Kaderbewertung: Wird der VSV die große Überraschung?
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marksoft -
6. September 2016 um 13:34 -
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Der VSV hat in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen gesorgt. Da war der Abschied von Forever Abos, die finanziellen Einsparungen durch die GmbH Umwandlung und einige Abgänge. Aber die Kärntner haben gut gearbeitet und sich mit interessanten neuen Spielern verstärkt. Kann man an der Drau heuer die Top 6 angreifen, oder ist da noch mehr drin?
Finanziell pfeift der VSV aus dem letzten Loch. Diesen Eindruck musste man als Außenstehender gewinnen, wenn man die Wortmeldungen der Villacher in den letzten Monaten beobachtet. Tatsache ist, dass die Kärntner ohne Zweifel nicht mehr in der ersten Liga der Budgets und Spielergehälter mitspielt. Das ist kein Geheimnis und kommt nicht gerade überraschend. Auch dass man finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, scheint unausweichlich. Seit Jahren gibt es keinen Haupt-/Namenssponsor, einen Gönner sucht man vergebens. Daher heißt es inzwischen auch in Villach, sich im Vergleich zur finanziell potenteren Konkurrenz durch Transfergeschick und gute Kaderzusammenstellung zu profilieren.
In der letzten Saison gab es eine kleine Zäsur, mit Greg Holst kam ein neuer Trainer und damit auch frischer Schwung zum Verein an der Dau. Da man bei den Gehältern für Spitzenspieler nicht mehr mithalten kann ist der Weg der, die eigenen Nachwuchscracks noch mehr zu fordern und zu fördern. Das klappte bereits sehr gut, die erste Meisterschaftsphase schloss man auf Rang 7 ab, nur ein Punkt fehlte letzten Endes zu den Top 6 und zur vorzeitigen Play Off Qualifikation. In der Zwischenrunde blieben die Adler dann souverän und feierten acht Siege in zehn Spielen. Die Adler hatten einen Lauf und trafen im Viertelfinale auch noch auf so etwas wie den Play Off Lieblingsgegner. Die Vienna Capitals wurden aus dem Bewerb geschossen, im Halbfinale führten die Draustädter gegen Titelverteidiger (und den späteren Meister) Salzburg mit 2:1. Drei 1:2 Niederlagen in Folge brachten dann aber doch das Ende einer Saison, die nach der Holst Übernahme noch einmal Schwung aufgenommen hatte.
So weit weg waren die Villacher also gar nicht von einem Spitzenteam. Es war ein Stolperstart mit 12 Niederlagen aus den ersten 20 Partien, der den VSV in Bedrängnis brachte. Ein Rückstand, der in der zweiten Hälfte des Grunddurchgangs nicht mehr ganz aufzuholen war. Lange Jahre hing man auch beim VSV an der Vergangenheit, zeigte immer wieder auf die VSV Exporte Thomas und Michael Raffl, sowie Michael Grabner. Dahinter kam aber kaum jemand nach, wie bei anderen EBEL Vereinen auch verpuffte das Villacher Talent in der dritten oder vierten Linie – wenn es überhaupt dort eingesetzt wurde.
Unter Greg Holst wurde das wieder verbessert und im Sommer hatte man dann auch noch ein wenig Transferglück und den Mut zum Risiko. Vor allem im Angriff könnte man heuer wieder an alte, stürmische Zeiten anknüpfen. Dass es trotzdem ein paar Fragezeichen gibt, liegt an Umstellungen im Defensivbereich, die für die ein oder andere Sorgenfalte verantwortlich sein könnten.
###Die Ausgangslage
Vier Jahre in Folge ist der VSV nun schon ins Play Off vorgedrungen und trotzdem hängen die Adler ein wenig an dem Ruf fest, schlechte Saisonen gespielt zu haben. Für die Erwartungen am traditionellen Eishockeystandort mag das zwar stimmen, aber der sportliche Erfolg kann sich in einer immer enger werdenden Liga trotzdem sehen lassen. Zwei Mal standen die Kärntner in den letzten beiden Jahren im Halbfinale. So auch im letzten Jahr, als man erst in den letzten Monaten so richtig in Fahrt kam.
Statistische Fakten 15/16:
Power Play: 16,94% (6.)
Penalty Killing 86,40% (2.)
Fairplay 10,5 Min/Sp (4.)
Scoring Effizienz 8,12% (10.)
Goalkeeping 93,03% (1.)
Tore geschossen: 120 (7.)*
Tore erhalten: 106 (2.)*
*zwecks Vergleichbarkeit nur aus dem Grunddurchgang
Zum zweiten Mal in Folge legten die Villacher einen ganz schlechten Start hin und vermiesten sich einen besseren Platz schon sehr früh in der Saison. Spätestens mit der Amtsübernahme durch Greg Holst wurde alles etwas besser. Die Siege kamen, was vor allem an einer stabilen Abwehr und wieder einmal am herausragenden JP Lamoureux lag. Keine andere Mannschaft hatte ein besseres Torhüterduo als der VSV, auch das Penalty Killing konnte sich sehen lassen. Summa summarum kassierten die Kärntner dadurch auch weniger Gegentore als noch im Jahr davor.
Allerdings schosse sie auch weniger. Das Power Play wurde nach dem Abgang von Jason Krog und Darren Haydar gleich um 6% schlechter und unterm Strich war die Offensive nicht mehr ganz so durchschlagskräftig wie noch im Jahr davor. Diesen Rückschritt machte man mit der beschriebenen Verbesserung im Defensivbereich wett.
Wenn man finanziell nicht mehr mit der Konkurrenz mit kann, dann ist es unausweichlich, dass man wichtige Spieler verliert. Bei einigen war der VSV allerdings auch selbst Schuld, wartete er doch zu lange auf die Angebotslegung und die Spieler hatten sich dann schon anderweitig umgesehen. Diesen Vorwurf kann man den Kärntnern beim Torhüter nicht machen, denn Jean Philippe Lamoureux hielt die Kärntner so lange hin, bis diese nicht mehr anders konnten/wollten und einen neuen Mann verpflichteten. Dadurch wurde allerdings auch Geld frei, das man intelligent einsetzte und neue Spieler holte, die das Potential haben, an die furiosen Duos wie Hughes/Ryan oder Krog/Haydar anzuschließen.
Unter Greg Holst wurde die Disziplin großgeschrieben. Nicht nur was Strafen betrifft, sondern auch die Systemdisziplin innerhalb einer Partie. Der VSV war kompakt, nur sehr schwer zu schlagen und machte eisläuferische bzw. technische Defizite gewohnt kämpferisch wett. An diesem Stil wird sich auch heuer nichts ändern. Greg Holst ist kein Taktikguru, aber er hat sein Team im Griff und kann es motivieren. Ob das auch über eine Saison mit all ihren Höhen und Tiefen gut geht wird sich weisen. Der letzte Meistertitel ist schon zehn Jahre her, das letzte Finale liegt auch schon neun Jahre zurück. Der VSV rudert und kämpft um den Anschluss an die Top Teams der Liga. Die Mischung heuer stimmt, auch wenn man im Vergleich zur Salzburg oder Wien nicht ganz die vergleichbare Tiefe im Kader hat, heuer wirkt man trotzdem besser besetzt. Die neuen Offensivleute sind der Versuch wieder spektakulärer zu werden. Das sollte zumindest für die Top 6 reichen, wenn man keine gröberen Verletzungen von Leistungsträgern zu beklagen hat. In den Play Offs muss man dann ohnehin immer mit dem VSV rechnen.
HF.at Prognose: Platz 3 bis 6
###Kaderbewertung VSV – Torhüter und Abwehr:
Torhüter:
Abgänge: JP Lamoureux
Zugänge: Olivier Roy
Den größten Verlust hat der VSV ohne Frage im Bereich des Torhüters hinzunehmen. JP Lamoureux pokerte lange, wollte unbedingt nach Skandinavien und sagte den Villachern ab. Diese verpflichteten einen neuen Mann und plötzlich wäre Lamoureux doch wieder frei gewesen. Der beste Torhüter der EBEL wechselte nach Wien und die Adler haben mit Olivier Roy einen neuen Mann zwischen den Torpfosten. Der aus Ljubljana kommende 24-Jährige tritt in fast schon übermenschliche Fußstapfen, die er kaum ausfüllen können wird. Egal wie schlecht es beim VSV lief, Lamoureux gab der Mannschaft fast immer die Chance auf einen Sieg. Ein Mann, der Spiele im Alleingang entscheiden kann – und jetzt ist er weg. Die große Frage wird sein, ob Olivier Roy eine ähnliche Rolle spielen kann – und das auf konstantem Niveau. In Ljubljana war der Kanadier durchaus bemerkenswert, allerdings in einer Mannschaft die wenige Glanzlichter zu bieten hat. Beim VSV ist der Druck ungleich größer, die Adler-Fans sind verwöhnt und werden Roy in jeder Situation mit JPL vergleichen. Keine einfache Aufgabe für den noch jungen Goalie, der allerdings auch von der Zusammenarbeit mit Goalietrener Markus Kerschbaumer profitieren wird.
Ein Vorteil könnte der Wechsel der Nummer 1 für Backup Lukas Herzog sein. Er wird heuer wohl mehr Einsätze bekommen als noch hinter JP Lamoureux, der am liebsten die ganze Saison durchgespielt hätte. Herzog hat das Potential, wie er in seinen wenigen Spielen gezeigt hat (im Vorjahr 5 Partien und fast 93% Fangquote), mit nur zehn EBEL Partien in den vergangenen vier Jahren ist aber was die Eiszeit betrifft Luft nach oben. Mit seinen 23 Jahren ist jetzt die Zeit, die Chance zu ergreifen. Ein sehr junges Torhüterduo, dem es an Erfahrung mangelt und das den JPL Schatten hinter sich lassen muss. Im Vergleich zur letzten Saison nicht mehr so überragend einzuschätzen.
Bewertung: 3,5 von 5 Punkten
Abwehr:
Abgänge: Gerhard Unterluggauer, Ryan McKiernan, Robin Weihager
Zugänge: Mikko Jokela, Samuel Labrecque, Kevin Wehrs
Die Defensive gemeinsam mit dem Torhüter – das war die solide Basis für den VSV Erfolg der letzten Saison. Die Kärntner mussten also nur einige Schrauben stellen, um auch für die Spielzeit 2016/17 gerüstet zu sein. Gerhard Unterluggauer beendete seine Karriere vor dem 40. Geburtstag und hinterlässt vor allem als Führungsspieler eine Lücke. Die schlägt auch der Abgang des starken Ryan McKiernan, der erst einmal ersetzt werden muss. Robin Weihager erwies sich gerade in den Spielen gegen die besseren Teams der EBEL als zu fehleranfällig, sobald das Tempo höher wurde, waren seine Stärken nicht mehr sichtbar. Drei Abgänge, die an nicht unwesentlichen Positionen stattfanden – vor allem was die Offensive betrifft. Mit Kevin Wehrs haben die Kärntner einen Legionär der Marke „auf Nummer sicher“ geholt. Er kam aus Szekesfehervar und gilt als guter Allrounder, der durchaus auch Akzente in der Offensive setzen kann. Ein echter Körperspieler ist er keiner, diesen Part wird wohl eher der Finne Mikko Jokela übernehmen. Der erfahrene Verteidiger (36 Jahre, über 700 Spiele in der finnischen ersten Liga) dürfte der neue Leader in der Abwehr werden und damit die Rolle von Gerhard Unterluggauer einnehmen. Ein noch unbeschriebenes Blatt ist Samuel Labrecque, der direkt vom College kommt und mit seinen 24 Jahren noch Entwicklungspotential hat. Hier hofft man in Villach darauf, dass der Frankokanadier ähnlich einschlägt wie vor einigen Jahren Marc-Andre Dorion in Linz. Labrecque wird sich allerdings erst an den europäischen Spielstil anpassen müssen und auf Grund seines Alters darf man erwarten, dass er nicht ganz konstant bleibt.
Der Rest der Abwehr bleibt wie gehabt. Bei Florian Mühlstein darf man hoffen, dass er nach einer verletzungsverseuchten Saison endlich wieder voll angreifen und das zeigen kann, was er in Salzburg aufs Eis gebracht hat. Markus Schlacher spielte unter Greg Holst einen sehr soliden Defensivpart, Stefan Bacher ist inzwischen sogar Stammspieler im Nationalteam. Greg Holst wird am Stil seiner Mannschaft nicht viel ändern und weiterhin auf kompakte Defensive setzen. Die große Frage ist allerdings, ob man von der blauen Linie genug Durchschlagskraft besitzt, um hier mit den ganz Großen der Liga mithalten zu können. Insgesamt ist man aber etwas jünger und mobiler geworden, was in einer schneller werdenden Liga kein Nachteil ist.
Bewertung: 3,5 von 5 Punkten
###Kaderbewertung VSV – Angriff und Trainer:
Angriff:
Abgänge: Mark Santorelli, Rick Schofield, Ziga Pance, Ruslan Gelfanov
Zugänge: Evan McGrath, Corey Locke, Jan Urbas
Ryan/Hughes oder Krog/Haydar – der VSV hatte es in der Vergangenheit immer wieder geschafft, Top Scorer an Land zu ziehen, die in der Liga bleibenden Eindruck hinterließen. Allerdings war der VSV dadurch auch ausrechenbar, es gab maximal zwei torgefährliche Linien. Unter Greg Holst war das etwas anders. Nicht weniger als 7 Spieler aus Villach konnten mehr als 10 Tore erzielen, insgesamt trugen sich ganze 23 Spieler in die Torschützenliste ein. Das zeugt von einer ausgeglicheneren Aufteilung der Torgefahr. Im Sommer hat man allerdings einige der Zugpferde verloren. Rick Schofield, so etwas wie das Herz des Villacher Angriffs, wechselte nach Linz, Ziga Pance zum Konkurrenten aus Klagenfurt. Damit sind die beiden besten Torschützen weg, man mussste am Markt reagieren.
Mit Jan Urbas holten die Adler einen Mann, der in Klagenfurt unter Wert geschlagen wurde. Vor zwei Jahren musste der Slowene nach nur 10 Spielen gehen, wanderte in die zweite Schwedische Liga weiter und kehrt jetzt in die EBEL zurück. Ein großer und schwerer Stürmer, der echte Brecherqualitäten hat. Mit den beiden Centern Corey Locke und Evan McGrath könnten die Kärntner Goldgriffe gemacht haben. Locke hat das Potential, an John Hughes zu erinnern: ein Spielmacher, der die Offensive führen kann. Er ist körperlich ähnlich einem Hughes nicht ganz so präsent, dafür aber ein Kreativgeist und sehr guter Passgeber. Einziges Fragezeichen steht hinter der körperlichen Fitness des Kanadiers, der in der NLB letzte Saison nur 36 Spiele machen konnte. Dazu noch McGrath, der zum Kreativpotential noch körperliche Präsenz mitbringt. Zwei Center, die dem Angriff des VSV mehr Variabilität bringen. Dadurch kann Brock McBride wieder auf die bevorzugte Flügelposition wechseln und könnte zu alter Stärke erblühen. Mit Eric Hunter und Miha Verlic verfügt man bei den weiteren Legionären über gute Stammkräfte für die ersten beiden Linien. Die echte Stärke des VSV ist aber die, dass unter Greg Holst die jungen Cracks Riesensprünge gemacht haben. Christof Kromp ist erst 19 Jahre jung und wird sich noch weiter entwickeln. Patrick Platzer, Benjamiin Petrik und Daniel Nageler sind solide und können ohne große Probleme eingesetzt werden. Der ebenfalls erst 19-jährige Christian Jennes hat unter Holst eine Talentprobe abgeliefert und ist ebenso eine Aktie für die Zukunft.
Ein Kader, der in den vorderen Linien mit neu gewonnener Kreativität für Furore sorgen könnte, nach hinten dann viel Talent hat, das allerdings auf EBEL Niveau Konstanz aufbauen muss. Vergleicht man diese Zusammenstellung mit dem Vorjahr darf man wohl mehr Torausbeute vom VSV erwarten als noch 2015/16.
Bewertung: 4,0 von 5 Punkten
Trainer:
Abgang:
Zugang:
Wie nicht anders zu erwarten war Greg Holst in der letzten Saison so etwas wie der blau-weiße “Gott sei bei uns” und machte einen guten Job. Im vergangenen Sommer konnte sich Holst beim Kader mit einbringen und ist in Villach unantastbar. Er ist kein Taktikfuchs, weiß seine Mannschaft aber zu motivieren und hat die Zügel bei den Adlern fest in der Hand. Darüber hinaus kann er sehr gut mit jungen Spielern arbeiten, was in Villach mittelfristig Erfolg nach sich ziehen wird. Als Old-School-Hockey Player hätte man zudem erwartet, dass der VSV unter Greg Holst zurück zum körperbetonten Spiel mit vielen Strafen kehren könnte. Dem war aber nicht so. Die Athletik steht zwar weiterhin im Vordergrund, ebenso der Kampfgeist. Im Sturm hat er heuer auch noch zusätzliches Kreativpotential, sodass Greg Holst weiterhin als hochangesehener 62-jähriger Coach ohne großen Druck arbeiten kann. Man erwartet keinen Titel von ihm, die Villacher haben wieder einmal nichts zu verlieren.
Bewertung:4,0 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 15,0 von 20 Punkten
###Die Zwischenwertung in der HF.at Kaderbewertung:
1. Vienna Capitals 16,5 Punkte
2. Black Wings Linz 15,0 Punkte
2. VSV 15,0 Punkte
4. KAC 14,0 Punkte
5. Dornbirn Bulldogs 13,0 Punkte
5. Innsbrucker Haie 13,0 Punkte
7. Graz 99ers 11,0 Punkte
8. Olimpija Ljubljana 7,0 Punkte