Als Wayne Gretzky die Eishockeywelt erschütterte
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marksoft -
7. August 2013 um 18:14 -
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Am 9. August 1988 wurde die Eishockeyszene von einem wahren Erdbeben erschüttert, dessen Folgen bis heute spürbar sind. Das Undenkbare passierte: Superstar Wayne Gretzky, der größte Spieler seiner und aller Zeiten, wurde von den Edmonton Oilers nach Los Angeles getauscht. HF.at startet zum 25-jährigen Jubiläum dieses Trades eine Serie von Beiträgen. Was damals passiert, wie die Beteiligten es sahen und warum die Auswirkungen noch immer spürbar sind.
Er war 27 Jahre jung, galt als der unbestrittene König des Eishockeys und hatte die Edmonton Oilers gerade zum vierten Mal zum Stanley Cup geführt (nach 1984, 1985 und 1987). Niemand hatte es kommen sehen und doch passierte es: der König wurde in die Wüste geschickt. Nicht ganz, aber für die Kanadier war das Gefühl damals so. Das größte Sportidol seiner Zeit war auch ein Symbol Kanadas und entsprechend groß war der Aufschrei im Mutterland des Eishockeys.
Wayne Gretzky nach Los Angeles? Das ging nach Ansicht der Kanadier gar nicht und hatte sogar eine Sitzung im Parlament zur Folge. In dieser wurde gefordert, dass die kanadische Regierung dieses Tauschgeschäft verbieten sollte. Die Zeitung „Edmonton Sun“ erschien in Anlehnung an die legendäre Rückennummer Gretzkys mit der Schlagzeile „99 Tränen“, denn der größte Eishockeyspieler aller Zeiten hatte unter Tränen ein Interview zu seinem angeblich so unerwarteten Trade nach Los Angeles gegeben.
###Der Trade, der Geschichte schrieb
Was war passiert? Damals war die NHL noch kein derart intensiv profitorientiertes Unternehmen, aber trotzdem zählten harte Dollars mehr als alle Moral. Die Oilers hatten sich mit den Los Angeles Kings zum vermutlich größten und weitreichendsten Tauschgeschäft der Eishockeygeschichte geeinigt. Mike Krushelnyski und Marty McSorley wanderten gemeinsam mit Wayne Gretzky nach Kalifornien. Die Oilers bekamen dafür die damals sehr hohe Summe von 15 Millionen Dollar, sowie Jimmy Carson, Martin Gelinas und drei Erstrunden-Drafts (1989, 1991 und 1993).
Das waren die „technischen Daten“ eines Geschäfts, das alles bis dahin Dagewesene in den Schatten stellte. So groß die Aufregung damals auch war, die Edmonton Oilers fanden auch ohne Gretzky einen Weg, um als Siegerteam aufzutreten und holten im Jahr 1990 erneut den Stanley Cup. „The Great One“ hingegen hatte in Los Angeles rein sportlich weniger Glück: er kam mit den King lediglich ein Mal ins Finale, verlor dort aber 1993 gegen Montreal.
Trotzdem war dieses Geschäft auch für Gretzky ein lukratives. Der Kanadier verdiente in Edmonton auf Grund des sehr begrenzten Marktes „nur“ eine Million Dollar und konnte in Los Angeles bedeutend mehr absahnen. Darüber hinaus wurden die Werbegelder deutlich höher und die Nummer 99 wurde zum Wegbegleiter dessen, was Jahre später die NHL tief in den Süden expandieren ließ. Ohne sein Gastspiel in Los Angeles wären die Franchises in San Jose, Dallas, Anaheim, Florida usw. undenkbar gewesen.
###Der Schock für Gretzky kam früh
Donnerstag, 26. Mai 1988 – die Edmonton Oilers hatten gerade den vierten Stanley Cup innerhalb der letzten fünf Jahre gewonnen und die Feierlichkeiten waren in vollem Gange. Für Wayne Gretzky wurde der Abend aber ein schrecklicher, denn sein Vater unterrichtete ihn nur wenige Stunden nach der Übergabe des Cups, dass die Edmonton Oilers ihn traden wollten. Wohin war zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar, der Trade hing aber bereits seit Monaten in der Luft. Gretzkys Vater kannte die Gerüchte, hatte diese aber von Wayne fern gehalten, um ihn zu schützen.
Neben Los Angeles sollen auch Detroit und Vancouver mögliche Kandidaten gewesen sein. Der Eigentümer der Oilers, Peter Pocklington, hatte finanzielle Probleme. Seine Firmen gingen nicht so gut wie erhofft und so ließ er sich nach vielen Anfragen im Frühsommer 1988 auf die Gespräche ein.
Gretzky war entgeistert, wollte auf keinen Fall aus Edmonton weg und sah die Oilers als seine Familie an. Im Verlauf des Sommers kam dann aber die Wende: der Eigentümer der Los Angeles Kings, Bruce McNall, kontaktierte den Kanadier. Kurz nachdem Gretzky geheiratet hatte, der Stürmer war noch in den Flitterwochen, gab es ein erstes Telefonat. Der Stürmer willigte ein und nahm das Heft selbst in die Hand. Er gab die Umstände vor, unter denen er nach Kalifornien wechseln würde. Er wollte vor allem seine Freunde Marty McSorley und Mike Krushelnyski mitnehmen (mehr dazu in Teil 2 unserer Serie).
Um die Öffentlichkeit und vor allem den damaligen Head Coach Glen Sather zu beruhigen sollte Gretzky selbst den Trade „fordern“. Der kanadische Nationalheld sollte Oilers Eigenümer Pocklington anrufen und ihn bitten, nach Los Angeles wechseln zu dürfen. Glen Sather war bis dahin strikt gegen den Trade, als er aber erfuhr, dass Gretzky in die Verhandlungen eingebunden war, gab er seinen Widerstand auf. Aber er wollte Luc Robitaille als Gegenleistung haben. Das wiederum ließ Los Angeles nicht zu und bot Jimmy Carson.
Am 9. August 1988 wurde der Trade dann rechtsgültig. Heute spricht man in der Eishockey- und Sportwelt nur von „The Trade“. Der Aufschrei in der Öffentlichkeit war enorm, alle Beteiligten wurden schwer kritisiert und Gretzky galt unter vielen Fans als Verräter. Letzten Endes wurde die Schuld sogar seiner Frau zugeschrieben, denn diese soll Ambitionen auf eine Hollywood Karriere gehabt haben.
Dennoch kehrte Gretzky unter Applaus zurück. Sein erstes Gastspiel im Kings Dress wurde in Kanada landesweit im TV übertragen und die Oilers Fans begrüßten ihren Helden vier Minuten lang mit Standing Ovations. 17.503 Fans waren gekommen, die Arena ausverkauft und Gretzky hatte einen weiteren Vereinsrekord ermöglicht: bis heute waren noch nie mehr Fans bei einem Heimspiel der Oilers. Nach dieser Saison wurde vor dem Heimstadion der Oilers eine lebensgroße Bronzestatue von Gretzky, mit dem Stanley Cup in der Hand, enthüllt.
Am 16. Oktober 1989 schrieb Gretzky dann noch einmal Geschichte – und das in seiner Heimat, Edmonton. Er übertrumpfte Gordie Howe als Führenden in der ewigen Punkteliste der NHL. In der letzten Minute der regulären Spielzeit erzielte er den Ausgleich für Los Angeles und in der Verlängerung assistierte er zum Sieg und holte seinen damals 1851. Scorerpunkt. Spätestens dann war Wayne Gretzky wieder der Nationalheld aller Kanadier.
In Teil 2 unserer Serie gibt es die Stimmen der damaligen Beteiligten zum „Trade des Jahrhunderts“