Schiri-Boss Lyle Seitz: Wir sind auch nur Menschen
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marksoft -
26. März 2012 um 21:24 -
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Die Schiedsrichter – ein Thema, das jahrein, jahraus für jede Menge Diskussionsstoff sorgt. Auch im Finale gibt es schon wieder jede Menge kritischer Stimmen, die auf die Referees einprügeln- Lyle Seitz, Chef der EBEL Schiedsrichter und ehemaliger NHL Schiedsrichter, sieht „seine“ Leute im Interview mit HF.at am richtigen Weg und weiß auch, dass man es ohnehin nie allen recht machen kann.
Es gab in der jüngsten Vergangenheit einige Vorkommnisse rund um Videobeweisen, welche die Schiedsrichter nicht im besten Licht erscheinen ließen. Was hat man für das Finale gemacht, um solche Dinge auszuschließen?
Ab dem Finale gibt es nicht nur zwei Heads und zwei Linesmen, sondern zusätzlich in jeder Partie so genannte „Standby“ Schiedsrichter. Jeweils ein Haupt- und ein Linienrichter stehen als Ersatzleute zur Verfügung. Vor allem der Standby-Headreferee hat eine besondere Aufgabe: er sitzt im ServusTV Truck und kann bei Videobeweisen sozusagen als höchste Instanz befragt werden. Die Schiedsrichter am Eis haben somit die Möglichkeit, sich noch zusätzlich abzusichern und der Mann im Truck hat alle Einstellungen zur Verfügung, die der TV Partner bieten kann. Eigentlich wäre das für die gesamten Play Offs geplant gewesen, aber dafür fehlen uns nicht nur die Manpower, sondern auch die technischen Kapazitäten.
Wenn sie über die Außenwirkung der Schiedsrichter nachdenken, was würden Sie sich wünschen, dass sich ändern würde?
Wir sehen unsere Leute als drittes Team am Eis, leider werden die Referees bislang in der Liga nicht so wahrgenommen. Wir bereiten uns möglichst intensiv auf die Spiele vor, im Finale wird an Wochentagen immer zwischen 18 und 19 Uhr ein Meeting abgehalten, eine Vorbesprechung. Und wie bei den beiden Finalisten auch gibt es nach der Partie eine Videoanalyse. In Nordamerika spricht man immer vom dritten Team am Eis, diese Einstellung würde ich mir auch hier wünschen. Das bringt automatisch mehr Respekt.
Im Vergleich zu anderen internationalen Ligen, wo würden Sie die EBEL Referees einordnen?
Individuell haben wir vielleicht nicht die besten Schiedsrichter, aber als Team können sie überall in der Welt eingesetzt werden. Davon bin ich überzeugt.
Wenn Sie die aktuelle Saison im Rückblick anschauen, wie sehen sie die Entwicklung der Referees in der EBEL?
Sie sind gewachsen, sind besser geworden. Aber seien wir ehrlich: die Fans werden nie glücklich mit den Schiedsrichtern werden. Bereits vor dem Spiel wissen wir zu 100%, dass 50% der Leute Kritik an unserer Arbeit äußern werden.
Was sagen die Teams selbst zur Entwicklung der Referees?
Die Trainer wissen, dass es immer besser wird und wir bekommen von denen, die wirklich direkt beteiligt sind, sehr gute Rückmeldungen. Der beste Schiedsrichter ist der, der wirklich gut kommunizieren kann. Unsere Referees müssen lernen, wie sie sich durchsetzen können.
EBEL Referee ist ja nicht gerade ein Honiglecken, denn jeder Schiedsrichter geht ja auch einen ganz normalen Brotberuf nach, oder?
Ja es stimmt, es ist ein harter Job, meistens mit sehr langen Anreisen nach einem Arbeitstag verbunden. Die Schiedsrichter haben nicht die selbe Vorbereitung wie ein Spieler und seien wir ehrlich: sie sind auch nur Menschen. Auch ein Referee kann einmal einen schlechten Tag haben, von der Anreise müde sein, oder sich einfach nicht wohl fühlen. Bei Spielern schaut man über so etwas schon mal hinweg, aber bei Schiedsrichtern ist das nie ein Thema. Vor allem den Faktor Anreise haben wir aber im Finale schon einmal entschärft. Jetzt sind die Schiedsrichter bereits einen Tag vorher da, können sich viel besser vorbereiten und konzentrieren.
Das heißt, die Schiedsrichter opfern für das Finale sogar Urlaubstage?
Ja, sie müssen sich dafür frei nehmen, aber Sie können mir glauben, dass das für keinen eine Belastung ist. Alle, die im Finale pfeifen freuen sich darüber und sind ungemein stolz darauf.
Wenn Sie zurückdenken an Ihre Zeit in der NHL und hier vor allem das Rundherum. Was ist der größte Unterschied zwischen der EBEL und der NHL?
Der Unterschied zwischen der EBEL und der NHL ist sehr schwer in Worte zu fassen. Die Zuschauer in Nordamerika haben ein viel tieferes Basiswissen, als hier. Egal, ob man in Washington, Edmonton oder Vancouver in einer Eishalle ist, jeder kennt alle Regeln in und auswendig. Hier in Österreich gibt es diese großartige Atmosphäre, bei der die Fans mitgehen und das Drumherum so unglaublich aufregend machen. Es sind einfach zwei völlig unterschiedliche Eishockeykulturen. In Nordamerika ist es die meiste Zeit eher ruhig, jeder analysiert alles und hier ist immer richtig viel los. Es ist unglaublich mitreißend – ich liebe das!
Es gibt ja immer wieder die Kritik, dass sich Schiedsrichter viel zu viel von den Fans in den Hallen beeinflussen lassen. Ist diese Kritik gerechtfertigt?
Wenn Du als Schiedsrichter am Eis bist, dann bist Du in einer „Zone“. Man könnte einen Schiedsrichter nach einem Match fragen, welche Farben die Fans in einem bestimmten Sektor hauptsächlich getragen haben, sie würden es nicht beantworten können. Man blendet das Umfeld völlig aus und ist völlig fokussiert. Ich war einmal Schiedsrichter bei einem NHL Spiel und da waren auch viele Freunde und Bekannte von mir. Ein Freund hat die gesamte Partie über wie verrückt an die Bande geklopft und wollte einfach, dass ich ihm winke. Doch ich habe das nicht einmal mitbekommen, obwohl er teilweise anscheinend nur ein paar Meter von mir entfernt war. Von daher bin ich der Meinung, dass sich ein erfahrener Schiedsrichter nicht von den Fans beeinflussen lässt. Ein junger, unerfahrener Referee – ja, aber genau das muss er lernen, dass er es ausblendet.
Wagen wir einen Blick in die mittelfristige Zukunft. Was wünschen Sie sich für die EBEL Schiedsrichter in den nächsten Jahren?
Unser Ziel wäre es, dass wie Fulltime-Schiedsrichter, oder zumindest Semi-Vollzeit-Referees in der Liga einsetzen können. Das wäre der Wunsch, aber wir sind erst am Anfang eines Prozesses. Wir haben uns ursprünglich ein Zwei- bis Dreijahresprogramm zurecht gelegt und befinden uns gerade einmal im ersten Jahr!