Kaderbewertung: Können Capitals ihrer Favoritenrolle gerecht werden?
-
marksoft -
4. September 2012 um 05:30 -
15.878 Mal gelesen -
0 Kommentare
Die Saison 2011/12 wollen die Vienna Capitals am liebsten so schnell wie nur möglich vergessen lassen. Nach einem verkorksten Jahr, in dem man hinter allen Erwartungen zurück geblieben ist, nimmt man in Wien erneut Anlauf auf den Titel. Mit einer runderneuerten Mannschaft und dem selben Ziel: Finale! Ob das heuer funktioniert, versucht HF.at mit seiner Kaderbewertung herauszufinden.
Mit einem klaren Ziel sind die Vienna Capitals vor einem Jahr in die Meisterschaft gestartet. Nach dem erfolgreichen Ausbau der Eishalle in Kagran sollte der EBEL Titel als Krönung her. Doch die Liga ist kein Wunschkonzert und die Hauptstädter erwischten ein pechschwarzes Jahr. Viele schlechte Kaderentscheidungen, dazu noch die fast schon traditionelle Verletzungsserie und Leistungsträger, die nicht zu ihrer Form fanden – das waren die Inhaltsstoffe für ein Jahr zum Vergessen.
Auch wenn die Capitals den Großteil der letzten Saison die Nerven ihrer Fans über Gebühr strapazierten, beinahe wäre ihnen noch ein versöhnlicher Abschluss gelungen. In der Qualirunde setzte man sich doch durch und stieß gerade noch ins Viertelfinale vor. Dort war man für den späteren Meister aus Linz die größte Herausforderung und zwang die Oberösterreicher bis in ein Entscheidungsspiel. Bezeichnend, dass gerade in diesem wichtigsten Match des Jahres gar nichts gelang und man dann doch sang und klanglos aus dem Bewerb flog.
Nach sechs Halbfinalteilnahmen in Serie kam das Aus für die Hauptstädter so früh, wie seit dem Jahr 2004 nicht mehr. Damals verpasste man sogar die Play Offs, baute danach die Mannschaft aber um und holte ein Jahr später den Titel. Ein gutes Omen für das Team von Tommy Samuelsson?
Zumindest die ersten Auftritte in der European Trophy lassen einiges von diesem Team erwarten. Wie schon im Vorjahr zählen die Hauptstädter zu den großen Titelaspiranten, haben aber vor dem allerersten EBEL Bully schon wieder mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Hier kommt den Capitals heuer aber die verlängerte Try Out Phase in der EBEL zu gute, die auch auf Bestreben der Wiener eingeführt wurde. Zu präsent waren noch die Erinnerungen an die schwachen Auftritte so manches Legionärs aus der Vorjahresmannschaft.
###Die Ausgangslage
Das Team aus dem Vorjahr konnte in keinem Bereich echte Spitzenleistungen bringen. Daher holten sich die Wiener mit Bernd Freimüller, einem ehemaligen NHL Scout auch professionelle Hilfe. Mit seiner Unterstützung wurden die Schwachstellen ausgemacht und mit entsprechenden Spielern besetzt. Dass man dabei auf bekannte Größen aus der Liga zurück griff liegt auch daran, dass man die Fehler der letzten Saison nicht noch einmal wiederholen wollte und Spieler in den Kader holte, deren Fähigkeiten man kennt.
Statistische Fakten 11/12:
Power Play: 18,32% (9.)
Penalty Killing 76,86% (9.)
Fairplay 20,47 Min/Sp (8.)
Shorthander 6 (7.)
Scoring Effizienz 8,61% (6.)
Goalkeeping 89,72% (11.)
Tore geschossen: 120 (7.)
Tore erhalten: 136 (9.)
Es passte einfach nicht im letzten Jahr bei den Vienna Capitals. Die Abwehr war instabil, die Goalies auch dank einer langen Verletzung von Reinhard Divis die statistisch gesehen schwächsten der Liga. Und auch vorne lief es nicht wie gewohnt. Rafael Rotter verletzte sich früh, Francois Fortier war nur ein Schatten seiner selbst und Benoit Gratton rieb sich in den teaminternen Grabenkämpfen auf. Darüber hinaus fehlte auch noch die Kadertiefe und Trainer Tommy Samuelsson konnte sich noch so vor sein Team stellen: es war offensichtlich, dass hier die Chemie nicht stimmte.
Aber die Vienna Capitals haben die Lehren gezogen und reagiert. Zuallererst wurde die Abwehr deutlich stabilisiert und darauf geachtet, zwei starke Goalies an Board zu haben. Im Angriff verstärkten sich die Hauptstädter ebenfalls gezielt und wirken somit etwas besser aufgestellt als noch vor einem Jahr. Ausreden darf man sich aber keine mehr leisten, denn jetzt muss der in Skandinavien so erfolgreiche Tommy Samuelsson zeigen, dass er auch hierzulande eine Meistermannschaft formen kann. Zumindest eines scheint zu passen: das Menschliche im Team. Schwierige Charaktere hat man keine geholt, die Chemie stimmt und somit kann sich die Mannschaft auf das Wesentliche konzentrieren: Eishockeyspielen. Die Wiener haben alles, was man braucht, um Meister zu werden. Ein starkes Torhütergespann, eine kompakte Defensive und eine tiefer besetzte Offensive, als noch vor einem Jahr. Wenn jetzt auch noch der Verletzungsteufel die Autobahnabfahrt nach Kagran nicht mehr findet, dann sind die Hauptstädter einer der ganz großen Favoriten auf den Titel.
HF.at Prognose: Platz 1 bis 4
###Kaderbewertung Vienna Capitals – Torhüter und Abwehr:
Torhüter:
Abgänge: Reinhard Divis, Sebastian Stefaniszin
Zugänge: Fabian Weinhandl, Matt Zaba
Die Probleme bei den Vienna Capitals begannen im Vorjahr zwar in der Kabine, doch auch bei den Torhütern bewies man kein glückliches Händchen. Reinhard Divis kam nie an seine früheren Leistungen heran und verletzte sich schließlich auch noch so, dass er längerfristig ausfiel. Mit Sebastian Stefaniszin hatte man zwar einen guten Backup, für den die Rolle der Nummer 1 aber zu früh kam und der damit auch überfordert war. Am Ende hatten die Hauptstädter das schlechteste Goalkeeping der Liga, weshalb man hier auch ansetzte, als das neue Team geplant wurde. Mit Fabian Weinhandl hat man einen der besten österreichischen Torhüter aus Graz losgeeist und in die Hauptstadt geholt. Der 25-Jährige spielte in den letzten Jahren konstant mit Fangquoten von um die 91% und kann mit etwas mehr Entlastung sicher mehr als diese Werte aufs Eis bringen. Daher gibt es mit Matt Zaba einen zweiten Mann, der bereits vor zwei Jahren von den Black Wings aus Linz beobachtet wurde. In Italien wurde Zaba nicht nur Meister, sondern war in den letzten Jahren auch der beste Torhüter der Serie A. Mit seinen 29 Jahren nähert sich der Kanadier dem besten Torhüteralter und sollte daher die Position der Nummer 1 auch in der EBEL ausfüllen können. In der European Trophy wurde er allerdings von Weinhandl überflügelt, weshalb es wohl keine echte Nummer 1 in Wien geben wird. Ein Luxusproblem, das man sonst nur aus Zagreb kennt und daher haben die Hauptstädter gemeinsam mit den Kroaten das beste Goaliegespann der Liga.
Bewertung: 4,5 von 5 Punkten
Abwehr:
Abgänge: Martin Oraze, Jon Insana, Peter Casparsson.
Zugänge: Jamie Fraser, Sven Klimbacher, Adrian Veideman,
Die Vienna Capitals hatten in der letzten Saison einige Schwierigkeiten, auch in der Abwehr. Vor allem das Spiel nach vorne bereitete Probleme, es gab keine echten Aufbauspieler, welche die Scheibe in Ruhe nach vorne bringen konnten. Darüber hinaus war man zu langsam und konnte das System von Tommy Samuelsson nicht umsetzen. Also wurde auch in diesem Bereich reagiert und man holte neue Spieler. Mit Jon Insana und dem schon frühzeitig geschassten Ross Lupaschuk (ging während der Saison) wurden zwei enttäuschende Imports vor die Tür gesetzt. Dafür kommt mit Adrian Veideman ein Mann, der in Linz gezeigt hat, dass er sowohl offensiv, wie auch defensiv seinen Mann stehen kann. Bei den Capitals wird er aber beweisen müssen, ob seine Leistungen tatsächlich seinen Fähigkeiten entsprechen, oder ob er bei den Black Wings vom besten Verteidiger der Liga, Curtis Murphy, profitiert hat. Jamie Fraser hat in Ljubljana eine kompakte, aber nicht unbedingt überragende Saison absolviert, sollte aber einen guten Verteidigerpart spielen können. Das weiß man auch von Sven Klimbacher, der in einer schwachen Grazer Hintermannschaft noch der beste Verteidiger war und bei den Capitals einen Martin Oraze ohne Probleme vergessen lassen sollte. Darüber hinaus hat man mit Dan Bjornlie noch den Anführer in der Defensive und mit Andre Lakos einen gestandenen Verteidiger, dessen Fähigkeiten aber seit Jahren überschätzt werden. Er ist aber ein Führungsspieler, der wenn der Druck gleichmäßig verteilt ist, ein echter Leistungsträger sein kann. Bemerkenswert ist auch die Entwicklung von Bruder Philippe, der zwar noch immer viele Strafen nimmt, aber insgesamt ruhiger und sicherer geworden ist. Drei Verteidigerpärchen hat man mit diesen Cracks schon einmal sehr gut besetzt, dahinter warten mit Patrick Peter und Peter Schweda noch zwei junge Wiener, die durchaus das Potential haben, die Abwehr so zu erweitern, dass man mit vier Linien agieren könnte. Und sollte einmal Not am Mann sein, hat man auch noch Markus Schlacher, der im letzten Jahr in Salzburg überhaupt Verteidiger spielte, in Wien aber als Stürmer eingeplant ist. Es fehlt vielleicht der richtig große Scorer aus der Defensive heraus, aber insgesamt sind die Vienna Capitals sehr kompakt in der Abwehr aufgestellt und brauchen sich hier vor keinem Team der Liga zu verstecken.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
###Kaderbewertung Vienna Capitals – Angriff und Trainer:
Angriff:
Abgänge: Daniel Nageler, Taylor Holst, Marcel Rodman, Pat Kavanagh, Nathan Robinson, Christian Dolezal, Filip Gunnarsson.
Zugänge: Tony Romano, Zdenek Blatny, Michael Schiechl, Markus Schlacher, Josh Soares, Daniel Woger, Marcus Olsson (Try Out)
Es ist seit Jahren so, dass das Spiel der Vienna Capitals mit der Leistung ihrer ersten Linie steht und fällt. Das Trio Rotter, Fortier, Gratton kann einer ganzen Liga das Fürchten lehren, doch im letzten Jahr war das meistens nicht der Fall. Rafael Rotter hat inzwischen den Ruf des am häufigsten verletzten Spielers der EBEL, Francois Fortier sucht verzweifelt seinen Torriecher und Benoit Gratton bemüht sich, ist aber ohne seine Linienkollegen nur die Hälfte wert. Das könnte sich allerdings heuer ändern, denn Fortier geht in das letzte Jahr seines Vertrages und wird sich den Allerwertesten aufreißen, um die Capitals dazu zu bewegen, ihre Option zu ziehen. Rafael Rotter ist zwar aktuell leicht angeschlagen, wird aber sicher mehr spielen als letztes Jahr. Er dürfte zwar nach einem Jahr Pause ein wenig brauchen, um in Bestform zu kommen, aber die erste Linie ist damit sicherlich wieder brandgefährlich. Dahinter hat man mit Jonathan Ferland einen echten Torjäger für die zweite Linie gefunden, der mit Soares und Blatny zwei hart arbeitende Kollegen zur Seite hat. Soares ist der Mann für die hochgekrempelten Hemdsärmeln, Blatny hat in Graz gezeigt, dass er ein guter Scorer ist. Damit ist auch die zweite Linie gut besetzt, dahinter wird es dann allerdings schon etwas schwieriger, weshalb die Wiener erst gestern mit Tony Romano einen neuen Stürmer holten. Dieser hat in der AHL anständig gescort und könnte die dritte Linie anführen. Ebenfalls noch im Kader ist mit Marcus Olsson ein junger und sehr kompakter Allrounder. Michael Schiechl und Markus Schlacher sind zwei Österreicher, die sich um einen Platz in dieser dritten Linie mit einigen anderen rot-weiß-roten Cracks streiten. Mario Fischer ist ein Riesentalent, das aber heuer einen große Schritt nach vorne machen muss. Philipp Pinter hingegen ist ein Stürmer, den man in jeder Linie einsetzen kann und der für um die 10 Tore und 20 Punkte pro Saison gut ist. Darüber hinaus hätte man mit dem derzeit noch etwas angeschlagenen Daniel Woger und Mario Seidl zwei weitere Talente im Kader, die in der vierten Linie für Unruhe sorgen können. Der Kader verliert nach hinten hin zwar an Scoringqualitäten, doch wenn die ersten beiden Reihen ihr Potential ausschöpfen und von Verletzungen verschont bleiben, dann ist diese Offensive dazu fähig, einen Titelaspiranten zu führen.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Trainer:
Abgang: -
Zugang: -
Tommy Samuelsson ist nicht nur ein Trainer, er ist ein Fachmann und eine echte Koryphäe. Im vergangenen Jahr durfte er bei der Kaderzusammenstellung zu wenig mitreden, wenngleich das offiziell nie zugegeben wurde. Der Schwede musste mit einem Kader zurecht kommen, der nur nach Statistiken zusammen gestellt wurde. Heuer ist das anders, denn man hat nicht nur einen externen Experten engagiert (Freimüller), sondern auch ganz besonders darauf geachtet, dass Spieler geholt wurden, die man kennt, die zum Team passen und die in der letzten Saison offenbarten Schwächen ausbessern. Jetzt muss diese Mannschaft nur noch das Spielsystem des Schweden verinnerlichen. In der European Trophy hat das schon sehr gut geklappt und man konnte sehen, in welche Richtung es geht: starke Defensive, kompaktes Penalty Killing. Das alles mutet schon sehr schwedisch an, vor allem, da man das Hauptaugenmerk auf die Abwehr gelegt hat. Nur 14 Gegentore in 6 Spielen gegen mehr als nur starke Gegner sprechen eine deutliche Sprache, die 16 erzielten Treffer allerdings auch. Doch die Gegner in der EBEL sind andere, die Abwehrreihen bedeutend schwächer als jene der European Trophy Genger aus Schweden, Finnland oder der Slowakei. Dennoch: Samuelsson ist ein alter Trainerfuchs, er kennt inzwischen die Liga und auch die Stärken der anderen Teams. Darüber hinaus sollten die Probleme in der Kabine der Vergangenheit angehören, was dem Schweden die Arbeit sehr erleichtern wird. Nach der verkorksten letzten Saison sind auch die Erwartungen von Fans und Medien nicht mehr ganz so hochgesteckt wie noch vor einem Jahr. Der Druck ist zwar da, aber recht viel schlechter als 2011/12 kann es nicht werden. Selbst wenn man nicht, wie vom Präsidenten gefordert, ins Finale vorstößt.
Bewertung: 4,5 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 17 von 20 Punkten
###Die Zwischenwertung in der HF.at Kaderbewertung:
1. Vienna Capitals 17 Punkte
2. Medvescak Zagreb 16,5 Punkte
3. EC VSV 13,5 Punkte
4. Fehervar AV19 11,5 Punkte
4. Graz 99ers 11,5 Punkte
6. Olimpija Ljubljana 11,0 Punkte
7. Orli Znojmo 9,5 Punkte
8. Dornbirner EC 9 Punkte
9. HC TWK Innsbruck 8,5 Punkte
Morgen geht es weiter mit Teil 10 in unserer Serie mit Red Bull Salzburg.