Hängt sie höher (oder Eishockey meets Wilder Westen)
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Stefan Jäger -
11. Dezember 2011 um 20:50 -
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Eishockey-Österreich ist um ein Kuriosum reicher. Zwei Schiedsrichter Pavel Cervenak und Roland Kellner wurden gesperrt – das ist der Treppenwitz – weil sie eine Attacke von Laibachs Goalie Jean Philippe Lamoureux an Cervenak nicht mit einer härteren Strafe geahndet hatten.
Dazu muss man eines wissen: Roland Kellner ist nicht nur einer der talentierteren Heads der heimischen Liga, er ist auch ein kritischer Kopf, der bereits mehrmals mehr Profitum unter den Schiedsrichtern eingefordert hat und sich auch medial für Profi-Schiedsrichter in der EBEL aussprach. Dazu hat Kellner auch als Spieler Erst- und Zweitligaerfahrung. Eine Vita mit Seltenheitswert unter den heimischen Referees. Dass sich Kellner unter den Schiedsrichterkollegen wenige Freunde damit machte, ist nicht neu. Cervenak, Auslöser der Sperre, ist der erfahrenste Liga-Head überhaupt.
Augenscheinlich leisteten sich die zwei Schiedsrichter zwei Fehlentscheidungen binnen weniger Sekunden. Erst behinderte VSV-Stürmer Shayne Toporowski im Torraum Lamoureux mehr oder minder klar - worauf ein Tor folgte. Dann schmiss es Laibach-Goalie Lamoureux die Sicherungen und er attackierte Cervenak. Der plädierte im Gegensatz zu Kellner auf eine Disziplinarstrafe, Lamoureux durfte die Partie zu Ende spielen. Die beiden Fehlentscheidungen des Gespannes bewogen die Verantwortlichen dem Duo eine so titulierte “Nachdenkpause” aufzubrummen.
Die Entscheidung ist so falsch wie österreichisch. In zwei Wochen dürfte sich der Staub gelegt haben, niemand spricht mehr darüber und es geht munter weiter. Die Medien stürzen sich auf die Causa an sich. Bad news are good news. Die Schiedsrichter jedoch haben die Büchse der Pandora geöffnet – die Forderung nach der nächsten “Schiedsrichter-Sperre” und nur so wird der Umstand gesehen, ist nur eine Frage der Zeit.
Anstatt an den richtigen Schrauben zu drehen, wird das Problem – in diesem Fall auf dem Rücken zweier Zebras – beiseite geschoben. Warum? Seit Jahren denkt die Liga über die Möglichkeit nach, Fouls auch im Nachhinein ahnden zu können, unabhängig davon ob und welche Strafe während des Spiels ausgesprochen wurde. In der NHL ist das seit langer Zeit gelebte Praxis, mit Brendan Shanahan wurde ein Ex-Spieler an Bord geholt, der Woche für Woche die Sperren, in eine Videobotschaft verpackt, erklärt. Shanahan, mit 2500 Strafminuten in 1500 NHL-Spielen auch nicht unbedingt Eishockey-Pazifist, ist akzeptiert, die Diskussionen harter Sperren für harte Fouls ist in der NHL praktisch derzeit nicht existent. Das Ansehen der NHL-Referees hat darunter nicht gelitten.
Im Gegenteil: Die NHL-Schiedsrichter begrüßten diese Maßnahme, sie wurden damit aus der Schusslinie genommen. Disziplinarmaßnahmen werden zentral entschieden und mitgeteilt. Ähnlich ist es bei strittigen Situationen während dem Spiel, in der NHL-Zentrale in Toronto laufen alle TV-Bilder der Spiele zusammen, Entscheidungen können sachlich und ohne Zuschauer im Rücken gefasst werden. In Österreich wird weiter diskutiert, ob man damit den Tatsachen-Anspruch der Referees gefährden würde. Wie bitte? Aber man sperrt sie dann?
Was den heimischen Zebras vor allem fehlt, ist eine starke Lobby. Ganz klar: Die Sieger haben trotz der Schiedsrichter gewonnen, für die Verlierer ist die Ursache der Niederlage schnell gefunden. Ich würde öffentliche Statements von Funktionären, Spielern und Trainern zu Schiedsrichterleistungen generell verbieten. Sie bringen nichts und klingen ewig gleich – dazu haben die Referees kaum Möglichkeiten ihre Entscheidungen zu begründen.
Als Schiedsrichterkollegium würde ich Trainer, ausgewählte Spieler und auch Medienvertreter einmal zu einem Regeltag in die Eishallen der Liga einladen. Schon alleine als vertrauensbildende Maßnahme. Denn was im schnellsten Mannschaftssport der Welt von der kuscheligen Tribüne oder der Spielerbank so glasklar aussieht, stellt sich für das Gespann am Eis völlig gegenteilig da. Kurz: Nicht jeder Check der Zähne noch in den hintersten Besucherreihen klappern lässt, ist auch ein Foul und nicht jede harmlos wirkende Berührung keines.
Fehlentscheidungen wird es immer geben - inklusive berechtigter Kritik. Die Konsequenzen sind - wie im gegenständlichen Fall - fragwürdig.
Leichter als sich mit der Problematik zu beschäftigten, ist es für Fans, Funktionäre, Spieler und Medienvertreter natürlich “hängt sie höher” zu rufen. Das hat schon im Wilden Westen funktioniert.