Referee Camp: Schiedsrichter bereiten sich auf neue Regeln vor
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marksoft -
2. September 2013 um 12:29 -
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Von Freitag bis Sonntag fand in Wien der Saison Kick-Off der EBEL Schiedsrichter statt. Von Regelkunde bis zur Klärung organisatorischer Dinge wie Bezahlung etc. gab es dabei auch einen recht engen Zeitplan. Erstmals waren auch Medien dazu eingeladen den Erklärungen von Lyle Seitz zu lauschen.HF.at hat diese Chance wahrgenommen und wurde mit einer Masse an Fachwissen belohnt.
### Neue Regeln in der EBEL
Auf 38 Seiten wurden die neuen Regeln zusammengefasst, weil das dann doch recht umfangreich ist werden wir an dieser Stelle die aus unserer Sicht wichtigsten rauspicken.
#1 Disziplinarstrafen
Der Griff in die Hüften bedeutet zukünftig nicht zwingend eine 10 minütige Disziplinarstrafe sondern kann mit einem entsprechend vorangestellten Zeichen auch 2 Minuten bedeuten. Damit will man Spieler, die auf die Strafbank müssen und sich auf dem Weg dahin oder auf der Bank verbal nicht regelkonform äußern, härter bestrafen.
HF.at meint: Der Schiedsrichter muss eine Respektsperson sein, selbst wenn Spieler die Strafentscheidung an sich als falsch empfinden, gibt es keinen Grund, sich weiter zu beschweren. Der internationale Trend in den Top-Ligen geht dahin, dass die Kritik an Entscheidungen am Eis immer weniger wird und man Strafen unkommentiert „hinnimmt“.
#2 Bully
Der Kick mit dem Schlittschuh beim Bully war bisher nicht regelkonform, ist aber heuer von den Coaches mit 12:0 Stimmen als Regeländerung angenommen worden. Daher darf der Puck, sobald er das Eis berührt hat, auch mit dem Fuß gekickt werden. Ausnahme bleibt klarerweise weiterhin ein Torschuss mit Kickbewegung.
HF.at meint: In jeder anderen Situation ist der Kick bereits erlaubt, diesen auch bei den Bullys zu gestatten wird das Spiel wohl schneller machen und sicher dazu beitragen, dass sich das Face Off der Spieler verändern wird. Ab und zu wurde der Kick auch zum Erzeugen einer Verschnaufpause im PK genutzt
#3 Check gegen den Kopf:
Zum Schutz der Spieler eingeführt, wird die Regelauslegung nun etwas verändert. Beim Check gegen den Kopf muss die Intention den Kopf zu attackieren erkennbar sein. Wenn also der Spieler selbst den Kopf, senkt nachdem ein Check erkennbar ist wird dies zukünftig nicht als Check gegen den Kopf gewertet.
HF.at meint: Grundsätzlich wird diese Art der Regelauslegung bereits seit geraumer Zeit von Spielern und Experten gefordert. Nicht nur der checkende, sondern auch der gecheckte Spieler hat eine Verantwortung. Nun bekommen die Schiedsrichter einen Ermessungsspielraum, der allerdings dazu führen könnte, dass gleiche Situationen unterschiedlich bewertet werden.
#4 Icing
Ein Icing wird nur dann nicht gepfiffen, wenn es ein erreichbarer Pass ist. Wenn der Defender den Puck einfach nur ins Angriffsdrittel „reindumpt“ ist dies nicht als Pass zu werten. Wenn der Angreifer sich entscheidet den Spieler und nicht die Scheibe zu nehmen wird ebenfalls Icing gepfiffen.
HF.at meint: Der Schiedsrichter darf entscheiden ob der Verteidiger passen wollte oder nicht – schwer! Wenn sich eine Linie findet, die ligaweit eingehalten wird, kann es dem Spielfluss dienen. Alles in Allem ist es eine Ermessensentscheidung und kann daher wieder zu Kontroversen führen.
#3 Tor via Schiedsrichter
Sofern die Scheibe nicht direkt vom Offiziellen ins Tor geht, ist dieser Treffer absolut legitim. Prallt die Scheibe vom Referee zum Beispiel direkt zu einem Spieler, der dann eine erneute Chance erhält ist der Treffer ebenfalls gültig.
HF.at meint: Der Offizielle wird von den Spielern eigentlich gesehen, wenn man also auf diesen spielt ist es genauso wie ein Schuss an die Bande. Man ist sich bewusst dass Unvorhergesehenes passiert. Ob unglückliche Szenen im Sport hilfreich sind bezweifeln wir, so gesehen sind wir eher der Meinung, dass das Spiel unterbrochen werden sollte. Klar ist aber dass dies im kompletten Gegensatz zum Wunsch eines schnelleren Spiels steht.
#3 Diving
Heikles Thema ist immer wieder, wenn Spieler eine Strafe zugesprochen bekommen und dann selbst auch auf die Strafbank müssen - für Diving. Hierbei sollen zukünftig theatralisches Fallen, Wegspringen und übertriebene Reaktionen aller Art härter bestraft werden. Diese Änderung erfolgt auch auf Wunsch der Spieler, die so Verzerrungen verhindern wollen.
HF.at meint: Im Fussball sind Schwalben allgegenwärtig, im Eishockey sollten Sie keinen Einzug halten. Dafür ist der Sport zu schade! Eishockey muss ein Männersport bleiben und Männer müssen nicht fallen wie Christiano Ronaldo… Ein vergehen kann nun (auch im nachhinein) nicht öffentlich auch mit einer Geldstrafe von 250 Euro belegt werden.
#4 Penalty Shots
Es wird zukünftig so sein, dass nur noch ein Schiedsrichter auf Tor oder nicht Tor entscheidet. Der zweite Mann wird nur dann entscheiden, wenn der Stürmer dem Headschiedsrichter zu 100% die Sicht verstellt. Nach der erfolgten Entscheidung kann diese noch revidiert werden sofern der zweite Referee am Eis dies anders gesehen hat.
HF.at meint: Penalty und Referees bei denen einer auf Tor und einer auf kein Tor entscheidet braucht man nicht. Wenn es um den Zusatzpunkt geht ist die Stimmung oft ohnehin schon recht angeheizt, hier würde eine derartige Gestik nur Verwirrung hervorrufen.
#5 Goal Review
Mit „Gamecenter“ soll in zwei Eishallen der EBEL ein neues System installiert werden, um die Referees bei ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Vor allem eine simultan geführte Kamera auf die Zeitanzeige soll es erleichtern Last Second Goals korrekt zu bewerten. Die Zeit am Sevus TV Bildmaterial darf aufgrund minimaler produktionsbedingter Verzögerungen nicht herangezogen werden.
HF.at meint: Gamecenter klingt nach der Erklärung von Lyle Seitz wie die Patentlösung für alle schwierigen Entscheidungen. Bleibt zu hoffen, dass sich die Kosten in Grenzen halten und dies Realität wird.
#5 Delaying the Game:
17 Minuten Drittelpause wird ab kommender Saison ligaweit (VSV hatte bisher aufgrund der Infrastruktur noch immer 15 min Pause angezeigt) eingehalten. Bei Ablauf der Zeit sollte das Team spielbereit am Eis sein. Wenn bei Ablauf der Zeit das Team zu sehen ist reicht dies schon. Der Coach wird aber belehrt, dass die Teams pünktlich kommen sollen.
HF.at meint: 17 Minuten sind schon mehr als genug und international nicht unbedingt üblich. Die Pausen sind bereits sehr lange, die allgemeine Tendenz der Liga geht eher in Richtung Verkürzung der Gesamtspielzeit. Weitere Verzögerungen und Verlängerungen der Pause sind hier nicht hilfreich.
###Referee-Lehrmeister aus der NHL
Nicht nur die Spieler der Erste Bank Eishockey Liga müssen sich nach der Sommerpause bei ihren Teams Fitnesstests stellen, auch die Referees haben das hinter sich gebracht. Am Samstag stranden Leistungstests am Programm, gefolgt wurden diese von Regelkunde. Hier ging es um die sehr offene Aufarbeitung von Spielsituationen, auch oben genannte Regeländerungen wurden besprochen.
Mit dabei war auch Tom Kowal, der in der NHL fast 700 Partien gepfiffen hat und den heimischen Referees mit seinem Ratschlägen weiter helfen soll. Die Kontakte von Lyle Seitz bringen in diesem Zusammenhang immer wieder sehr erfahrene Profi-Referees in die EBEL, von denen die Ligaschiedsrichter nur lernen können.
Tom Kowal kennt die Probleme im internationalen Eishockey nur zu gut. Vor allem die Umstellung vom 3- auf das 4 Mann System geht nicht von einer Saison auf die andere. Hier geht es um Stellungsspiel und andere Blickwinkel, als man das viele Jahre lang gewohnt war. Daher auch die Kernaussage des zweiten Tages, nichts zu vermuten, sondern nur Dinge zu beurteilen, die man auch tatsächlich sieht. Kommunikation mit Spielern und Trainern wird auch in der neuen Saison ganz weit oben auf der Tagesordnung stehen.
Dass auch NHL Referees Fehler machen, zeigte ein Video, das selbst in Kanada einige Tage kontrovers und intensiv diskutiert wurde:
Am Abend waren die Referees dann in der Eishalle Kagran zu Gast und beobachteten das European Trophy Match der Vienna Capitals. Am Eis mit dabei waren Thomas Berneker, Shane Warshaw als Headreferee und Florian Hofer bzw. Florian Widmann als Linesmen.
###Analyse
Der Sonntag startete mit einem Trainingslauf in Wien Donaustadt, im Anschluss ging es aber wieder daran, zu analysieren. Die Referees sahen sich noch einmal das Capitals Spiel des Vortages an. In diesem wurde das Match letzten Endes auch von den Entscheidungen der Schiedsrichter mitentschieden, immerhin gab es 3 Power Play Treffer.
Wie sich in der Videoanalyse herausstellte hätten einige Dinge durchaus anders entschieden werden können. Nicht zuletzt wegen der Geschwindigkeit im Eishockey wird es aber immer Dinge geben, die auf Video um einiges klarer sind als es die Schiedsrichter am Eis erleben. Auch der Torrichterentscheid ist in der European Trophy nicht möglich. Ein Fakt, der bei den Fans dann auch Unmut bildet der sich meist an den Referees entlädt. In diesem Fall vollkommen zu unrecht.
Abschließend durfte ein Regeltest durchgeführt werden und dann ging es auch für die Medienvertreter ums Eingemachte. Unser HF.at Redakteur hat den Test mit Ach und Krach bestanden, wobei er zugibt, dass der intensive Griff zum Regelbuch in den Tagen zuvor die Sache erleichterte. Als Schiedsrichter aufs Eis wird er sich trotzdem nicht wagen, der Respekt gegenüber einer Truppe, die hart an sich selbst arbeitet und vor allem eines will: sich weiter entwickeln, ist allerdings deutlich gestiegen.