Kaderbewertung: Ist Zagreb reif für den Titel?
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marksoft -
3. September 2012 um 05:35 -
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Zwei Mal Halbfinale, ein Mal Viertelfinale – seit Medvescak Zagreb in die EBEL eingestiegen ist haben sich die Kroaten konsequent an der Spitze der Liga festgesetzt. Die Bären sind nicht nur sportlich eine Bereicherung für die Erste Bank Eishockey Liga, keine andere Mannschaft kann mit derart spektakulären Ideen punkten wie die Kroaten. Die Entwicklung stimmt, die Fans kommen in Massen, aber ist das Team reif dafür, der erste EBEL Champion außerhalb Österreichs zu werden?
Medvescak Zagreb hat in der Saison 2009/10 die Erste Bank Eishockey Liga „betreten“ und ist seither noch in jedem Jahr in den Play Offs gestanden. Kein Wunder, werden jetzt die Kritiker sagen, denn die Bären werden seit ihrem Eintritt auch heftig für die Personalpolitik kritisiert. In Kärnten gibt es Stimmen, die nennen das Team aus Kroatien „AHL Auswahl“. Populistisch und nicht fair für einen Verein, der nicht nur das Reglement ausnützt (was wohl jeder tun würde), sondern der Liga einen Schub gegeben hat. Über 255.000 Zuschauer besuchten alleine die Heimspiele Zagrebs, was aus den Bären die absolute Nummer 1 in der Zuschauergunst der Liga macht. Die beiden dahinter platzierten Teams in der Zuschauerwertung (KAC und Vienna Capitals) können gemeinsam ungefähr gleich viele Fans anziehen.
Beeindruckend. Vor allem was abseits des Eises geschieht ist einzigartig in Europa. Die Arena Games mit weit über 15.000 Zuschauern sind Gold wert für die EBEL, die damit in den Mittelpunkt der Berichterstattung – und das weltweit – rückt. Und in zwei Wochen wird die Welt wieder nach Kroatien schauen: die Bären bitten wieder zu Arena Spielen. Dieses Mal allerdings „echten“, denn in der Arena von Pula finden im Sommer und nur wenige Meter neben dem Mittelmeer zwei Freiluftspiele statt. Unglaublich und ein erneut großartige Werbung für die EBEL. Kein Wunder, dass auch die KHL ihre Netze nach den Bären ausgeworfen hat.
Rein sportlich hat Medvescak in der letzten Saison einen großen Schritt nach vorne gemacht. Die Bären waren nicht nur nach dem Grunddurchgang, sondern auch nach der Zwischenrunde die Nummer 2 hinter Linz und spazierten problemlos ins Halbfinale. Dass man dort dann gegen den späteren Vizemeister aus Klagenfurt keine Chance hatte lag einerseits an der Disziplin und andererseits an der einen oder anderen Personalie, die nicht mehr zu Höchstleistungen fähig war.
###Die Ausgangslage
Keine Frage, Zagreb stellte in der letzten Saison eine Spitzenmannschaft. Getragen vom besten Power Play der Liga und einer unglaublich kompakten Abwehr setzte sich das Bärenteam völlig verdient an die Nummer 2 Position hinter den Black Wings.
Statistische Fakten 11/12:
Power Play: 23,48% (1.)
Penalty Killing 81,27% (6.)
Fairplay 24,2 Min/Sp (11.)
Shorthander 17 (1.)
Scoring Effizienz 9,36% (4.)
Goalkeeping 91,24% (6.)
Tore geschossen: 135 (3.)
Tore erhalten: 99 (1.)
Es gibt kaum eine Mannschaft, die derart gefährlich ist, wie Zagreb. Ein gutes Torhüterduo hinter der besten Abwehr der gesamten EBEL war die Basis für ein tolles Jahr. Dazu noch ein sensationelles Power Play und ein brandgefährliches Unterzahlspiel, das mit 17 Shorthandern die Konkurrenz um Welten abhängte – das waren die Ingredienzen für eine Saison, die man nur schwer überbieten wird können. Auffällig ist dabei auch, dass die Kroaten trotz der berüchtigten Heimstimmung gleich viele Punkte zu Hause, wie auf fremdem Eis gesammelt haben. Das war nicht immer so, denn die Jahre zuvor galten die Bären als Heimmacht, die in der Fremde allerdings viel liegen lässt. Das hat sich geändert. Nicht geändert hat sich jedoch das harte Spiel, in dem man auch viele Strafen riskiert. Die Kroaten sind das meistbestrafte Team der EBEL, was sich mit Fortdauer der Play Offs auch negativ auf den Erfolg auswirkte.
Auch für die Saison 2012/13 darf man die Bären ohne große Skrupel zum erweiterten Kreis der Meisterschaftsfavoriten zählen. Die beste Defensivabteilung der Liga wurde praktisch nicht verändert und auf die Abgänge im Sturm haben die Bären entsprechend reagiert. Dabei haben die Verantwortlichen auch ihre Aufgaben gemacht und die Kadertiefe bedeutend verbessert. Wie jedes Jahr zählen die Kroaten somit zu den Titelkandidaten, wobei aber kein Experte so weit gehen wird, das Team von Trainer Marty Raymond ganz vorne zu sehen. Das hat vermutlich auch etwas mit der Überheblichkeit der „großen“ rot-weiß-roten Teams in der Liga zu tun. Dennoch ist der Kader stark genug, um heuer zum großen Wurf auszuholen. Wenn es der Coach schafft, eine verschworene Einheit zu formen und das Team endlich von der nicht immer feinen Spielweise Abstand zu nehmen und sich somit von den Strafbänken fern zu halten, dann ist für dieses Team alles drin. Sogar der Titel.
HF.at Prognose: Platz 1 bis 5
###Kaderbewertung Medvescak Zagreb – Torhüter und Abwehr:
Torhüter:
Abgänge: -
Zugänge: -
Robert Kristan und Michael Ouzas – diese beiden Spieler bilden auch heuer wieder das Torhüterduo bei den Bären. Die Kroaten befinden sich mit diesen Topleuten in einer beneidenswerten Lage: zwei gleichstarke Goalies, die sich abwechseln können, ohne dass es einen Qualitätsnachteil gäbe. Beide Torhüter brachten es im Grunddurchgang auf weit über 92% Fangquote, erst in den Play Offs ließ die Performance dann nach, was mit ein Grund war, dass im Halbfinale das Saisonende kam. Robert Kristan nähert sich mit seinen 29 Jahren dem besten Tormannalter und spielt seit Jahren auf konstant hohem Niveau. Der slowenische Nationalteamspieler hatte in der Spielzeit 11/12 den besten Gegentorschnitt der Liga aufzuweisen, was beweist, wie schwer er zu überwinden ist. Seine 5 Shutouts können nur von Meistergoalie Alex Westlund egalisiert und Bernhard Starkbaums 6 übertrumpft werden, wobei in diesem Zusammenhang auch sehr viel Verdienst bei der Defensive liegt. Michael Ouzas ist zwar nominell die Nummer 2, bekommt aber fast annähernd so viel Eiszeit wie Kristan und konnte den Slowenen statistisch gesehen sogar überflügeln. Den Kroaten steht somit das vermutlich beste und ausgeglichenste Torhütergespann der gesamten Liga zur Verfügung, dem derzeit wohl nur die Vienna Capitals etwas entgegen zu setzen haben.
Bewertung: 4,5 von 5 Punkten
Abwehr:
Abgänge: Sasha Pokulok.
Zugänge: Dennis Bozic, Domen Vedlin, Eddie Del Grosso
Die oben erwähnte Torhüterstärke hat sehr viel mit der Abwehrleistung aus der letzten Saison zu tun. Im Grunddurchgang ließen die Bären nur 99 Gegentore zu und blieben damit als einzige Mannschaft der EBEL unter der 100er Marke. Darüber hinaus versteht es die Defensivabteilung der Kroaten, Torschüsse zu verhindern und die gegnerischen Stürmer weit vom Gehäuse Kristans bzw. Ouzas zum Abschluss zu zwingen. Es gab also ganz wenig Grund, etwas an Abwehr zu verändern. Lediglich Sasha Pokulok musste ersetzt werden, was allerdings mit dem Duo Bozic/Del Grosso gelungen sein dürfte. Bozic kommt aus Skandinavien und ist mit seinen 22 Jahren eine Investition in die Zukunft. Ein schneller Verteidiger mit einem guten Schuss, dem auch die Fähigkeit nachgesagt wird, ein Spiel von hinten aufzubauen. Ein Torjäger von hinten ist auch Eddie Del Grosso nicht, der US Amerikaner muss sich auch erst im Try Out beweisen. Mit Domen Vedlin kommt schließlich auch noch viel Erfahrung in die Hintermannschaft, denn der 25-Jährige hat schon mehr als 100 Partien in der EBEL in den Beinen. Ansonsten darf man sich in Zagreb weiter auf die Tore und Punkte des besten Scorers in der Abwehr, Andy Sertich, freuen. Auch Alan Letang, Sasa Martinovic, Kenny MacAuley und Geoff Waugh bleiben bei den Bären. Schlechter ist diese Hintermannschaft nicht geworden, so viel steht fest. In der letzten Saison war sie die beste Abwehr der Liga, die allerdings ein Problem gegen technisch versierte und schnelle Stürmer hatte. Daran hat man ein wenig gearbeitet und jüngere, kleinere und somit auch schnellere Defender geholt. Einziges Manko bei dieser Defensive: die im Vergleich zur direkten Konkurrenz nicht in breitem Ausmaß vorhandene Torgefahr.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
###Kaderbewertung Medvescak Zagreb – Angriff und Trainer:
Angriff:
Abgänge: Greg Day, Joel Prpic, Ryan Kinasewich, Frank Banham, Matt Siddall, Vyacheslav Trukhno, Dominik Kanaet
Zugänge: Alex Leavitt, Nathan Perkovich, Curtis Fraser, Adam Miller, Anthony Yelovich, Liam Huculak, Brandon Buck, Felix Petit, Andrej Hebar.
Im Angriff haben die Bären einen ganz wichtigen Abgang zu vermelden: Ryan Kinasewich war in den beiden letzten Jahren immer der beste Toräjger im Team und ein Garant für mehr als 50 Scorerpunkte. Diesen Mann muss man erst einmal ersetzen. Greg Day hat die Mannschaft verlassen dürfen, er konnte zwar auch fast 50 Punkte sammeln, so ganz zufrieden war man mit dem Neo-Grazer allerdings nicht mehr. Physisch hat die ohnehin sehr präsente Offensive der Kroaten auch einen wichtigen Abgang zu vermelden. Der um keine Auseinandersetzung verlegene Center Joel Prpic hat seine Karriere beendet. Seine Punkte gilt es ebenso zu übersetzen, wie jene eines Trukhno, Banham oder in geringerem Ausmaß Siddal. Doch auch hier haben die Bären klug agiert und den Sturm nicht nur quantitativ verbessert. Alex Leavitt könnte die Fußstapfen von Kinasewich durchaus ausfüllen, mit Nathan Perkovich ist ein weiterer guter Scorer zum Team gestoßen. Ansonsten hat man bei den Neuzugängen vor allem darauf geachtet, dass sie schnelleres Eishockey spielen können und jünger sind, als die Abgänge. Dass die Mischung aus erfahrenen Spielern und jungen, heißen Cracks weiterhin stimmt, ist auch dem Verbleib von Fixgrößen wie Tom Zanoski oder Adam Naglich geschuldet. Die Offensivabteilung wirkt auf jeden Fall deutlich tiefer besetzt und damit schwieriger auszurechnen als noch im vergangenen Jahr. Jetzt gilt es, die vielen Neuen einzubauen und die richtigen Linien zu finden. Mit nur zwei bis drei Sturmformationen, wie in den letzten Jahren, wird es für eine noch bessere Performance als im Vorjahr nicht reichen. Die Spieler für zumindest drei richtig gute Angriffsreihen sind vorhanden und die Bären-Fans werden wohl auch heuer wieder sehr oft „Zig Zag Medvescak“ nach Toren der Kroaten rufen dürfen.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Trainer:
Abgang: -
Zugang: -
Mary Raymond bleibt auch in der neuen Saison der Mann, der die Fäden in Zagreb in den Händen hält. Der Kanadier weiß als ehemaliger Stürmer durchaus, worauf es ankommt, um eine gefährliche Mannschaft zu formen. In der kroatischen Hauptstadt hat er die volle Macht der Medien und Fans nach dem grandiosen letzten Jahr hinter sich, doch das kann auch schnell umschlagen. Die Erwartungen sind heuer ohne Frage höher, als noch vor einem Jahr und alles erhofft sich zumindest die erste Finalteilnahme der Bären. Der Druck wächst also, der Kader wurde breiter und tiefer besetzt und ist ohne Frage gut genug, um um den Titel mitzuspielen. Jetzt gilt es für Raymond noch eine große Schwäche seines Teams auszumerzen: die Disziplin. Ab und an gehen dann doch die Nerven durch und man sitzt einfach zu häufig auf der Strafbank. Das kostet nicht nur Kraft, sondern kann, wie im Vorjahr im Halbfinale, sogar ganze Serien entscheiden. Raymond weiß, was von ihm erwartet wird und hat schon unmittelbar nach dem Halbfinalaus im März unmissverständlich gesagt, dass er wiederkommen wird, aber nicht, um den zweiten oder dritten Platz zu holen, sondern um Meister zu werden. Die Mitarbeiter dafür bekommt er ebenfalls zur Seite gestellt: ein Psychologe, ein Torhütertrainer und ein Ernährungswissenschafter lassen die Bären auch in diesem Bereich in der EBEL Spitze werden.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 16,5 von 20 Punkten
###Die Zwischenwertung in der HF.at Kaderbewertung:
1. Medvescak Zagreb 16,5 Punkte
2. EC VSV 13,5 Punkte
3. Fehervar AV19 11,5 Punkte
3. Graz 99ers 11,5 Punkte
5. Olimpija Ljubljana 11,0 Punkte
6. Orli Znojmo 9,5 Punkte
7. Dornbirner EC 9 Punkte
8. HC TWK Innsbruck 8,5 Punkte
Morgen geht es weiter mit Teil 9 in unserer Serie mit den Vienna Capitals.