. Welches ist nun der wahre Imrich?
Center Patrick Platzer (VSV, 92): In einer physisch äußerst limitierten, aber schnellen VSV-Linie (mit Göhringer und Sternat) noch am ehesten mit Durchsetzungsvermögen und Offensivmomenten.
Flügel Emilio Romig (Indiana Ice, USHL, 92): Schnelle Beine, die er aber durchgehend bewegen muss, um bei seiner geringen Körpergröße effektiv zu sein. Hockey Sense und Scoring Potential sind große Fragezeichen. Wird er je eine Rolle als Spieler in den hinteren Linien akzeptieren?
Posterboys für die körperlichen Defizite im österreichischen Nachwuchs waren die Verteidiger Bernhard Fechtig (Dornbirn, nächste Saison fix beim KAC) und Christian Ofner (VSV). Zwei Defender mit ungefähr 1, 75 Metern Größe stellten selbst bei diesem Turnier eine Ausnahme dar. Doch der Mangel an Körpergröße ist weniger das Problem als die mangelnde Körpermasse, so willig und eisläuferisch gut die beiden auch sein mögen. Vor allem gegen die Deutschen wurden die beiden herumgebeutelt wie eine Dschunke bei Windstärke 12. Wie soll das erst gegen Erwachsene gutgehen?
Das Turnier bewies wieder einmal eines: Die Diskussion über zuviele Ausländer in der Liga in der Verbindung mit der Punkteregelung ist zwar angebracht, geht aber auch am Thema vorbei. Klar ist, dass zweistellige Ausländerzahlen bei einigen EBEL-Teams sowohl die Quantität der österreichischen Cracks als auch deren Eiszeit zu sehr einschränken. Nur: Das Problem ist nicht die Spitze der Pyramide sonderen deren Boden. Denn neben Talent müssen die Jugendlichen auch die notwendige Physis für das Erwachseneneishockey mitbringen. 19jährige Spieler mit löschblattartigen Oberkörpern können unmöglich in Seniorenteams integriert werden, ohne sie gegen Cracks wie Gratton, Morency oder Sofron in Lebensgefahr zu bringen. Wenn das Krafttraining bei Vereinen auf dem Index steht, muss vor allem im Sommer Eigeninitiative angesagt sein und das Ganze bereits, bevor uns international die immensen Grenzen aufgezeigt werden.
Das „92er-Team“ sollte also - nur mittelbar abhängig von der Entwicklung in der EBEL - weder die „next“ noch eine „lost“ Generation im österreichischen Eishockey darstellen. Die Karriere-Bandbreite dieser Spieler wird wie immer von Landesliga- bis zu Nationalspielern reichen. Bezeichnend aber auch für die Scheinheiligkeit der Diskussion um die Ausländerproblematik in der EBEL: Außer den mehrfach vertretenen Scouts von Red Bull Salzburg und ÖEHV-Delegationsleiter Peter Schramm waren (wie eigentlich immer) keine Entscheidungsträger des österreichischen Eishockeys in Deutschland anzutreffen…