25 Jahre Gretzky Trade: "Ich war so wütend"
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marksoft -
8. August 2013 um 07:00 -
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Als die kanadischen Eishockeyfans am 9. August 1988 ihren Morgenkaffee zu sich nahmen, blieb bei vielen von ihnen die Tasse am halben Weg stehen. Wayne Gretzky wurde an diesem Tag nicht völlig überraschend, aber trotzdem nicht erwartet nach Los Angeles getradet. 25 Jahre später blicken die Beteiligten noch einmal zurück.
Kanadische Eishockeyfans können üblicher Weise genau sagen, wo sie an jenem 9. August im Jahr 1988 waren. Jener Tag, als Wayne Gretzky unter Tränen bekannt gab, dass er die Edmonton Oilers verlassen muss. Der Stürmer hatte sich in den knapp 10 Jahren zuvor ins Herz der Oilers Fans gespielt. Aus der WHA geholt wurde Gretzky zum besten Eishockeyspieler aller Zeiten und führte Edmonton zu vier Stanley Cup Triumphen.
Peter Pocklington – er hatte die NHL nach Edmonton gebracht und der Stadt eine neue Religion gegeben, war zu dieser Zeit Eigentümer der Edmonton Oilers und damit mittendrin, als das Team innerhalb kürzester Zeit zum meist beachteten Verein in Nordamerika wurde. Der Name „Hollywood North“ kam nicht von ungefähr. Die Oilers hatten bis Ende der 70er Jahre in der WHA gespielt und wechselten zur Saison 1979/80 in die aufstrebende NHL. Mit an Board war damals schon ein aufstrebender junger Starspieler: Wayne Gretzky. Und er sollte für die Oilers eine echte Ikone werden, ein Held ungeahnter Größe der eine ganze Stadt, eine ganze Nation zum Jubeln bringen konnte. Gretzky war die Stadt, er war die Franchise. Es war einfach undenkbar, dass man ihn für wieviel Geld auch immer hergeben würde.
Und trotzdem passierte es. Damals war Wayne Gretzky gerade 27 Jahre alt, am Höhepunkt seines Leistungsvermögens und hatte bereits 11 Mal in Folge mehr als 100 Punkte pro Saison gescort. Der Stürmer hatte gerade erst den vierten Stanley Cup gewonnen, zu zweiten Mal die Conn Smythe Trophy zugesprochen bekommen. Und nur zwei Stunden nachdem er den Cup in Händen hatte, bekam Gretzky erstmals die Gerüchte rund um den Trade mit.
Bruce McNall war damals der Eigentümer der Los Angeles Kings und blickt auf eine unruhige Zeit zurück. „Ich habe Peter Pocklington (Eigentümer Oilers, Anmerk.) schon einige Zeit immer wieder genervt. Wann immer ich ihn gesehen habe, wollte ich mit ihm über Wayne sprechen. Peter hat mich immer mit einem Lachen weggeschickt. Er sagte immer nur „Bist Du verrückt? Du kannst mir Dein ganzes Team geben und ich würde Wayne trotzdem nicht hergeben. Als er dann plöztlich „ok“ sagte, kam es völlig überraschend. Er hat mich angerufen, wir wollten uns im Juni beim Draft treffen. Er meinte nur „wenn es Dir mit Wanye wirklich ernst ist, dann sollten wir reden.“
Vor allem die finanzielle Seite des Trades war für Pocklington und die Oilers wichtig. „Ich habe mich mit ihm getroffen und Peter war immer offen“, so McNall 25 Jahre danach. „Er hat immer gesagt, „ok, ich brauche diesen Betrag und wir sollten etwas machen, das zumindest wie ein Trade ausschaut.“ Wir wollten also unbedingt auch Spieler und Draft Picks involviert haben.“ McNall war zwar geschockt, war aber sofort Feuer und Flamme.
###Gretzky als Auslöser für den Trade
Wayne Gretzky ging in das letzte Jahr seines Vertrags mit den Edmonton Oilers. Diese wollten zwar eine frühzeitige Vertragsverlängerung, um zu verhindern, dass der beste Spieler der Welt zum Free Agent würde, aber Gretzky selbst wollte das nicht. Die Gerüchte rund um mögliche Gespräche gingen durch die Medienwelt und irgendwann wurde es Gretzky dann zu bunt. „Spät im Juni habe ich mich entschieden, dass es an der Zeit wäre, mit dem Eigentümer zu treffen. Ich wollte wissen, was wirklich dran war. Peter (Pocklington, Anmerk.) hat gesagt, dass er das tun möchte, was für ihn, die Mannschaft, die Fans und die Stadt das Beste sei. Er könne nicht zulassen, dass ich zum Free Agent werde. Ich habe ihm gesagt, ok, dann musst Du das tun und ich muss tun, was für mich das Beste ist,“ erinnert sich Wayne Gretzky an dieses Gespräch.
Trotzdem wollte die Nummer 99 Edmonton nicht verlassen. Das wusste auch Kings Eigentümber McNall. „Wayne hat immer gesagt, dass er Edmonton liebt und nicht weg will. In jedem Gespräch mit ihm.“ Tatsächlich kam ein Zufall zu Hilfe, denn Gretzky, der gerade geheiratet hatte, lebte bereits in Los Angeles. Als ihm gesagt wurde, dass an einem Trade gearbeitet wird, traf er sich mit McNall zu einem Gespräch und Oilers Eigentümer Pocklington rief gerade zufällig an. „Ich glaube, er wollte sich den Trade selbst emotional gut reden“, so McNall heute. „Er sagte, dass er froh sei, dass Wanye ginge. Er beschwere sich die ganze Zeit über unnötige Dinge. Wayne hörte das am Telefon und als ich auflegte sagte er: ok, ich bin ein L.A. King.“
Das ging sogar so weit, dass Gretzky an der Ausarbeitung des Trades maßgeblich beteiligt war. Die Oilers wollten Luc Robitaille, aber Gretzky sagte von Beginn weg, dass das kein Thema sei. Letzten Endes einigte man sich auf Jimmy Carson, der bis dahin der Erstlinien-Center in Los Angeles war. Das konnte er klarer Weise nicht mehr sein, also wurde er getradet. Carson erinnert sich noch lebhaft an den Sommer 1988. „Nach dem zweiten Jahr in Los Angeles hat mich Bruce McNall angerufen und gesagt, dass ich mir ein Haus kaufen soll, weil ich noch lange bei den Kings spielen werde. Wir begannen mit ersten Vertragsverhandlungen und meine Frau plante das Haus.“ Über den Sommer war Carson zu Hause in Michigan und bekam einen Anruf von McNall. „Er sagte mir, dass es eine gute und eine weniger gute Nachricht gibt und erzählte mir, dass er glaubt, eine Chance auf Wayne Gretzky zu haben. Ich dachte mir, er spinnt, denn Gretzky hatte gerade 4 Cups in 5 Jahren gewonnen. Keine Chance! Aber er meinte, dass es schon fast durch sei. Und ich sagte nur „wow, unglaublich. Dann dachte ich mir, dass er ja auch noch schlechte Nachrichten hatte. Und er sagte mir, dass die Oilers darauf bestehen, dass ich der Hauptspieler in die Gegenrichtung sein soll.“
###Der größte Trade in der Sportgeschichte
Gretzky selbst spricht noch heute von sehr schweren 6 Wochen, bis der Trade tatsächlich über die Bühne gebracht war. „Je wahrscheinlicher das alles wurde, umso weniger habe ich darüber gesprochen“, so der Kanadier. „Ich habe mit kaum jemandem geredet, weil ich nicht wollte, dass ein Zirkus daraus wird. Nur mein damaliger Teamkollege Craig Simpson wusste alles.“ Das kam vor allem daher, weil Gretzky damals bei Hollywood Schauspieler Alan Thicke wohnte und in Los Angeles immer wieder mit Simpson Gold spielte. Am 7. August holte ihn Gretzky vom Flughafen ab und als sie nach Hause kamen, hörte Simpson eine Anrufbeantworter Nachricht von Kings Eigentümer McNall. „Ich glaube, wir haben einen Deal, sagte er“, erinnert sich Simpson. „Mir ist die Kinnlade runter gefallen. Ich hatte gerade meinen ersten Stanley Cup gewonnen und diese Nachricht war gleichzeitig schockierend und unglaublich enttäuschend.“
In den nächsten Tagen blieb Gretzky Gast im Haus von Thicke und verließ das Grundstück nicht mehr. Am 9. August war der Trade perfekt und McNall rief zuerst Jimmy Carson an. „Er sagte, dass es ihm leid tue, aber das sei eine Möglichkeit, die größer ist, als die LA Kings. Ich habe das Telefon aufgelegt und meinen Eltern gesagt, dass ich Teil des größten Trades in der Geschichte des Sports bin. Dann hat es an der Tür geläutet und draußen standen Reporter, TV Crews. Es war Wahnsinn.“
Kings Eigentümer McNall konnte es noch immer nicht glauben, als er am Weg zur Pressekonferenz war. „Ich habe bis zur letzte Minute immer befürchtet, dass irgendwas passieren wird. Als Trainer Glen Sather und Oilers Eigentümer Pocklington kurz vor der Pressekonferenz noch einmal mit Gretzky sprechen wollten dachte ich, „ok, das war's““. Die beiden nahmen Gretzky zur Seite und machten ihm ein letztes Angebot. „Sie sagten, wenn Du den Deal nicht willst, dann stehen wir alle auf und gehen“, so Gretzky. „Sie hätten alles platzen lassen, wenn ich damals ok gesagt hätte. Hätte ich ein paar Minuten darüber nachgedacht, ich wäre vielleicht weiterhin in Edmonton geblieben“.
Aber Gretzky wollte den Deal, weil er beleidigt war. „Ich war wütend. Sie wollten mich traden, also habe ich sie verlassen. Wenn ich heute zurückschaue verstehe ich warum sie es gemacht haben. Sie konnten mich nicht zum Free Agent werden lassen, es war die richtige Entscheidung. Ich wollte zwar nicht weg, aber ich wollte auch mehr Geld.“
###Eishockeyboom ab der ersten Sekunde
Der Effekt des Trades wurde innerhalb weniger Sekunden spürbar. Die Telefone bei den Kings liefen sofort heiß, innerhalb weniger Stunden verkaufte das damals zwanzigstbeste von 21 NHL Teams 5.000 Saisonkarten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Kings weniger als 12.000 Zuschauer im Schnitt und plötzlich war man die heißeste Aktie in der Stadt.
„Es war völlig verrückt“, erinnert sich Bruce McNall. „In dem Moment, als wir den Trade verkündeten begannen die Telefone zu läuten. Wir mussten zusätzliche Leute anstellen, um das Interesse zu bedienen. Das war das Ziel damals für mich: ich wollte, dass dieses Spiel zum Event wird und das funktionierte.“
Plötzlich wollten alle Tickets für die Kings Heimspiele und die Promis gaben sich die Klinke in die Hand. „Präsident Reagen hat mich angerufen und wollte Karten für die erste Reihe“, so McNall. „Wir hatten Sly Stallone, Tom Cruise, Tom Hanks – und das immer wieder. John Candy war damals sogar so etwas wie unser Maskottchen. Er war schon fast wie ein Teammitglied.
Luc Robitaille, der im Windschatten von Wayne Gretzky selbst zum Starspieler in der NHL wurde, erinnert sich ebenfalls an diese verrückte Zeit. „Bruce McNall war ein toller Promoter. Er wusste, wie man es richtig machte. Er schaute, dass die Prominenten in der ersten Reihe saßen und gesehen wurden. Und jeder hat uns nach dem Match in der Kabine besucht, wir haben ständig die großen Hollywood Stars gesehen. Als junger Spieler denkst Du Dir da einfach nur „unglaublich“.
Vor der nächsten Saison tingelten die Kings für die Pre-Season durch den Süden der USA. Miami, Tampa Bay, Cincinnati, Cleveland, Phoenix, Hoston. „Wir haben immer gewitzelt, dass wir wie eine Musikgruppe auf Toru sind“, so Robitaille. „Es ging darum, das Spiel zu bewerben und Wayne wusste das. Er musste deswegen weit mehr Vorbereitungsspiele absolvieren, als die anderen.“
Craig Simpson, der ehemalige Oilers Kollege, weiß, dass es lange dauerte, bis man über diesen Trade hinweg kam. „Ich glaube, es dauerte bis zu Spiel 7 der ersten Play Off Runde (welche Los Angeles im Jahr 1989 gegen Edmonton gewann). Wir haben eine 3:1 Serienführung hergegeben und im Nachhinein gesehen haben wir nicht so gegen die Nummer 99 gespielt, wie das andere Teams getan hätten.“ Wayne Gretzky hatte mit einem Empty Netter das Aus der Oilers besiegelt. Und im der Kabine sagte Edmontons Trainer Sather: „Ich will, dass ihr Jungs Euch daran erinnert, wie Euer Freund da draußen am Eis feiert, weil er uns aus den Play Offs geworfen hat!“ Das war der Punkt, an dem viele Spieler loslassen konnten – ein Jahr später gewann das Team den Stanley Cup – ohne Gretzky.
„Nach Spiel 7 sah ich Wayne und seine ehemaligen Teamkollegen beim Shakehands“, erinnert sich Luc Robitaille. „Sie haben sich angesehen und geweint und ich dachte nur „wow, diese Jungs sind miteinander aufgewachsen. Mark Messier, Mark und Kevin Lowe.“ Es war eine unglaublich emotionale Serie für beide Seiten. Es war hart: für Wayne Gretzky und das gesamte Team der Oilers.“
Weitere Teile der Serie:
1. Als Wayne Gretzky die Eishockeywelt erschütterte
2. 25 Jahre Gretzky Trade: "Ich war so wütend"