Kaderbewertung: Kann der Meister auch als Gejagter bestehen?

Eine perfekte Saison legten die Black Wings im letzten Jahr hin und krönten ein tolles Jahr mit dem zweiten Meistertitel für die Stahlstadt. Knapp fünf Monate später schickt Erfolgstrainer Rob Daum ein fast unverändertes Team ins Rennen und muss nicht nur hohe Erwartungen tief stapeln. Die Linzer sind die großen Gejagten des Jahres, aber sind sie auch wieder ein Titelaspirant? Es hat einfach alles gepasst für die Stahlstädter in der Saison 2011/12. Kaum Verletzungen, eine Mannschaft die vom ersten Training an hungrig war und an einem Strang zog und dazu noch Titelfavoriten, die allesamt nicht die erwarteten Leistungen brachten – das waren die Grundzutaten für ein Meistersüppchen, das Salz in der Suppe waren dann aber Spieler, die ihr bestes Eishockey zeigten und dazu noch ein Trainer, der nicht zuletzt wegen seines professionellen Auftritts als neuer Guru in der EBEL gilt. 13 neue Spieler mussten die Stahlstädter vor einem Jahr einbauen und wirklich niemand konnte sich vorstellen, dass das so einfach gehen würde. Selbst bei den Oberösterreichern nicht, wie Rob Daum immer wieder bestätigte. Alle warteten auf den Einbruch der Black Wings, der allerdings nie wirklich kam. Vom ersten Spieltag weg beherrschten die Linzer die Liga und führten teilweise haushoch die Tabelle an. Noch vor dem Jahreswechsel waren die Play Offs fixiert, Rang 1 wurde ebenso schnell in der Zwischenrunde abgehakt. Dann allerdings begann man zu schwächeln und beinahe wäre das in der ersten Runde der Play Offs schief gegangen. Gegen die Capitals mühte man sich ins Halbfinale, aber genau diese Erfahrung brauchte das Team, um dann so souverän aufzutreten, wie es das tat. Apropos Team: kaum eine andere Mannschaft wuchs im letzten Jahr so eng zusammen wie die Linzer. Eine verschworene Einheit, die das Umfeld im Verein genoss und wie eine große Familie fast alles gemeinsam unternahm. Daran hat sich auch vor dem Beginn der Spielzeit 2012/13 nichts geändert, denn der Meisterkader wurde nur an drei Positionen verändert. Und das mehr oder weniger gezwungener Maßen, da drei Spieler den Verein verließen. Man glaubt, dass man diese Abgänge sogar qualitativ hochwertiger ersetzt hat – nicht unbedingt beruhigend für die Konkurrenz, die sich schon in der letzten Saison die Zähne an den Oberösterreichern ausgebissen hat. ###Die Ausgangslage Egal was die Stahlstädter in der letzten Saison machten, sie haben fast immer alles richtig gemacht. Brav gepunktet, nie mehr als zwei Spiele in Folge verloren. Dass die Konkurrenz immer wieder Punkte ließ, machte den Grunddurchgang fast zum Spaziergang, die Saison wurde zum Selbstläufer. Und das, ohne dass man in den Statistiken so dominierte, wie in der Tabelle. Statistische Fakten 11/12: Power Play: 22,03% (2.) Penalty Killing 84,73% (4.) Fairplay 15,70 Min/Sp (2.) Shorthander 7 (2.) Scoring Effizienz 10,04% (2.) Goalkeeping 91,88% (3.) Tore geschossen: 147 (1.) Tore erhalten: 104 (3.) Wirklich herausragend war man nur in der Offensive und erzielte die meisten Tore der EBEL. Ansonsten bot man allerdings die kompakteste Leistung und war an allen Ecken und Ende in der Elite der Liga mit dabei. Die Special Teams funktionierten herausragend, die Abwehr stand gut und als Folge daraus konnten auch die Goalies gute Werte produzieren. Alles in allem hatten sich die Linzer im Vergleich zu vor zwei Jahren völlig verändert. Es wurde schnell nach vorne gespielt, schnörkellos, mit Zug zum Tor. Die Handschrift eines neuen Trainers, der inzwischen der anerkannteste Coach der Liga ist. Was sollten die Linzer also für andere Erwartungen haben, als wieder um den Titel mitzuspielen, wenn die EBEL 2012/13 beginnt? Der Kader ist gleich geblieben, die analysierten Schwachstellen wurden entsprechend besetzt und der Coach ist ebenfalls derselbe. Für Rob Daum heißt es vor allem, die Mannschaft wieder hungrig zu machen, denn an dieser Sättigung sind schon andere Mannschaften gescheitert. Außerdem ist nicht davon auszugehen, dass es noch einmal ein Jahr gibt, in dem man fast vollständig von langfristigen Verletzungen verschont blieb. Trifft es hier einen Westlund oder Murphy wird man sich rasch nur noch im Mittelfeld wiederfinden. Und auch die Konkurrenz hat nicht geschlafen, wird sich nicht noch einmal so schwächelnd zeigen. Trotzdem: die Black Wings haben einen Meisterkader, der tief genug besetzt ist und die Qualitäten aufweist, die man braucht, um den Titel zu holen. Alle Zutaten stimmen und somit darf man davon ausgehen, dass man bei der Titelvergabe mehr als nur ein Wörtchen mitreden kann. HF.at Prognose: Platz 1 bis 4 ###Kaderbewertung Black Wings Linz – Torhüter und Abwehr: Torhüter: Abgänge: - Zugänge: - Das Torhütergespann ist die große Achillesferse beim Meister. Alex Westlund hat seinen Leistungszenith schon längst überschritten und ist kein überragender Goalie mehr. Der US Amerikaner braucht eine starke und kompakte Abwehr, die ihm viele Schüsse abnimmt, dann kann er konstant gute Leistungen bringen. Die Fehlgriffe und einfachen Gegentore wurden aber in den letzten Jahren immer mehr und wäre da nicht der Meistertitel dazwischen gekommen, der Vertrag des sympathischen bald 37-Jährigen wäre wohl nicht verlängert worden. Darüber hinaus spielt Westlund einen Großteil der Partien, wirkt dadurch oft überspielt und lässt Backup Lorenz Hirn zu viel zu wenig Eiszeit kommen. Dass dieser durchaus Potential hat, beweist er alljährlich in der Vorbereitungsphase. Heuer hat er sich im Sommer sogar noch intensiver im Training vorbereitet, da er trotz Titelgewinns von einem „schlechten Jahr“ für sich spricht, wenn es um 2011/12 geht. Er will mehr spielen und er wird das auch in dieser Saison. Mit seinen 22 Jahren ist es an der Zeit, dass er mehr Einsätze fordert, denn anders wird er sich nicht weiter entwickeln können. Ein Rene Swette beim KAC hat mit diesem Alter zum Beispiel mehr als 30 Spiele gemacht und dadurch wertvolle Erfahrungen geschöpft. Dass Westlund die Nummer 1 ist, das ist unumstritten. Ein „Game Saving Goalie“ ist er allerdings nur noch ganz selten. Im Vorjahr ist das nicht so aufgefallen, da sonst alles perfekt funktioniert hat und die Offensive Fehler hinten immer wieder ausbessern konnte. Bewertung: 3 von 5 Punkten Abwehr: Abgänge: Adrian Veideman, Jan-Axel Alavaara Zugänge: Marc-Andre Dorion, Andy Hedlund, Bernhard Fechtig Meisterhaft agierte die Abwehr der Black Wings in der letzten Saison. Kein Wunder, wenn man mit Curtis Murphy den alles überragenden Spieler in seinen Reihen hatte. Der Mann wird im Dezember 37 Jahre alt, ist ein Muster an Beständigkeit und Routine und strahlt unglaubliche Torgefahr aus. Die Fehler des Kanadiers, die er in der letzten Saison gemacht hat, kann man wohl an einer Hand abzählen und fast 60 Scorerpunkte unterstreichen die Leistung ganz deutlich. Den Abgang von Linienkollegen Adrian Veideman hat man in Linz mit Andy Hedlund kompensiert. Der Amerikaner gilt als harter Schütze und guter Offensivspieler, der zudem auch physisch einiges in die Waagschale werfen kann. Genau dieses körperliche Element hat oftmals gefehlt und jetzt hat man auch in Linz einen Mann in den eigenen Reihen, der mal zulangen kann. Marc-Andre Dorion heißt der zweite Neue in der Abwehr und kommt direkt von der Uni. Er erinnert in seinem Spielstil etwas an den unverwüstlichen Franlin MacDonald, der noch immer kein einziges Match für die Black Wings verpasst hat (und das in drei Jahren). Einen Riesenschritt nach vorne gemacht hat Daniel Mitterdorfer, der voriges Jahr aus Salzburg kam. Der 23-Jährige hat sich nicht nur zum Stammspieler gemausert, sondern wird vermutlich sogar in der ersten Linie spielen. Einen kompakten und unter Daum bedeutend fehlerfreieren Part kann auch Robert Lukas spielen, neben ihm stehen mit Michael Mayr, Fabian Scholz und dem überaus talentierten Bernhard Fechtig drei weitere Österreicher im Team, die diese Abwehr zu einer der tiefsten besetzten der gesamten Liga macht. Diese Defensive ist für EBEL Verhältnisse ein Maßstab: steht gut hinten, perfekt in Unterzahl und im Umschalten in den Angriff und darüber hinaus auch noch über mindestens zwei Linien hinweg auch noch extrem torgefährlich. Bewertung: 4,5 von 5 Punkten ###Kaderbewertung Black Wings– Angriff und Trainer: Angriff: Abgänge: Justin Keller, David Rassl. Zugänge: Brett Engelhardt, Kevin Macierzynski. Was soll man über die beste Offensive der letzten Saison groß sagen? Die ersten beiden Reihen sind „Scoringmaschinen“, die nur ganz schwer zu stoppen sind. Fällt eine Linie einmal aus, ist die nächste da und ebenso gefährlich. Das Trio Ouellette, Leahy und Baumgartner kennt sich blind, hat allerdings letztes Jahr nach tollem Start zwischenzeitlich eine Pause eingelegt. Reihe 2 musste nach dem Abgang von Justin Keller verändert werden, aber auch Brett Engelhardt eilt der Ruf eines Torjägers voraus, der zudem seinen Körper einzusetzen weiß. Das wiederum wird Filigrantechniker Hisey helfen und Arbeitstier Irmen etwas freispielen. Dennoch müssen die 29 Volltreffer eines Keller erst einmal ersetzt werden. Das muss zum Teil die in der letzten Saison etwas flügellahme dritte Linie erledigen. Daniel Oberkofler ist zwar bemüht, hat aber den nächsten Schritt in der Entwicklung nicht gemacht, Martin Grabher-Meier ist ein guter Techniker, der aber starke Nebenleute braucht. Neu dürfte in dieser Linie Brian Lebler sein, ein Mann mit Physis und sehr viel Zug zum Tor. Der junge Stürmer kann in allen Reihen eingesetzt werden und verfügt über einen starken Schuss. Reihe 4 hat, angeführt von Philipp Lukas, die Aufgabe, das Ergebnis zu halten. Martin Mairitsch wurde hier zurück beordert, da er letzte Saison enttäuschte. Er wird um seinen Platz hart kämpfen müssen, denn neben Patrick Spannring, der den Sprung in den Kader schon geschafft hat, drängen von hinten der überaus talentierte Kevin Macierzynski, Marcel Wolf, Ralph Nachbaur und Mike Lebler nach. Vor allem Macierzynski hat in der Pre-Season überzeugt und wird neben der EBYSL einiges an Eiszeit erhalten. Auch wenn die Torgefahr nach hinten zu abnimmt, der Angriff des Meisters ist stark besetzt und hat eine Dichte an Torjägern, die man wo anders vergeblich sucht. Nicht weniger als 9 Stürmer erzielten letzte Saison mehr als 10 Treffer, 14 von 16 Angreifern holten mindestens einen Scorerpunkt. Und nicht nur das, auch die Defensivarbeit hat man mit nie müden Hacklern wie Irmen, Ouellette, Leahy und Philipp Lukas nicht aus den Augen gelassen. Ein großes „Aber“ gibt es trotzdem, denn alle Akteure hatten eine sensationelle letzte Saison, die muss erst einmal bestätigt werden. Bewertung: 5 von 5 Punkten Trainer: Abgang: - Zugang: - Rob Daum, was wurde über diesen Mann in den letzten Monaten nicht alles geschrieben, berichtet und gejubelt. Der Kanadier kam mit gemischten Gefühlen zu seinem ersten Europaengagement und er brachte völlig neuen Wind nach Linz. Noch nie wurde bei den Black Wings so perfekt und professionell gearbeitet. Jedes Training gestaltet Daum anders, das Umfeld wird darauf eingeschworen, was es zu machen hat, selbst die Essenszeiten nach den Spielen sind akribisch genau festgelegt. Daum war selbst überrascht, wie gut alles lief in der letzten Saison und er weiß auch ganz genau, wie schwer es wird, das zu wiederholen. Er selbst stapelt tief und will noch nichts von der Titelverteidigung wissen. Zuerst muss die Mannschaft sich wieder jeden Tag überwinden, die Basis für ein gutes Jahr schaffen. Dann sieht man weiter. Trotz allen Erfolgs gibt es ein paar Punkte, die man ihm anlasten kann: dass Alex Westlund wieder viel zu viel spielte und dass er die jungen Österreicher noch immer zu wenig einsetzt. Das könnte sich im zweiten Jahr und nach dem Erfolg im Premierenjahr durchaus ändern, denn jeder weiß, was Daum kann. Eines allerdings gibt der Coach auch zu: noch hat er mit seiner Mannschaft keine richtige Krise überstehen müssen und es wird interessant sein, wie die Black Wings solche Situationen durchtauchen. Eines ist aber klar: Daum hat gemeinsam mit Manager Perthaler das Team perfekt zusammen gestellt, dabei wurde nicht auf Namen oder Statistiken geachtet, sondern auf Charakter und welche Spielertypen man brauchte. Hughes, Ryan und Co. wurden auch in Linz angeboten, aber Daum winkte ab. Er will Akteure, die auch die Drecksarbeit nach hinten machen. Und in Sachen Taktik macht dem erfahrenen Fuchs so schnell keiner was vor. Der KAC kann ein Lied davon singen, denn im Finale erwarteten alle offensiv ausgerichtete Linzer, doch was die dann in der Defensive gezeigt haben, war genau das, was eine ganze Saison in jedem Training für den Ernstfall geübt wurde. Doch auch dieser Überraschungseffekt ist weg, denn jetzt weiß jeder Gegner, wie die Linzer spielen. Professionell, ruhig, besonnen und perfekt vorbereitet auf jedes Spiel: das erwartet der Linzer Coach nicht nur von den Spielern, sondern auch von sich selbst. Man darf davon ausgehen, dass er auch in der neuen Saison den ein oder anderen Schachzug auf Lager hat. Bewertung: 5 von 5 Punkten Gesamtwertung: 17,5 von 20 Punkten ###Die Endwertung in der HF.at Kaderbewertung: 1. Black Wings Linz 17,5 Punkte 2. Vienna Capitals 17 Punkte 3. Medvescak Zagreb 16,5 Punkte 4. KAC 15,5 Punkte 4. Red Bull Salzburg 15,5 Punkte 6. EC VSV 13,5 Punkte 7. Fehervar AV19 11,5 Punkte 7. Graz 99ers 11,5 Punkte 9. Olimpija Ljubljana 11,0 Punkte 10. Orli Znojmo 9,5 Punkte 11. Dornbirner EC 9 Punkte 12. HC TWK Innsbruck 8,5 Punkte