Der unerkannte NHL-Star in Wien
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Alexander Tomanek -
4. August 2011 um 17:29 -
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Diesen Frühling in Wien. Ich saß an einem Freitagabend mit ein paar Freunden (allesamt Hobby- oder ehemalige Eishockeyspieler) in einem Lokal. Im selben Raum waren auch ein paar Wiener Eishockeyprofis der nächsten (sprich der aktuellen) Generation. Raffi Rotter, Mario Altmann, usw. hatten sich mit ihren Freundinnen zufällig am Nebentisch versammelt. Natürlich kennt man einander, trotzdem staunten manche dann schon über die Größe (inkl Schulterbreite) eines Mario Altmanns, wenn er in natura vor einem steht bzw kann sich auch die beachtliche (und nur spärlich verhüllte) Oberkörpermuskulatur eines Rafael Rotters sehen lassen. Schließlich sieht man die Beiden ja sonst meist in Montur auf dem Eis oder überhaupt nur im TV. Aber man erkennt sie zumindest. Auf die Frage, ob meine Kumpels auch den Typen kannten, der daneben saß, erntete ich nur ein "keine Ahnung, schaut aber mit seinem Kapperl ebenfalls wie ein Eishackler aus!"
Naja, um die Spannung vorwegzunehmen. Es war niemand geringerer als der Wiener NHL-Profi Andreas Nödl, der zu Besuch bei Freunden in seiner Heimatstadt war. Jener Noodle (wie ihn die Amis oft nennen), der nur wenige Wochen später einen 2-Jahres-Vertrag mit den Philadelphia Flyers abschloss, der ihm pro Saison 845.000 USD einbringen wird. Jener Nödl, der in der besten Liga der Welt mittlerweile 127 Spiele bestreiten durfte und dabei 27 Scorerpunkte erringen konnte.
Szenenwechsel von der Donau an die Drau. Ich durfte im Rahmen eines Buchprojekts diesen Sommer auch Michael Grabner zu einem ausführlichen Interview in Kärnten besuchen. Beim gemeinsamen Spaziergang durch die Villacher Altstadt verrenkten sich die Leute reihenweise ihre Köpfe beim Umdrehen nach dem ?drittbesten Rookie? der vergangenen NHL-Saison. Den Grabner, den kennt man in Villach mittlerweile! Genausowenig kann Ex-NHL-Crack und KAC-Captain Christoph Brandner im Klagenfurter Strandbad rumliegen, ohne von den Einheimischen umgehend erkannt und beobachtet zu werden.
Doch was sagt das über Wien aus? Die ASH wurde soeben von 4.300 auf 7.000 Zuseherplätze aufgemotzt und um eine weitere (dritte) Halle erweitert. Aber selbst in einer Stadt mit 1,7 Mio Einwohnern wird es nicht leicht sein, die 7.000er Grenze regelmäßig zu knacken. Die Caps sind heuer einfach zum Siegen verdammt. Denn nur wenn Siege(sserien) kommen, springt der Medienmotor an. Erhöht sich endlich die mediale Aufmerksamkeit, steigt auch linear dazu das Zuschauerinteresse. Und erst, wenn die Wiener beginnen, sich dauerhaft - also erfolgsunabhängig - für diesen Sport zu interessieren und ein Andreas Nödl zumindest von den 7.000 Zusehern in der Halle erkannt wird, ist der erste Schritt der "Bundeshauptstadt" hin zu einer "Eishockeyhochburg" à la Klagenfurt oder Villach geschafft. (AT)
Bild: hockeyfans.at / MKL