Auf der Suche nach einem Wiener Hirn
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Alexander Tomanek -
29. August 2011 um 08:00 -
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253 Tore in 1.051 EBEL-Spielen. Das ist die beeindruckende Bilanz jener drei Offensiv-Verteidiger, die die Vienna Capitals in den letzten beiden Jahren verlassen haben. Francois Bouchard (jedes 3. Spiel ein Tor), Darcy Werenka (jedes 4. Spiel ein Tor) und Jeremy Rebek (jedes 5. Spiel ein Tor). Bloße Zahlenspielerei? Mitnichten.
Die Caps haben sich zweifellos intelligent verstärkt. Schlauer Coach, erfolgreicher Goalie, clevere Auswahl bei den Stürmern (einzig Kavanagh stimmt mich skeptisch). Und zum Drüberstreuen noch die aufgepeppelte NASH - neue Albert Schultz Halle - wie sie in kreativen Fankreisen bereits jetzt liebevoll genannt wird. Für mich sind die Wiener daher ein absoluter Finalkandidat, wenn nicht sogar Meisterschaftsanwärter.
Wäre da nicht die eingangs erwähnte Statistik. Das Powerplay war in den letzten Jahren fest in Wiener Hand. Wer mir die letzte Saison nennen kann, in welcher die Caps nicht das beste Überzahlspiel der Liga hatten, soll sich bitte bei mir melden. Es war wirklich beeindruckend, mit welch spielerischer Leichtigkeit die Scheibe im Angriffsdrittel die letzten Jahre rotiert ist. Doch genau hier setzen im Sommer 2011 meine Zweifel an. Bjornlie und Casparsson sind Top-Defender, keine Frage. Oraze hat einen scharfen und trotzdem genauen Schuss. Lakos erhält als Defensiv-Hackler kaum Eiszeit im Powerplay. Die Vier waren letztes Jahr ohnehin alle schon an Board.
Aber wer von den Neuverpflichtungen ersetzt die vorhin genannten Offensiv-Verteidiger, welche die Fäden von der blauen Linie - ähnlich einem Quarterback im Football - über mehrere Jahre hinweg gezogen haben? Werenka, Bouchard und Rebek konnten nicht nur den tödlichen Pass in die Tiefe spielen, sondern zeichneten auch selbst regelmäßig für Game-Winning-Shots verantwortlich. Zum Drüberstreuen waren sie bis auf Werenka 2009/10 so gut wie nie verletzt. Sie waren das offensive Hirn der Wiener Defense.
Jon Insana hat in seiner bisherigen Karriere in 710 Spielen ganze 57 Tore erzielt, sprich er benötigt durchschnittlich 12,5 Matches für einen Treffer. Try-Out-Testpilot Kevin McLeod konnte letzte Saison in der dänischen Liga gerade einmal 7 Treffer erzielen und wird wohl bereits heute wieder verabschiedet werden. Und Willi Lanz durfte sich in 128 EBEL-Einsätzen erst ein einziges Mal als Auslöser für den Torschrei auf den Rängen feiern lassen.
Wie wird der neue Trainer darauf reagieren? Noch einen Platz für einen Point-Man offen halten? Mit den Verteidigern im aktuellen Kader so gut trainieren, dass sie die benötigten Skills erlernen? Oder das System an sich umstellen? Vielleicht einen vierten Stürmer bei numerischer Überlegenheit aufs Eis schicken?
Die nächsten Wochen werden Aufschluss darüber geben. Ich gehe mal davon aus, dass der Viel-Schießer Lupaschuk als Pointman bleiben und Bjornlie noch mehr zum Vorlagengeber mutieren wird. Die Variante Marcel Rodman in der zweiten PP-Reihe als Blueliner einzusetzen, hatte - zumindest im Test gegen TPS Turku - eher bescheidenen Erfolg. Es wird jedenfalls spannend zu sehen sein, wie Coach Samuelsson diesen offensichtlichen Mangel beheben wird.
Aber unabhängig von der Torgefährlichkeit ihrer Verteidiger und den vielen Niederlagen in der Pre-Season werden die Capitals heuer ganz vorne mitmischen. Dafür bürgt schon alleine die Qualität und Tiefe des Kaders.(AT)
Zur Kaderbewertung von hockeyfans.at: Hohe Erwartungen im Capitals Land
Bild: MKL / hockeyfans.at