Kaderbewertung: Ist Linz bereit fürs nächste Halbfinale?
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marksoft -
29. August 2014 um 12:52 -
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Im Windschatten der fast schon traditionellen Favoriten auf den Meistertitel hat sich in Linz in den letzten zehn Jahren ein echter Eishockeystandort etabliert. So erfolgreich, dass man inzwischen zum erweiterten Kreis der Titelaspiranten gezählt werden darf. Aber gilt das auch für den Kader 2014/15, der sich nur wenig zu einer insgesamt durchschnittlichen letzten Saison verändert hat?
Ja, die Black Wings standen in der letzten Saison im Halbfinale und konnten ihre Fans im Viertelfinale mit dem Bezwingen des Angstgegners aus Znojmo begeistern. Aber trotzdem blieb am Ende ein etwas schaler Beigeschmack. Der Abstand zu den Finalisten war doch größer als erwartet, man machte einige Problemfelder im Team aus und konnte diese trotzdem nicht so richtig lösen. Die dringend nötige Frischzellenkur wurde zwar punktuell versucht, aber reicht das, um erneut ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitzusprechen?
###Die Ausgangslage
Seit dem Jahr 2006 haben die Black Wings noch immer in den Play Offs gespielt, zuletzt standen sie drei Mal in Serie im Halbfinale, waren vor drei Jahren sogar Meister. Beeindruckende Zahlen für einen Verein, der bei den Einschätzungen vor der Saison fast immer „vergessen“ wird. 14 Saisonen haben die Stahlstädter nun schon in der höchsten Spielklasse absolviert, 12 Mal standen sie in den Play Offs, 11 Mal im Halbfinale, vier Mal im Finale. Ein Lauf, wie ihn sonst kein anderes Team der Erste Bank Eishockey Liga vorweisen kann.
Und trotzdem blickt man nach dem diesjährigen Sommer mit einer gewissen Ratlosigkeit nach Oberösterreich. Die Suche nach Sponsoren verlief auf Grund des wieder erstarkten LASK schwerer als gewohnt, der Kader wurde nicht wie erwartet stark umgebaut und man scheint sich ein wenig im eigenen „Halb-Erfolg“ wohl zu fühlen. Sicher, es wird in die Infrastruktur in Linz investiert, man bekommt endlich die lange benötigte Erweiterung auf fast 5.000 Zuschauer, in der Keine Sorgen EisArena hängt nun auch endlich ein „Würfel“ – mit solchen neuen Angeboten sollte man seinen Zuschauerschnitt noch einmal steigern können. Das wiederum sollte auch mehr Geld in die Kassen spülen, vor allem bei einem Verein, der allgemein auch als „Fanartikel-Kaiser“ der EBEL gilt. Kein anderes Team verkauft mehr Fan-Accessoires als die Stahlstädter.
Am Ende ist es aber der sportliche Aspekt, der über Erfolg und Nicht-Erfolg auch bei den Fans entscheidet. Trainer Rob Daum hat auch heuer wieder darauf geachtet, sein Team möglichst ohne schwierige Charaktere zu formen, musste dabei aber auf die finanzielle Situation, die keine größeren Sprünge zulässt, Rücksicht nehmen. Inzwischen ist man auch in Linz bei einem Kader angekommen, der nicht gerade günstig ist und der auch Erfolge vorweisen muss. Sprich: die Play Offs, wenn nicht sogar das Halbfinale, sind für dieses Team ein Muss!
Die Ausgangslage ist nicht schlecht, könnte aber besser sein. Ein Blick auf die Statistiken der letzten Saison zeigt, warum die Black Wings ihren Kader so geändert haben, wie sie es taten.
Statistische Fakten 13/14:
Power Play: 19,69% (7.)
Penalty Killing 83,26% (3.)
Fairplay 11,92 Min/Sp (6.)
Shorthander 8 (3.)
Scoring Effizienz 9,74% (4.)
Goalkeeping 91,3% (2.)
Tore geschossen: 160 (2.)*
Tore erhalten: 119 (3.)*
*zwecks Vergleichbarkeit nur aus dem Grunddurchgang
Vor allem das Power Play war ein großes Sorgenkind in der letzten Saison. Hier konnte kaum Druck von den Verteidigern erzeugt werden, weshalb man sich im Sommer auch mit Offensivverteidiger Sebastien Piche verstärkt hat. Dazu erhofft man sich von Chad Rau mehr Unruhe bei Überzahlsituationen. Etwas überraschend fällt der Wert in der Defensive aus, denn gerade die Abwehr der Linzer gilt auch vor der heurigen Saison als eines der Fragezeichen. Im Sturm wirkt Platz 2 bei den geschossenen Toren zwar überragend, aber insgesamt war hier der Leistungsabfall innerhalb der Mannschaft zu groß. Wenn die erste Linie nicht traf, dann war schnell Schluss mit lustig bei den Oberösterreichern. In Linie 2 konnte Rob Hisey den Erwartungen nicht gerecht werden, die dritte Reihe ist seit Jahren auf stagnierendem Niveau – egal, wie die Namen lauten, die darin spielen. Die vierte Angriffsformation erledigt ihren Job ordentlich. Um ganz vorne mitspielen zu können, brauchen die Linzer aber mehr als eine wirklich gute und eine halbwegs funktionierende Linie. Sie benötigen „Scoring-Depth“.
Daher überrascht auch, dass die Black Wings entgegen dem allgemeinen Ligatrend nicht in Physis investierten. Die Oberösterreicher verfügen inzwischen über den kleinsten und leichtesten Kader der gesamten Liga. Darüber hinaus hat man das drittälteste Team, was allerdings bei einem Durchschnittsalter von knapp über 26 Jahren keine wirkliche Relevanz haben sollte. Im Tor baut man auf Mike Ouzas, der letzte Saison zwar kompakt, aber nicht herausragend war. Das hing vermutlich auch damit zusammen, dass die Hintermannschaft sehr viele Schüsse aufs Tor zulässt. Nur vier Mannschaften lassen noch mehr Versuche auf das eigene Gehäuse zu!
Keine Frage: der Kader der Linzer bleibt größtenteils bestehen, man hat Schwachstellen im Spiel nach vorne ausgemerzt, riskiert dabei aber im Defensivverbund bei der Arbeit nach hinten schwächer zu werden. Dazu hat man potentielle teaminterne Probleme mit einem weiterhin laufenden Vertrag von Gregor Baumgartner, der spätestens zum Ende der Try Out Phase nach einer Entscheidung ruft. Im Vergleich zur Konkurrenz konnte man in den letzten Jahren immer konstant spielen und profitierte dabei jedes Jahr von Ausrutschern großer Teams. Die Play Offs sollten für diese Mannschaft außer Frage stehen, wenn man von gröberen Verletzungen der Schlüsselspieler verschont bleibt. Selbiges gilt für die Top 6 nach dem Grunddurchgang, das Halbfinale scheint ebenfalls machbar, aber mehr? Das dürfte sich wohl eher nicht ausgehen.
HF.at Prognose: Platz 3 bis 6
###Kaderbewertung Black Wings – Torhüter und Abwehr:
Torhüter:
Abgänge: Lorenz Hirn
Zugänge: Florian Janny
Im Bereich der Torhüter setzt man bei den Linzern ein wenig auf Risiko und ist sich dessen auch bewusst. Mit Michael Ouzas hat man eine unumstrittene Nummer 1. Der Kanadier ist seit seinem Wechsel in die EBEL einer der konstantesten Torhüter der Liga. Allerdings auch nicht mehr. Er ist kein Zauberer, kein herausragender Goalie und nur ganz selten ein „Difference Maker“. Zu selten, wie seine Kritiker anmerken. Bei den Black Wings wird er dennoch den Großteil der Saison zwischen den Pfosten stehen. Das birgt eine gewisse Ermüdungsgefahr und damit auch Verletzungsgefahr, was wiederum nur eines heißen würde: sollte Ouzas länger ausfallen, müsste ein neuer Mann her.
Das war aber in der Vergangenheit immer so. Mit Lorenz Hirn haben die Stahlstädter allerdings auch einen erfahrenen Backup in Frühpension geschickt. Der Vorarlberger hatte die undankbare Aufgabe der Nummer 2, die nun von Thomas Dechel übernommen wird. Ein Goalie, der auf Grund seiner Persönlichkeit bei seinen bisherigen Teams nicht immer unumstritten war und kaum EBEL Erfahrung besitzt. Er wird nur ganz wenige Spiele absolvieren, soviel ist jetzt schon klar, wenngleich er in der Vorbereitung durchaus gute Figur gemacht hat. Der Leistungsabfall im Goaliegespann ist auf jeden Fall größer geworden, was die gute Platzierung im Goalieranking der letzten Saison (Platz 2) zu einer „Mission Impossible“ machen dürfte.
Bewertung: 3,0 von 5 Punkten
Abwehr:
Abgänge: Andy Hedlund, Michael Mayr, Mathias Müller, Fabian Scholz
Zugänge: Sebastien Piche, Erik Kirchschläger, Niklas Mayrhauser
Im Bereich der Defensive hätte man sich bei den Linzern einen etwas größeren Umbau erwartet. Mit Andy Hedlund ging nur ein Legionär, dessen Zeit allerdings tatsächlich abgelaufen war. Zu langsam und zu fehleranfällig war er schon und wurde durch den deutlich mobileren und vor allem auch offensive gefährlicheren Sebastien Piche ersetzt. Der ist nun wahrlich vieles, aber kein Defensivspieler mit der nötigen Härte vor dem Tor. Diese Defensivkonsequenz wird man wohl auch im heurigen Jahr bei den Oberösterreichern vermissen, was angesichts des Trends in der EBEL hin zu körperlich präsenteren Spielern zu einem Problem werden könnte.
Man verfügt mit Spielern wie Robert Lukas, Franklin MacDonald und Curtis Murphy über sehr viel Routine, die allerdings auch mit schwindendem Tempo verbunden ist. Vor allem Murphy könnte die Verpflichtung von Piche aber sehr gut tun, denn ab sofort lastet der Druck des Power Play Quarterbacks nicht mehr nur auf den Schultern des 38-Jährigen. Der Abgang von Leuten wie Mayr, Müller und Scholz sollte mit Spielern wie einem Fechtig, Mayrhauser und dem großen Linzer Talent Kirchschläger kompensiert werden können. Ein Schritt nach vorne ist das aber keinesfalls.
Die große Frage ist, ob der auch wirklich sein muss. Wenn die Oberösterreicher ihr Defensivniveau halbwegs halten können und gleichzeitig mehr Verteidigertore zusammenbringen, dann wird Trainer Rob Daum schon glücklich sein. Seine Philosophie immer 4 Defensivlinien spielen zu lassen wird er auch in dieser Saison durchziehen. Das entlastet die Top-Spieler und gibt Kraft für entscheidende Spiel- oder gar Meisterschaftsphasen.
Im Bereich der Abwehr wird wohl für die Black Wings der wichtigste Punkt sein, dass Sebastien Piche offensiv so produziert, wie er das in Bozen gemacht hat. Gemeinsam mit dem offensiv ebenfalls gefährlichen Curtis Murphy könnte das eine spannende Angelegenheit für die Konkurrenz werden. Offensiv ist diese Abteilung am Papier top, defensiv im besten Fall durchschnittlich.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
###Kaderbewertung Black Wings – Angriff und Trainer:
Angriff:
Abgänge: Pat Leahy, Lukas Haudum, Tom Zanoski
Zugänge: Chad Rau, Fabian Hofer
Offensiv steht und fällt der Erfolg der kommenden Saison mit den Leistungen der zweiten Angriffslinie – und hier vor allem von Rob Hisey. Der Center spielte eine insgesamt enttäuschende letzte Spielzeit und wird sich anstrengen müssen, um auch in Zukunft den Fans in Linz zujubeln zu können. Er soll die zweite Angriffsformation anführen, was er nur bedingt konnte. Sei es wegen mangelnder körperlicher Fitness, oder auch zu viel Eigensinn. Seine Nebenleute hatte er nur selten im Blickfeld und wenn, dann kamen die Pässe schlecht oder zu spät. Umso erstaunlicher, dass Andrew Kozek und Pat Leahy dennoch scorten. Letzterer ist inzwischen nicht mehr aktiv und wurde durch Chad Rau ersetzt. Ein unbeschriebenes Blatt, das in große Fußstapfen treten muss. Leahy war immerhin für um die 20 Tore pro Saison gut. Rau mag zwar jünger, fitter, wendiger und schneller als Leahy sein, aber ob er die gleichen Scorerqualitäten hat wird man erst sehen. Die hätte Andrew Kozek sicher sogar noch mehr, als jene 26 Tore der letzten Saison andeuten. Wenn er ein wenig besser mit Hisey funktionieren würde, dann könnte das ähnlich durchschlagenden Erfolg bringen, wie in Dornbirn.
Darüber braucht man sich bei der ersten Linie keine Sorgen machen. Brian Lebler, Brad Moran und Jason Ulmer sind eine Bank, was das Scoring betrifft. Lebler ist der Torschütze vom Dienst und auch Mann für die körperliche Präsenz, Moran der Vorbereiter und Ulmer kann praktisch alles. Wenn die drei in Top-Form spielen, sind sie eine der besten Einserlinien der gesamten EBEL. In Reihe 3 gibt es ein großes Fragezeichen, denn Gregor Baumgartner hat zwar noch Vertrag, sollte aber eigentlich im Sommer abgegeben werden. Da sich aber kein neuer Job gefunden hat, ist der Stürmer noch immer an Board und gilt als „eiserne Reserve“. Das kann aber nur bis zum Ende der Try Out Phase funktionieren, dann muss es eine Lösung geben. Seinen Stammplatz in Linie 3 übernimmt Fabio Hofer, der nach seinen Salzburg-Jahren eine Bewährungsprobe in Linz erleben wird. Er soll der nicht mehr ganz so überzeugenden dritten Reihe mehr Speed und Gefahr geben. Die könnte nicht schaden, denn Daniel Oberkofler stagniert seit Jahren, Matthias Iberer konnte zuletzt auch nicht richtig überzeugen und setzt seinen Körper viel zu wenig ein.
Dahinter ist nur eines fix: Viertliniencenter Philipp Lukas, der schon eine gefühlte Ewigkeit in Linz spielt und dort auch seine Karriere beenden wird. Er hat sich in seine Rolle als Leader für die Jungen gut eingelebt und ist ein Vorbild für alle. Es reicht zwar körperlich nicht mehr, um die ganz große Eiszeit über die Saison durchzuziehen, aber Lukas ist auch in den Special Teams (vor allem in Unterzahl) ein wichtiger Faktor. Seine Nebenleute werden viel variieren. Hier gilt vor allem Stefan Gaffal als Riesentalent, das sich nach guten Leistungen in EBJL und EBYSL immer mehr auch in der EBEL zeigen muss. Mit Macierzynski, Spannring, Franz, Pastl und Co. verfügen die Oberösterreicher über genug Potential, um auch Verletzungen im Sturm überstehen zu können.
Der Kader im Angriff hat alles, was ein Top Team haben muss. Linie 1 gehört zum Besten der EBEL, Linie 2 hätte noch mehr Luft nach oben, Linie 3 ist jünger und vielleicht auch frecher geworden, Linie 4 kann hart arbeiten. Wenn sich die Last des Toreschießens nun auch gleichmäßiger verteilt, dann wird man auch heuer wieder viel Spaß in Linz mit dieser Mannschaft haben.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Trainer:
Abgang: -
Zugang: -
Rob Daum kam, sah und wurde Meister. Das ist inzwischen auch schon wieder drei Jahre her und der Kanadier gilt seither als Eishockey-Professor. Von den taktischen Rafinessen ist inzwischen aber auch bei ihm nicht mehr viel zu sehen, den Nachwuchs baut auch er nicht wirklich konsequent ein und fördert die vorhandenen Jungen zu wenig. Letzten Endes ist auch Rob Daum ein Trainer, der nur eines will: gewinnen! Und das so oft wie möglich. Egal mit welchen Spielern.
Der Kanadier ist ein Perfektionist, lebt Eishockey und beschäftigt sich oft nächtelang mit verlorenen Partien. Allerdings kennt man inzwischen seinen Spielstil, das typische Einigeln rund um das eigene Tor und die schnellen Konter werden mit den vergrößerten Defensivzonen schwerer werden und auch die Linienzusammensetzungen kennt man inzwischen in der EBEL. Daum geht in sein viertes Jahr als Head-Coach der Oberösterreicher und man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass langsam der Hunger ein wenig verloren gegangen ist. Man vermisst im Team das Feuer, diesen unbedingten Willen und die Aufopferungsbereitschaft. Unter Linzer Medien heißt es immer “bei den Black Wings ist alles super und gut – wie langweilig”. Das Umfeld versucht profesionell zu arbeiten und für Ruhe zu sorgen, um die Mannschaft freizuspielen. Ab und zu etwas Druck oder Neues schadet aber nicht. Irgendwie ist alles so “wie immer” bei den Black Wings. Auch im Trainerstab, der mit Co-Trainer Mark Szücs einen altgedienten EBEL Spieler beinhaltet, der sich brav unterordnet und seine Aufgaben erfüllt. Die Vorgaben für die neue Saison sind aber auch von Vereinsseite etwas erweitert worden: man soll sich den eigenen Nachwuchs verstärkt anschauen, die Jungen fördern, motivieren und Spielpraxis geben. Man will endlich wieder einen Stammspieler aus Linz ins EBEL Team holen können, was seit Michael Mayr niemandem mehr dauerhaft gelungen ist. Dann müsste man nicht mehr so stark am Legionärmarkt aktiv werden, was das Budget entlasten würde.
Bewertung:4,5 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 15,5 von 20 Punkten
###Die Zwischenwertung in der HF.at Kaderbewertung:
1. Black Wings Linz 15,5 Punkte