Kaderbewertung: Kehrt in Graz endlich Ruhe ein?

Alle Jahre wieder wird in Graz nach einer schwachen Saison der Neuanfang ausgerufen. Alles soll besser werden, man möchte auch heuer als Saisonziel die Play Offs erreichen. Doch schon bevor das erste Meisterschaftsspiel absolviert ist geht es bei den 99ers rund. Kann es trotzdem heuer für das Viertelfinale reichen? Graz ist was EBEL Eishockey betrifft zwar schon ein traditioneller Boden, so richtig gut ist der Ruf der Steirer allerdings nicht. Das hat vor allem damit zu tun, wie turbulent es bei den Murstädtern immer wieder zugeht. Trainerwechsel, unzählige Try Outs, Kaderumstellungen während der Saison und ständige Unruhe im sowie rundum das Team. Dazu sehr viele Legionäre, die kaum länger als ein Jahr bleiben und unter den Österreichern ist Graz ohnehin nur dann ein Ziel, wenn man sonst bei keinem anderen Team mehr unterkommt. Das könnte man durchaus auch als Chance sehen und Spielern die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren und neu durchzustarten. Stattdessen fehlt in Graz die Geduld, man möchte schnelle Ergebnisse und überstürzt viele Dinge. So schon in dieser Pre-Season geschehen, als man sich überraschend von Roland Kaspitz getrennt hat und erst gestern den ohnehin schon prall gefüllten Kader mit weiteren Try Out Spielern erweitert hat. Keine andere Mannschaft der Liga nützt die Try Out Phase so intensiv wie die Murstädter. Allerdings kommt so auch bis Mitte November keine Ruhe ins Team und meist beginnt auch zu diesem Zeitpunkt die sportliche Abwärtsspirale. Als Nationalliga-Meister sind die Graz 99ers zur Jahrtausendwechsel in die Bundesliga zurückgekehrt – das war der letzte große Erfolg für die Murstädter. Acht Mal schafften sie es in die Play Offs, konnten aber nie eine Runde überstehen. Auch nicht, als man 2010 sogar als Erster in die entscheidende Phase ging – und sofort ausschied. In der letzten Saison wurde man gar nur Zehnter und sah sich wieder einmal gezwungen, die halbe Mannschaft auszutauschen. ###Die Ausgangslage „Graue Maus“ ist noch der schönste Beiname, den die Graz 99ers in den letzten Jahren erhalten haben. Kaum ein anderes Team der Liga hat es in einer solchen Konsequenz geschafft, falsche Entscheidungen zu fällen, wie die Murstädter. Zuletzt war es ein Trainer, der nur Frankokanadier in die Mannschaft holte und nach nur 15 Partien in der vergangenen Saison gefeuert wurde. Dann hatte man einen Kader mit mittelklassigen Legionären, kaum spielerischer Qualität, dem dann auch noch die Luft ausging, als es richtig wichtig wurde. Statistische Fakten 13/14: Power Play: 11,31% (12.) Penalty Killing 83,61% (2.) Fairplay 13,63 Min/Sp (8.) Shorthander 12 (1.) Scoring Effizienz 8,75% (8.) Goalkeeping 91,02% (3.) Tore geschossen: 110 (10.)* Tore erhalten: 127 (6.)* *zwecks Vergleichbarkeit nur aus dem Grunddurchgang Offensiv waren die Graz 99ers letzte Saison nur ein laues Lüftchen, wie auch ein Blick auf die Statistiken beweist. Der drittschlechteste Angriff der Liga war vor allem im Power Play unteriridisch und erzielte lediglich 110 Treffer. Dass man mit Dany Sabourin einen herausragenden Torhüter hatte, lässt zumindest die Defensive gefestigt erscheinen. Und auch das Penalty Killing funktionierte sehr gut, inklusive der Ausbeute an Toren in Unterzahl. So viele Shorthander wie die Grazer schoss kein anderes Team der Liga. Allerdings waren das auch „nur“ 12 und somit kein Herausreißer in einer insgesamt schwachen Offensivmannschaften. Auffällig bei den Steirern ist immer wieder die Tatsache, dass die Erwartungen zum Saisonbeginn immer sehr hoch sind und man dann gewaltig auf die Nase fällt. Man spricht immer wieder davon, ein Top 6 Team zu werden, vergisst dabei aber darauf, sich zuerst einmal als Play Off Team zu etablieren. Dafür würde man einen Stamm an Spielern benötigen, die über Jahre hinweg Leistungsträger sein können. Hier fehlt es allerdings bei den Murstädtern, vor allem im Bereich der Österreicher, gewaltig. Das Kommen und Gehen unter den Legionären könnte vielleicht noch ausgeglichen werden, aber bei den Inländern ist die Qualität zu gering und neue Spieler werden durch das Umfeld in Graz nicht gerade angezogen. So gab es auch vor dieser Saison gewaltige Umwälzungen in der Mannschaft. 13 Spieler mussten gehen, 15 (inkl. der gestern vorgestellten 3 Try Outs) sind neu gekommen. Dazu wieder einmal ein neuer Trainer, der als Heilsbringer gehandelt wird und vor allem harte Arbeit fordert. Das erinnert an vergangene Jahre, nur dass man dieses Mal nicht mehr ganz so hohe Erwartungen hat. Die Play Offs will man erreichen, egal ob am direkten Weg oder über die Quali-Runde. Mit Todd Bjorkstrand hat der Trainer von Beginn an tief gestapelt. Es soll endlich so etwas wie Konstanz einkehren in Graz. Ob das allerdings auch gilt, falls es von Beginn weg nicht ganz so gut laufen sollte und man sich erneut nur im Tabellenkeller wiederfindet wird man gegebenenfalls sehen. Für die neue Saison hat man sich vorgenommen, die Defensive zu stärken und hinten konsequenter zu stehen. Auf der Torhüterposition ist man ausgezeichnet besetzt, davor muss hart gearbeitet werden. Dass man allerdings zu Saisonbeginn noch nicht einmal weiß, wie die Mannschaft aussehen soll, ist zumindest irritierend. Derzeit haben die Grazer 29 Spieler im Kader, alleine 11 davon in der Defensive. 7 davon haben einen Try Out Vertrag. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen ruhigen Herbst bei den 99ers. Die Grazer werden es auch in dieser Saison schwer haben. Die Top 6 scheinen schon jetzt außer Reichweite, da man offensiv zu wenig zu bieten hat. Mit Dany Sabourin hat man zwar einen, wenn nicht den besten Goalie der Liga, davor wird sich aber erst zeigen, wer wirklich bleibt. Das erste Jahr unter Todd Bjorkstrand wird eines, in dem man sich vor allem eine neue Mentalität wünschen darf. Weniger Jammerei, mehr Arbeit und kontinuierliche Verbesserung. Ganz so weit weg ist das Viertelfinale nicht, wie man vielleicht im letzten Jahr glauben mochte. Wenn dann, so wie in den letzten Saison, das ein oder andere höher eingeschätzte Team einen „Aussetzter“ hat, dann kann es durchaus für die Play Offs reichen. HF.at Prognose: Platz 8 bis 11 ###Kaderbewertung Graz 99ers – Torhüter und Abwehr: Torhüter: Abgänge: Sebastian Stefaniszin Zugänge: Wolf Imrich Wenn die Graz 99ers in der letzten Saison einen Glücksgriff gemacht haben, dann mit Dany Sabourin. Der 34 Jahre alte Kanadier hat von Beginn weg überzeugt und in einer schwachen Mannschaft oft die Kastanien aus dem Feuer geholt. Eine Fangquote von 92,1% kann sich mehr als nur sehen lasse und es war eine kluge Entscheidung, den Torhüter langfristig zu binden. Mindestens zwei weitere Jahre wird Sabourin bei den 99ers zu sehen sein, weshalb man zumindest in diesem Kaderbereich ein gewisses Maß an Kontinuität begonnen hat. Die Nummer 2 hinter der unbestrittenen Nummer 1 macht heuer Wolf Imrich, der vom KAC gekommen ist und mit seinen 21 Jahren noch kaum Erfahrungen sammeln konnte. Wirklich viel Eiszeit darf er sich auch nicht erwarten, wenngleich Imrich in der EBYSL durchaus gute Leistungen gezeigt hat. Sollte sich Sabourin verletzen, dann müssten die Steirer sofort handeln, denn mit der Nummer 2 Imrich und der Nummer 3 Mario Still kann man keine EBEL Saison absolvieren. Aber da haben die Murstädter einiges mit durchaus höher eingeschätzten Teams gemeinsam. Solange Sabourin gesund ist, wird es hier kein Problem geben und man hat einen der besten Schlussleute der Liga. Bewertung: 4,0 von 5 Punkten Abwehr: Abgänge: Mario Scalzo, Dustin VanBallegooie, Patrick Coulombe, Alexandre Picard Zugänge: Fabian Scholz, Mitch Ganzak, Matt Kelly, Jake Marto, Martin Oraze, Jesse Jyrkkiö 11 Verteidiger haben die Grazer derzeit in ihrem Aufgebot, drei davon mit einem Try Out Vertrag. Fabian Scholz, Martin Oraze und der Finne Jesse Jyrkkiö wollen in eine Abwehrformation, die eigentlich schon voll wäre. 8 Verteidiger besitzen einen Vertrag, warum man also in diesem Bereich noch einmal drei Try Outs geholt hat bleibt hinterfragenswert. Entweder die ursprüngliche Kaderplanung war falsch, oder man verfolgt hier andere Ziele. Mit Mario Scalzo verließ einer der am Papier beste Verteidiger die Steirer, ebenso gingen die nicht immer sattelfesten VanBallegooie und Coulombe. Sie wurden durch Mitch Ganzak, Matt Kelly und Jake Marto ersetzt. Kelly kommt mit zwei Saisonen in der zweiten deutschen Liga in den Beinen zu den Murstädtern, hat dort allerdings ordentlich gescort. Ob das reicht, um in der EBEL dauerhaften Erfolg zu haben wird sich weisen, zumindest körperlich wirft er mit 93 Kilogramm auf 190 Zentimetern Körpergewicht einiges in die Waagschale. Das tut auch Mitch Ganzak, der aus Dänemark geholt wude und ein Wunschspieler des neuen Trainers war. Jake Marto kam aus der zweiten schwedischen Liga, gilt als körperlich weniger stabil, soll aber im Aufbau die Rolle eines VanBallegooie übernehmen. Weiterhin im Team sind Stefan Lassen, der 19-jährige Mario Petrovitz, Youngster Nico Pohl und Kristof Reinthaler. Die Österreicherfront könnte noch durch Martin Oraze erweitert werden, der mal wieder am Abstellgleis Graz gelandet ist und derzeit bei den 99ers mittrainiert. Der Finne Jesse Jyrkkiö wurde erst gestern als Try Out vorgestellt, weil man bislang nicht wirklich mit den Leistungen in der Vorbereitung zufrieden war. Der Kader ist zwar defensive prall gefüllt, man hat genug Spieler für 4 Abwehrlinien, die man aber in Graz ohnehin praktisch nie zu sehen bekam. Viele neue und unbekannte Legionäre und Österreicher, die nur bedingt die Qualität für die EBEL haben. Sehr viele Unsicherheiten für ein Team, dessen Hauptaugenmerk der Defensive gelten sollte. Bewertung: 2,5 von 5 Punkten ###Kaderbewertung Graz 99ers – Angriff und Trainer: Angriff: Abgänge: Manuel Laritz, Thomas Schiechl, Guillaume Lefebvre, Josh Soares, Roland Kaspitz, Olivier Labelle. Zugänge: Miha Verlic, Philipp Pinter, Tomas Petruska, Willie Coetzee, Anders Bastiansen, Tomi Wilenius, Luke Walker, Petri Lammassaari. Dass in der Offensive der Graz 99ers etwas passieren musste war klar, denn wer so wenige Tore schießt und dessen Power Play so überhaupt nicht funktioniert, der braucht frisches Blut. Es kam im Angriff allerdings mehr als nur zu einer Veränderung, es gab eine Umwälzung. Einige Abgänge waren schon dringend nötig (Labelle, Lefebvre), andere kamen mehr als überraschend (Kaspitz). Vor allem Letzterer wird den Steirern was die Offensivproduktion betrifft mit Sicherheit fehlen. Der Stürmer hatte doch einen Punkt pro Partie gescort und ist trotz aller sicherlich vorhandenen Reibungspunkte für ein Team wie Graz normaler Weise eine Verstärkung. Gerade, wenn man in der Offensive begrenzte Fähigkeiten hat. Zumindest hat man einen Leitwolf geholt, der Olivier Latendresse etwas entlasten kann. Anders Bastiansen kommt mit unglaublich viel Erfahrung und kann in der EBEL einer der besten Center sein. Dazu konnten die Steirer mit Viha Verlic eines der größten slowenischen Talente verpflichten, das allerdings seine Leistungen aus dem Vorjahr (40 Punkte für Laibach) erst einmal bestätigen muss. Weniger offensive, aber umso mehr defensive Stärke darf man sich von Philipp Pinter erwarten. Ein ausgewiesener Bullyspezialist und Defensivstürmer, der vor allem in den Linien 3 und 4 einiges bewegen kann. Eine Investition in die Kadertiefe, die man dringend benötigen würde. Gerade auch bei den Legionären, die in der Vergangenheit nur zum Teil einschlugen. Und dann wurden sie meist von anderen EBEL Teams abgeworben. Der Druck auf die Neuzugänge ist groß, vor allem auf Try Out Willie Coetzee, der letzte Saison keine einzige Partie absolviert hat. Der Slowake Tomas Petruska kam aus Dänemark und hat auf seinen letzten Stationen ordentlich gescort. Ein echter Top-Scorer dürfte aber auch er nicht sein. Selbiges gilt für Luke Walker, der zwar eine gute Arbeitseinstellung hat, allerdings kaum punktet. Selbiges gilt für Tomi Wilenius, der mit seinen 21 Jahren aber noch viel Luft nach oben hat. Ergänzt um den gehaltenen Österreicher Stamm ist man im Sturm mit derzeit 15 Mann besetzt, das heißt hier wird noch ausgemustert. Man wird trotzdem den Eindruck nicht los, dass Masse statt Klasse geholt wurde. Mit Latendresse und Bastiansen hat man zwei Häuptlinge, es geht trotz aller Breite im Kader etwas die Tiefe ab. Das hat man bereits in der Pre-Season gemerkt und versucht, dies mit einem weiteren Try Out abzufedern. Viele Arbeiter, zu wenig torgefährliche Spieler und kein echter Einfädler – das sieht nach noch viel Arbeit für die Murstädter aus. Bewertung: 2,5 von 5 Punkten Trainer: Abgang: Petri Matikainen Zugang: Todd Bjorkstrand Mario Richer hatte die letzte Saison als Trainer begonnen, dann wurde er frühzeitig wegen Erfolgslosigkeit rausgeworfen. Es kam der Finne Petri Matikainen, der aber das Ruder auch nicht mehr herumreißen konnte. Nun ist der US Amerikaner Todd Bjorkstrand der neue Chef hinter der Bande und soll jenen Erfolg nach Graz bringen, den er in Dänemark in Herning hatte. 26 Jahre war er in Herning, spielte dort als Aktiver und feierte auch als Trainer Serien-Meistertitel. Dass die EBEL dennoch ein ganz anderes Kaliber ist dürfte der 51-Jährige schon bemerkt haben, denn wenn bereits in der Vorbereitung erste Spieler rausgeworfen werden und es wenige Tage vor Saisonstart Kaderergänzungen gibt, dann zeugt das auch von einem gewissen Druck. Dem will man Bjorkstrand zwar offiziell nicht machen, das Play Off soll es dann aber schon werden. Bjorkstrand wird beweisen müssen, was er mit einer völlig neuen Mannschaft in einer unbekannten Liga gegen deutlich besser besetzte Teams leisten kann. Er selbst spricht davon, dass er noch lernen muss, wie die EBEL funktioniert. Genau dazu hat er allerdings keine Zeit, denn die Grazer werden einen guten Start brauchen, um die Nerven des Umfelds zu beruhigen. So gut die Vorsätze nämlich auch immer sind, sollte der sportliche Erfolg ausbleiben braucht man auf die Zurufe durch Vorstand, Präsidenten und Medien nicht warten. Geduld ist eine Tugend, die im Profigeschäft die wenigsten Vereine auch haben. Noch bedauerlicher ist in Graz, dass einige gute Nachwuchscracks der letzten Jahre wieder einmal übersehen werden und den Sprung in den Profibereich erst gar nicht versuchen. Ein Blick zu den anderen Teams zeigt, dass das Tradition hat, den überall spielen gute Österreicher mit steirischen Wurzeln. Auch hier wäre ein Trainer gefragt, der die Jungen im Auge behält. Aufgaben und Arbeit gäbe es also genug auf der “Baustelle 99ers”. Die Frage wird sein, ob Todd Bjorkstrand auch das Vertrauen bekommt, wenn es nicht läuft. Trainertausch bei den Murstädtern ist nicht unbedingt eine seltene Schlagzeile… Bewertung:2,5 von 5 Punkten Gesamtwertung: 11,5 von 20 Punkten ###Die Zwischenwertung in der HF.at Kaderbewertung: 1. Vienna Capitals 17,0 Punkte 2. Black Wings Linz 15,5 Punkte 3. KAC 13,0 Punkte 3. VSV 13,0 Punkte 3. HC Orli Znojmo 13,0 Punkte 6. Dornbirn 12,0 Punkte 7. Graz 99ers 11,5 Punkte 8. Fehervar AV10 10,5 Punkte 9. HC Innsbruck 9,5 Punkte 10. Olimpija Ljubljana 8,5 Punkte