Kaderbewertung: Graz 99ers – endlich wieder reif für die Play Offs?
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marksoft -
29. August 2012 um 05:30 -
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Im Schatten der finanzstärkeren Teams fristen die Graz 99ers seit Jahren ein Dasein als graue Maus im „Niemandsland“. Zuletzt reichte es für die Mustädter nicht für die Play Offs, weshalb man bei den Grazern versucht hat, mit den spärlichen Mitteln die man zur Verfügung hat, zu reagieren. Ob das reichen wird, um endlich den ersten Sieg in einem Play Off Spiel zu feiern versucht unsere Kaderbewertung zu beleuchten.
Als Meister sind die Graz 99ers im Jahr 2000 von der Nationalliga in die damals neu aufgestellte Bundesliga aufgestiegen – und warten seither vergeblich auf einen Sieg in einem Play Off Spiel. Sieben Mal standen die Steirer zwar in der ersten Runde, ein Spiel, oder gar eine Serie zu gewinnen gelang den Murstädtern allerdings nicht. In der vergangenen Saison scheiterten die Mannen von Trainer Mario Richer bereits in der Qualifikationsrunde und waren trotzdem nicht unzufrieden. Finanziell hat man den Verein und den Kader inzwischen so aufgestellt, dass man keine roten Zahlen schreibt, um im Konzert der Großen mitzumischen fehlt aber doch einiges.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die 99ers den Anschluss zu den Top-Teams der Liga nicht nur verlieren, sondern dass dieser sogar größer wird. Und trotzdem scheinen die Chancen auf eine Play Off Teilnahme noch nie so groß gewesen zu sein wie heuer. Zumindest in der Theorie.
###Die Ausgangslage
Die Grazer Maus ist weiterhin grau geblieben. Der Kader hat zwar ein paar neue Gesichter erhalten, dennoch scheinen die Steirer aktuell ganz bewusst mit der Rolle als Mittelständler zufrieden zu sein. Das Ziel heißt „Play Off Teilnahme“, an der man in der letzten Saison am Ende um einen Punkt vorbei geschrammt ist. Der Abstand zum Play Off Strich ist also überschaubar.
Statistische Fakten 11/12:
Power Play: 18,45% (8.)
Penalty Killing 85,41% (3.)
Fairplay 21,96 Min/Sp (8.)
Shorthander 4 (10.)
Scoring Effizienz 7,67% (10.)
Goalkeeping 91,1% (7.)
Tore geschossen im Grunddurchgang: 112 (9.)
Tore erhalten im Grunddurchgang: 123 (7.)
Der kurze Rückblick auf die Statistiken der letzten Saison offenbart die Problemfelder im Grazer Spiel. Nach vorne war man zu harmlos, vor dem Tor ließen die Murstädter die nötige Effizienz vermissen und darüber hinaus wartet man als 99ers Fan schon seit Jahren auf ein funktionierendes Power Play. Was allerdings ausgezeichnet funktionierte war das Unterzahlspiel – und über weite Strecken der Saison auch die Defensive. Hier hat man während der Saison mit der Verpflichtung eines zweiten starken Goalies reagiert und offenbar den richtigen Nerv getroffen.
Die Grazer gelten auch vor der neuen Saison als Mannschaft, die hart arbeitet und dabei nicht unbedingt Offensivfeuerwerke abbrennen wird. Es gibt zwar den ein oder anderen interessanten Neuzugang, man kann sich aber auch in diesem Jahr nicht des Eindrucks erwehren, als hätte man es hier mit einer Mannschaft der Ausgemusterten zu tun, die darüber hinaus ein Problem mit der Disziplin hat. Das scheint sich auch durch die Vorbereitung hindurch fortzusetzen, denn es gab keine Partie mit Grazer Beteiligung, in der nicht eine Spieldauerstrafe ausgesprochen wurde.
Schnelles, attraktives und offensives Eishockey darf man sich von einer Mannschaft, deren Denker und Lenker ein alternder Bob Wren ist wohl nicht erwarten. Die Grazer haben aber das Zeug zu einem kompakten und immer unangenehm zu spielenden Team, sofern es Mario Richer heuer schneller schafft, seine Idee des physisch geprägten Hockeys etwas schneller in den Köpfen seiner Spieler zu implementieren. Dennoch ist zu erwarten, dass die 99ers auch heuer wieder mitten drin sein werden im Kampf um die hinteren Plätze. Da allerdings die direkte Konkurrenz weiterhin in Griffweite geblieben ist und es den ein oder anderen Gegner gibt, der sich nicht verbessert hat, könnte es dieses Mal sogar fürs Viertelfinale reichen.
HF.at Prognose: Platz 8 bis 12
###Kaderbewertung Graz 99ers – Torhüter und Abwehr:
Torhüter:
Abgänge: Fabian Weinhandl, Artiom Konovalov, Oliver Zirngast
Zugänge: Sebastian Stefaniszin
Als die Grazer während der letzten Saison Frederic Cloutier in den Kader holten war der Aufschrei groß. Man wollte den Frankokanadier auf keinen Fall als neue Nummer 1 verstanden wissen und beharrte darauf, dass man mit Fabian Weinhandl einen gleichgestellten Österreicher im Kader habe. Einen Sommer später sieht das ganz anders aus: Weinhandl ist nach Wien abgewandert und Cloutier ist die klare Nummer 1. Und das zurecht, denn der 31-Jährige hat in seinen 16 Spielen der letzten Saison eine sehr gute Leistung gezeigt und war jener Rückhalt, den man als Underdog benötigt, um vorne mitzuspielen. 92,6% aller auf ihn abgefeuerten Schüsse hielt Cloutier – wenn er diese Leistung über eine ganze Saison halten kann, dann ist er einer der besten Goalies der Liga. Als Backup (und dieses Mal ist der zweite Grazer Goalie ein Backup) hat man sich einfach dort bedient, wo Fabian Weinhandl hingegangen ist. In Wien. Sebastian Stefaniszin kennt die Rolle der Nummer 2 zur Genüge, denn auch bei den Capitals war er als Backup im Kader. Bei den Hauptstädtern bekam er dann aber unerwartet viel Eiszeit und absolvierte insgesamt 20 Spiele. Dabei brachte er es jedoch nur auf eine Fangquote von knapp über 89%. Dennoch ist Stefaniszin ein Torhüter, der als Nummer 2 seine Aufgaben erfüllt und eine Nummer 1 entlasten kann. Mehr wird von ihm auch nicht erwartet. Im Bereich der Torhüter sind die Steirer somit konkurrenzfähig aufgestellt.
Bewertung: 3 von 5 Punkten
Abwehr:
Abgänge: Sebastien Bisaillon, Sven Klimbacher, Robert Kantor, Philippe Paquet, Lukas Peicha, Nico Pohl, Rodi Short
Zugänge: Andy Delmore, Matiss Gelazis, Stefan Langwieder, Martin Oraze, Clemens Unterweger
In der Abwehr der Steirer hat sich einiges getan, denn man musste nicht unwichtige Spieler ersetzen. Mit dem Abgang von Sven Klimbacher hat man seinen besten Defender der letzten Saison verloren, dürfte hier mit dem Deutsch-Österreicher Stefan Langwieder allerdings zumindest adäquaten Ersatz gefunden haben. Dass auch noch Martin Oraze den Weg zurück in den Bunker gefunden hat sollte der Durchschlagskraft von hinten helfen. Der Verteidiger verfügt über einen harten Schuss, den er allerdings zuletzt in Wien viel zu selten eingesetzt hat. Oraze ist aber ein Mann, der für 10+ Tore gut ist. Eine Offensivleistung, die in der letzten Saison praktisch gefehlt hat. Nur Dustin VanBallegooie spielte in dieser Liga. Gerade die Scharfschützen von hinten sind auch für ein funktionierendes Power Play wichtig. Hier Hat man sich mit Andy Delmore einen Mann geangelt, der einerseits die Liga kennt und andererseits auch die nötige Erfahrung hat, um ein Spiel zu lenken. Dass Delmore zum Beispiel in Zagreb aus Leistungsgründen aus einem laufenden Vertrag freigegeben wurde wird die Murstädter wenig stören. In Kroatien sind die Ansprüche andere, die Auswahl ist größer. Mit Kapitän Cole Jarrett hat man zumindest fünf EBEL-taugliche Verteidiger, dahinter wird die Luft zwar dünner, aber auf drei anständige Reihen wird man es in Graz bringen. Mit etwas Willen können die Youngsters im Kader sogar die ein oder andere Verletzung eines Stammspielers durchtauchen lassen.
Bewertung: 2,5 von 5 Punkten
###Kaderbewertung Graz 99ers – Angriff und Trainer:
Angriff:
Abgänge: Zdenek Blatny, Yvan Busque, Toni Dahlman, Tobias Dinhopel, Patrick Harand, Brett Lysak, Patrick Maier, Brad Schell, Max Wilfan, Daniel Woger.
Zugänge: Bob Wren, Greg Day, Jean-Michel Daoust, Taylor Holst, Olivier Labelle, Manuel Laritz, Thomas Mader, Rupert Strohmeier.
Es ist fast schon Tradition, dass sich im Sturm der Grazer während der Sommerpause in der EBEL sehr viel tut. Hier machten die letzten Monate keinen Unterschied. Eine der schlechtesten Offensivabteilungen der Liga wurde umgekrempelt, dabei haben die Murstädter aber mit Zdenek Blatny auch einen ihrer besten Spieler verloren. In der letzten Saison war das Angriffsspiel der Steirer oft zu statisch, einfallslos und ließ auch das nötige Tempo vermissen. Modernes Eishockey sieht nicht so aus wie das, was die Graz 99ers gezeigt haben. Ob sich das in der Spielzeit 12/13 ändern wird darf zumindest bezweifelt werden. Mit Bob Wren kommt zwar ein Mann in die EBEL zurück, der in der Vergangenheit mit seiner Genialität ein Spiel entscheiden konnte, doch die Wien-Zeiten sind vorbei. Wren ist inzwischen 37 Jahre alt und hat mit Tempohockey wenig am Hut. Die guten Hände hat der Kanadier aber noch und sollte zumindest im Power Play für Impulse sorgen, die bislang gefehlt haben. Ein kreativer Mann, der abgegangen ist. Greg Day kennt man in Graz ebenfalls, doch auch für ihn gilt, dass er seine besten Zeiten schon gesehen hat. Trotzdem hat er es in Zagreb in 52 Spielen auf 46 Scorerpunkte (bei 13 Toren) gebracht, wurde aber trotz bestehendem Vertrag ebenfalls freigegeben. Dennoch sind diese beiden Neuzugänge Spieler, die eine Partie führen können. An ihrer Seite stehen mit Guillaume Lefebvre und Olivier Latendresse zwei Legionäre, die neben ihrem physischen Spiel durchaus auch punkten können – und bedeutend mehr müssen, als letztes Jahr. Immerhin hat man mit Blatny und Lysak die beiden besten Torschützen verloren, ob hier ein Jean-Michel Daoust einspringen kann wird sich weisen. Bislang konnte der Kanadier nur durch viele Strafen in der Vorbereitung überzeugen. In der DEL war er auch kein großer Torjäger. Das wäre allerdings Olivier Labelle in der ECHL gewesen. Er könnte wieder einmal ein lange gesuchter Torjäger sein, den man in der steirischen Landeshauptstadt zuletzt vermisste. Ebenfalls neu ist Taylor Holst, der aus Wien gekommen ist, spielerisch aber eingeschränkte Fähigkeiten hat, dafür aber ins physische Konzept des Trainers passen wird. Im Sturm hat sich einiges verändert und auch wenn man in Vergleich zur Konkurrenz nicht bis in die hinterste Linie gut besetzt ist, es reicht für gute drei Linien. Und diese dürften auch etwas gefährlicher besetzt sein, als letztes Jahr. Besonders interessant wird die Entwicklung des jungen Letten Zintis Nauris Zusevics sein. Der 18-jährige gilt als großes Talent und steht unmittelbar davor, sich in der EBEL durchzusetzen.
Bewertung: 3 von 5 Punkten
Trainer:
Abgang: -
Zugang: -
Mario Richer hat seine Bewährungsprobe in der letzten Saison bestanden und ist auch heuer wieder der Trainer in Graz. Der Frankokanadier hat nicht den großen Erfolgsdruck wie man ihn in anderen EBEL Städten kennt, sondern er bekam zumindest in der letzten Saison immer das Vertrauen ausgesprochen. Auffällig ist bei der Auswahl von neuen Legionären der Hang zu Frankokanadiern, wobei ihm hier noch kein absoluter Glücksgriff gelungen ist. Richer bevorzugt aber ohnehin das einfache, ehrliche Eishockey, das sehr viel an das berühmte „old style“ kanadische Hockey erinnert. Viel Körpereinsatz ist bei seiner Spielweise gefragt, was über eine ganze Saison stark an den Kräften zehrt. Da Richer darüber hinaus auch fast nur seine drei besten Linien einsetzt und die Youngsters oft nur zuschauen lässt, hatten die Murstädter im Frühjahr im Finish den Durchhänger, der ihnen letzten Endes auch die Play Offs gekostet hat. Durch die vielen Neuzgänge wird er auch heuer viel Kraft in die Vermittlung seiner Eishockeyphilosophie stecken müssen. Als das im Vorjahr in den Köpfen angekommen war, lief es für einige Zeit ganz gut bei den Steirern. Auch wenn Richer kein modernes Hockey spielen lässt, die 99ers sind ein unangenehmer, weil physisch hart spielender Gegner, der es auch den Großen schwer machen wird, Punkte zu erobern. Das war im letzten Jahr so, als man allerdings vor allem gegen die direkten Konkurrenten viel zu viele Punkte liegen ließ. Als Co-Trainer steht Richer seit heuer mit Herbert Hohenberger ein neuer Mann zur Seite. Die Villacher Eishockeylegende kennt den EBEL Zirkus, weiß wie man mit den Spielern umgehen muss und kann auch für gute Stimmung sorgen. Das sollte der Mannschaft weiter helfen.
Bewertung: 3 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 11,5 von 20 Punkten
###Die Zwischenwertung in der HF.at Kaderbewertung:
1. Graz 99ers 11,5 Punkte
2. Olimpija Ljubljana 11,0 Punkte
3. HC TWK Innsbruck 8,5 Punkte
Morgen geht es weiter mit Teil 4 in unserer Serie mit dem Dornbirner EC.