Kaderbewertung: Kann Fehervar heuer teuflisch überraschen?
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marksoft -
31. August 2014 um 11:00 -
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Unterhalb des Radars bewegen sich die roten Teufel aus Szekesfehervar. Nicht nur während des Sommers, sondern meistens auch die ganze Meisterschaft hindurch. Irgendwie werden die Ungarn nur selten so richtig wahrgenommen, weil sie mit einer meist guten Mannschaft zwar brav mitspielen, aber kaum große Sprünge nach vorne machen. Ob sich das 2014/15 ändern wird beleuchten wir in unserer Kaderbewertung.
Wie weit kam Fehervar eigentlich in der letzten Saison? Ein Großteil der Fans kann diese Frage vermutlich nicht korrekt beantworten, was ein Zeichen dafür ist, wie wenig die Ungarn in der Liga wahrgenommen werden. In der Spielzeit 2013/14 standen die roten Teufel im Viertelfinale, schieden dort aber sang- und klanglos gegen den späteren Meister aus Bozen aus, ohne auch nur ein Match in der Serie zu gewinnen. Es war ein ernüchterndes Ende einer durchaus gelungenen Saison – für ein Team, das finanziell kaum große Sprünge machen kann. Die Quali-Runde hatte Fehervar sogar für sich entschieden und 8 von 10 Partien gewonnen! Damit ließ man einen dürftigen Grunddurchgang vergessen, den man nur auf Platz 10 und 18 Siegen aus 44 Spielen beendete.
###Die Ausgangslage
Es gab aus Ungarn im Sommer einige Signale, die etwas Besorgnis erregend waren. Schon in der Vergangenheit waren Gerüchte im Umlauf, wonach Fehervar das ein oder andere Mal finanzielle Probleme hatte und daher Spieler abgegeben werden mussten. Dieses Jahr war es der Abgang von Trainer Marty Raymond, der für Kopfzerbrechen sorgte. Der Coach hatte erst wenige Wochen zuvor seinen Vertrag in Szekesfehervar verlängert, ehe er sich unter dubiosen Umständen doch noch verabschiedete. Angeblich waren es ausgebliebene bzw. verspätete Prämienzahlungen, die ihm den Ausstieg aus dem neuen Vertrag ermöglichten.
Das kam allerdings sehr spät und nur Tage vor dem Trainingsauftakt. Das hieß für die Magyaren, dass man schnell reagieren musste und wenig überraschend wurde der „Co“ zum „Head“ befördert. Ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass Fehervar das größte Team der EBEL stellt (Durchschnitt 184,80 Zentimeter) und auch beim Körpergewicht gut mithalten kann (Platz 4 in der Gewichtswertung). Rein von der Physis her darf man also auch in dieser Saison einiges an Gegenwehr erwarten. Die Zeiten, in denen die Ungarn praktisch „automatisch“ die Fairplay Wertung gewannen sind längst vorbei, unfair spielen die Magyaren deswegen aber auch nicht.
Statistische Fakten 13/14:
Power Play: 16,19% (10.)
Penalty Killing 79,75% (8.)
Fairplay 12,31 Min/Sp (4.)
Shorthander 5 (10.)
Scoring Effizienz 8,81% (7.)
Goalkeeping 90,83% (6.)
Tore geschossen: 119 (8.)*
Tore erhalten: 147 (9.)*
*zwecks Vergleichbarkeit nur aus dem Grunddurchgang
In der letzten Saison brauchte Szekesfehervar sehr, sehr lange ehe man in Form kam. Im Grunddurchgang startete man zwar Anfangs gut, ließ dann aber ganz stark nach und konnte vor allem zwischen Anfang November und Weihnachten kaum punkten. Das warf die roten Teufel so weit zurück, dass man in der Zwischenrunde um die letzten beiden Play Off Plätze kämpfen musste. In der Quali-Phase gab es dann gleich vier Siege in Serie zum Auftakt und der Grundstein fürs Viertelfinale war gelegt. Dass dort dann mit einem Sweep das Ende der Saison kam, war enttäuschend. Vor allem die Deutlichkeit.
Auffällig war in der letzten Saison, dass man in keiner Teamwertung wirklich vorne mitmischte. Egal ob die Special Teams, Offensive oder Defensive – überall war man im Mittelfeld der Liga zu finden. Ein Durchschnittsteam also, das es aber geschafft hat zum wichtigsten Zeitpunkt des Jahres so konzentriert so sein, um ins Viertelfinale vorzustoßen. Eine derart kluge Saisoneinteilung wird es auch dieses Jahr brauchen, denn die Ungarn gehen erneut als klarer Außenseiter an den Start und es ist zu befürchten, dass man erneut den Weg über die Qualirunde gehen wird müssen. Es gibt einige Fragezeichen in der Kaderplanung, vor allem im Tor hat man derzeit noch ganz massive Probleme. Nach vorne muss man sich steigern, in der Abwehr braucht man deutlich mehr Sattelfestigkeit, um sich im Grunddurchgang nicht wieder mit den Nachzüglern der Liga messen zu müssen.
Viel hat sich im Vergleich zur letzten Saison nicht geändert, der nötige Schritt nach vorne scheint nicht wirklich gelungen zu sein. In der Vergangenheit hat es Szekesfehervar nie geschafft zwei Mal in Folge in die Play Offs zu kommen. Das würde für 2014/15 ein frühes Saisonende andeuten. Doch der merkwürdige EBEL Modus wird auch den roten Teufeln die Chance geben, in der Zwischenrunde zum erneuten Erfolgslauf auszuholen. Ob das wieder so gelingt wie im heurigen Frühjahr bleibt abzuwarten. Der Abstand zu den Favoriten ist sicher nicht kleiner geworden, ehemals erreichbare Tabellennachbarn wie Dornbirn oder der KAC und Graz scheinen sich verbessert zu haben. Es könnte schwer werden...
HF.at Prognose: Platz 8 bis 11
###Kaderbewertung Fehervar AV19 – Torhüter und Abwehr:
Torhüter:
Abgänge: Bence Balizs, Oliver Agoston.
Zugänge: Josh Robinson
Zoltan Hetenyi war in der letzten Saison der statistisch gesehen beste Torhüter der Liga. Der 26-jährige Nationalteamkeeper konnte auf die beste Fangquote der EBEL verweisen und soll auch im Jahr 2014/15 die klare Nummer 1 bei Fehervar sein. Doch der Goalie nahm von der B-WM nicht nur die Enttäuschung über den Nicht-Aufstieg mit, sondern auch eine rätselhafte Viruserkrankung. Monatelang konnte er nicht trainieren, das Karriereaus drohte sogar. Die große Frage ist nun ob und vor allem wann wird Hetenyi wieder fit sein. Kann er überhaupt wieder an die Leistungen der letzten Jahre anschließen? Das fragt man sich auch bei Szekesfehervar und hat mit Josh Robinson zumindest für die Vorbereitungsphase einen Try Out Spieler geholt. Dieser muss aber spätestens zum Saisonbeginn der AHL wieder in Nordamerika sein. Dann steht man erneut vor der Frage, was mit Hetenyi ist. Gerade bei einem Nachzügler-Team wie Fehervar hat der Torhüter eine ganz besondere Rolle und da kann man nicht erwarten, dass Backup Miklos Rajna über sich hinaus wächst. In der letzten Saison brachte er es in 12 Einsätzen nicht einmal auf eine Fangquote von 87% - zu wenig, um das Vertrauen für eine halbe oder gar ganze Saison zu erhalten. Das heißt, Szekesfehervar wird entweder einen neuen Legionärsgoalie benötigen, oder Zoltan Hetenyi wird möglichst schnell wieder gesund und findet zu alter Form. Das wünschen ihm mit Sicherheit alle, aber ob das realistisch ist? Viele Fragezeichen, die man erst in den nächsten Monaten wird beantworten können. Mit Hetenyi wäre das Goaliegespann sicherlich mehr als nur EBEL-tauglich, ohne ihn wird man sehen, ob man nach Robinson einen geeigneten Legionär findet, falls man ihn brauchen sollte.
Bewertung: 2,5 von 5 Punkten
Abwehr:
Abgänge: Travis Gawryletz, Ric Jackman, Tamas Poszgai, Andy Sertich.
Zugänge: Johan Ejdepalm, Matt Register.
Im Bereich der Abwehr haben die roten Teufel einige durchaus namhafte Abgänge zu vermelden. Ric Jackman wechselte nach Japan, Andy Sertich zur Konkurrenz nach Dornbirn. Zwei sehr erfahrene Spieler, deren Routine und vor allem deren Scoringausbeute erst einmal ersetzen muss. Sertich war mit 28 Scorerpunkten immerhin der fünftbeste Punktesammler der Ungarn, Jackman ließ ebenfalls 25 Zähler folgen. Es war also eine der Aufgaben, diese beiden Abgänge adäquat nachzubesetzen. Dabei griffen die Magyaren zu einer in der EBEL eher unüblichen Wahl und holten einen Schweden. Johan Ejdepalm spielte in den letzten Jahren in der DEL, konnte dort aber nicht mehr als der große Punktesammler aufzeigen. Dass er durchaus auch Quarterback-Fähigkeiten hat, zeigte er in München, wo er auch schon einmal ein Jahr mit 20 Scorerpunkten hatte. Diese Leistung braucht man vom 32-Jährigen auch in Ungarn, denn Ejdepalm wurde als Leitwolf geholt. Der um 8 Jahre jüngere Matt Register ist hingegen genau das, was man einen Offensivverteidiger nennt. In der ECHL brachte er es auf einen Punkteschnitt von 0,68 Zähler pro Partie, was ein bemerkenswerter Wert ist. Eine solche Ausbeute würde vor allem dem Power Play der Ungarn gut tun, das zuletzt etwas schwächelte und einen gefährlichen, sowie treffsicheren Blue Liner dringend nötig hatte. Register könnte diese Rolle einnehmen. Wenn er dort anknüpft, wo er in der ECHL aufgehört hat, könnte der Kanadier schon bald von anderen Teams gejagt werden.
Ansonsten hat sich die Defensivabteilung nicht viel geändert. Man darf also von den Magyaren keine besonders veränderte Spielweise erwarten. Die Abwehr ist kompakt, physisch dort, wo auch der Rest der Liga angesetzt hat, allerdings muss man hier ein wenig an Kadertiefe vermissen. Es bekommen vor allem junge Ungarn ihre Einsatzzeit, nur Oldie Viktor Tokaj hat mit seinen 37 Jahren den Leistungszenith schon überschritten.
Bewertung: 3,0 von 5 Punkten
###Kaderbewertung Fehervar AV19 – Angriff und Trainer:
Angriff:
Abgänge: Bryan McGregor, Arpad Mihaly, Adam Naglich, Colton Yellow Horn.
Zugänge: Brandon Marino, Jeff LoVecchio, Daniel Koger, Istvan Bartalis.
Höchst interessant könnte sich die Entwicklung des Angriffs bei den Ungarn erweisen. Zwar hat man mit Adam Naglich und Colton Yellow Horn zwei Top 4 Stürmer verloren, diese aber entsprechend nachzubesetzen versucht. Brandon Marino hat in der ECHL am laufenden Band getroffen und es insgesamt auf einen Schnitt von 1,13 Punkte pro Partie gebracht. Der 28-jährige US Amerikaner könnte sich als Glücksgriff erweisen, wenn er diese Leistung auch aufs EBEL Eis bringt. Selbiges gilt für Jeff LoVecchio, der in Norwegen herausragende Statistiken vorzuweisen hat und auch schon in Italien seine Scorerqualitäten unter Beweis stellen konnte. Diese beiden Stürmer könnten die Abgänge bald vergessen lassen, aber noch interessanter sind zwei Heimkehrer. Daniel Koger (aus der ECHL) und Istvan Bartalis (aus Schweden) gehören zum Besten, was der ungarische Nachwuchs zu bieten hat. Im Ausland sind diese Stürmer gereift und befinden sich mit ihren bald Mitte Zwanzig am Weg zur absoluten Leistungsfähigkeit. Gerade diese ungarischen Stürmer haben in der jüngsten Vergangenheit etwas gefehlt, denn von den Inländern schaffte letzte Saison nur Arpad Mihaly den Sprung über die 10-Tore-Marke. Und genau dieser beste Torschütze unter den Ungarn ist auch nicht mehr im Kader.
Ansonsten hat sich im Angriff nicht viel verändert, der Kader ist was die Ungarn betrifft fast unverändert geblieben. Auch Frank Banham, Andrew Sarauer und Ladislav Sikorcin bleiben bei den Magyaren. Ein weitgehend eingespieltes Team also, das mit etwas mehr Unterstützung von den Verteidigern eine kleine Verbesserung in der Ausbeute erwarten lässt. Um aber wirklich zu überraschen, wird es des ein oder anderen herausragenden Akteurs bedürfen. Wenn die beiden Neuzugänge so richtig einschlagen, ist auch mehr möglich, als nur das „Mitmischen“.
Bewertung: 3,0 von 5 Punkten
Trainer:
Abgang: Marty Raymond
Zugang: -
Es kam völlig überraschend als Marty Raymond kurz vor dem Beginn des Eistrainings das Handtuch warf. Der 49-jährige Kanadier hatte den neuen Kader noch zusammengestellt und trug das letztes Jahr begonnene Verjüngungsprogramm bei Szekesfehervar voll mit. Doch dann kam das Angebot aus Ritten und offenbar war der Reiz so groß, das Raymond nach einem Ausweg suchte – und ihn auch fand. Was also sollte Fehervar groß machen, als Co-Trainer Rob Pallin zum Headcoach zu befördern? Der US Amerikaner kennt das Team, war schon im vergangenen Jahr an Board. In der ECHL war er bereits als Co-Trainer aktiv, den Chef an der Bande macht er im Profibereich allerdings zum ersten Mal. Er wird unterstützt von Tamas Sille, der in Ungarn eine echte Eishockeylegende ist. Bis 2013 war Sille noch als Spieler in Szekesfehervar, im Nationalteam konnte er sich erste Sporen als Assistant Coach verdienen. Nun ist er auch bei den roten Teufeln als “Co” aktiv und hat den nächsten Karriereschritt gemacht.
Es ist dennoch ein gewisses Maß an Unerfahrenheit auf der Bank der Ungarn auszumachen. Das kann aber auch bedeuten, dass die Ungarn frisches Blut und neue Ideen injiziert bekommen. Im Vergleich zu den Trainerfüchsen bei anderen Teams scheint man hier aber im Nachteil zu sein.
Bewertung:2,0 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 10,5 von 20 Punkten
###Die Zwischenwertung in der HF.at Kaderbewertung:
1. Black Wings Linz 15,5 Punkte
2. Fehervar AV10 10,5 Punkte
3. Olimpija Ljubljana 8,5 Punkte