Kaderbewertung: Geht das Salzburg Solo weiter?
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marksoft -
8. September 2011 um 06:00 -
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In den letzten sechs Jahren war Red Bull Salzburg immer im EBEL Finale und hat dabei vier Mal den Titel geholt. Die Mozartstädter beherrschen seit Jahren die Liga und schicken sich an, diesen Lauf fortzusetzen. Doch können die Bullen wirklich einige wichtige Abgänge kompensieren, oder schaut es in diesem Jahr ganz anders aus?
Wenn eine Mannschaft so erfolgreich ist und gleichzeitig auch das größte Budget und den potentesten Sponsor im Rücken hat, dann ist es wohl normal, dass man unter den Fans in der Liga nicht besonders beliebt ist. Die Bullen sind das „Feindbild Nummer 1“ in der EBEL und haben zudem in der Vergangenheit mit einigen unnötigen Aktionen nicht gerade zur Imagepflege beigetragen. Doch gerade die Emotionen, die gegenüber Salzburg quer durch die Liga und über Ländergrenzen hinweg entstehen tun der EBEL gut, denn diese Emotionen gehen seit Jahren beständig verloren. Eishockey wird immer mehr zum Produkt, das man konsumiert, der Großteil der Fans identifiziert sich aber nicht so weit mit „seinem“ Team, wie man das aus früheren Zeiten kennt.
So gesehen ist es von Vorteil, wenn es einen Aufreger gibt, der in Salzburg nicht nur durch den Titel „Ligakrösus“, sondern auch durch den immer streitbaren Trainer Pierre Page gegeben ist. Keine Saison vergeht, in der es nicht irgendeine Aktion gibt, die für hitzige Diskussionen sorgt. Damit darf man auch 2011/12 rechnen, genauso damit, dass die Salzburger wieder ganz vorne mitspielen.
###Die Ausgangslage
Der Grunddurchgang der Erste Bank Eishockey Liga wird von den Salzburgern meist als eine Art „Übungswiese“ verwendet. Trainer Page experimentiert bei der Aufstellung, wirft auch schon mal die halbe U20 Mannschaft ins Spiel und nimmt dabei auch Niederlagen in Kauf. Solange die Bullen am Ende vorne mitspielen wird sich am „System Page“ nichts ändern.
Statistische Fakten 10/11:
Power Play: 23,69% (2.)
Penalty Killing 78,92% (4.)
Fairplay 19,32 Min/Sp (8.)
Shorthander 11 (1.)
Scoring Effizienz 9,54% (4.)
Goalkeeping 89,88% (6.)
Tore geschossen: 206 (1.)
Tore erhalten: 181 (7.)
Aus diesem Grund sind die statistischen Werte der letzten Saison für die Salzburger nicht zu 100 Prozent aussagekräftig. Die Mozartstädter stellten die beste Offensive der Liga und hatten gleichzeitig massive Probleme im Abwehrverhalten. Das lag einerseits in einer langen Verletzung von Nummer 1 Goalie Divis, andererseits auch in besagten Experimenten Pages, der immer wieder Stürmer zu Verteidigern umpolen möchte. Dass es da für einen langjährigen Angreifer Probleme gibt steht außer Zweifel und bislang ist nur Matthias Trattnig als wirklich guter Verteidiger aus diesen Experimenten hervor gegangen.
Für die neue Saison haben die Salzburger einige personelle Veränderungen zu verdauen, die selbst dem Serienmeister weh tun. Thomas Koch, Marco Pewal und Andre Lakos sind Österreicher, die Führungsrollen inne hatten und ganz sicher nicht gleichwertig mit rot-weiß-roten Spielern ersetzt werden können. Zumindest im Tor scheinen die Red Bulls aber mit Legionär Torjman einen guten Griff getan zu haben und auch sonst braucht man sich um die Mozartstädter keine Sorgen machen. Der Kader ist dank Farmteam (spielt heuer in Tschechien) weiterhin riesig und wenn wirklich ein Spieler enttäuschen sollte, ist die „Kriegskassa“ prall gefüllt um am Spielermarkt reagieren zu können. Dennoch wird es für die Bullen heuer ungleich schwerer, den Titel zu verteidigen. Die Konkurrenz hat definitiv aufgeholt, während man bei den Salzburgern in den letzten Jahren eine gewisse Entwicklungsstagnation beobachten konnte. Ganz so dominant waren sie nicht mehr und es würde nicht verwunden, wenn der Titelhattrick nicht gelingt.
HF.at Prognose: Platz 1 bis 3
###Kaderbewertung Red Bull Salzburg – Torhüter und Abwehr:
Torhüter:
Abgänge: Reinhard Divis, Artiom Konovalov
Zugänge: Josh Tordjman
Mit dem Abgang vom typischen Play Off Goalie Reinhard Divis haben die Salzburger einen scheinbaren Erfolgsgaranten verloren. Der Ex-NHLer war nicht nur ein am sondern auch abseits des Eises ein Führungsspieler und konnte pünktlich zur wichtigsten Zeit des Jahres seine Bestleistungen abrufen. Zuvor war das meist nicht nötig, denn da wurde auch der Jugend eine Chance gegeben. Das wird sich zur neuen Saison nicht ändern und Thomas Höneckl darf sich auf einiges an Eiszeit freuen. Die Nummer 1 ist aber ohne Frage die Entdeckung der European Trophy: der Kanadier Josh Tordjman konnte mit starken Leistungen in der europäischen Vorbereitungsserie überzeugen und könnte tatsächlich in die großen Fußstapfen eines Reinhard Divis steigen. Mit seinen 26 Jahren ist Tordjman noch lern- und ausbaufähig, sein Talent hat er aber schon einmal angedeutet. Nach guten Leistungen in der AHL und ECHL kann man davon ausgehen, dass der Kanadier dieses Niveau halten und damit ein sehr guter Rückhalt sein kann. Mit dem 21-jährigen Thomas Höneckl steht ebenfalls ein talentierter zweiter Mann zur Verfügung, der schon in der letzten Saison 29 EBEL Einsätze bekam. Eine Fangquote von knapp 91% zeugen vom Potential des jungen Mannes und auch davon, dass man sich um die Goalies bei den Bullen wohl keine Sorgen machen muss. Auf eines müssen sich die Schlussleute aber gefasst machen: durch die offensive Spielweise der Salzburger gibt es viele Schüsse, Chancen und Tore für den Gegner.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Abwehr:
Abgänge: Shaun Heshka, Andre Lakos, Wilhelm Lanz, Daniel Mitterdorfer.
Zugänge: Ryan Kavanagh, Markus Schlacher.
Auf den ersten Blick sehr schmal besetzt sieht die Defensive der Bullen aus. Mit dem Kanadier Ryan Kavanagh haben die Salzburger hier auch nur einen Neuzugang zu verbuchen, der Rest der Abwehrreihen stand schon in der letzten Saison in der Mozartstadt unter Vertrag. Das gilt auch für Eric Reitz, der aber keine einzige Partie für die Bullen absolviert hat und sich in der European Trophy erneut für einen EBEL Vertrag aufdrängen wollte. Der Abgang von Andre Lakos konnte durch den jungen Kavanagh zumindest körperlich nicht kompensiert werden und auch die Talente Lanz und Mitterdorfer müssen erst einmal ersetzt werden. In der Vergangenheit tat das Pierre Page immer wieder mit Stürmern, die zu Verteidigern umgewandelt wurden. Das setzt sich ohne Frage fort und ein Daniel Welser wird ebenso in der Defensive auftauchen, wie ein Thomas Raffl, Dominique Heinrich und die Neuzugänge Andreas Kristler und Markus Schlacher. Letzterer war zuletzt in Linz und überzeugte offensiv nicht mehr, in der European Trophy zeigte er aber Potential als Defender. Einziges Fragezeichen bei ihm ist seine Schulter, die er sich schon mehrfach verletzt hat und daher könnte die nächste stärkere Verletzung seine Karriere beenden. Im Vorjahr war das Defensivverhalten der Bullen nicht immer vorbildlich und es wird vermutlich auch für 2011/12 noch die ein oder andere Umstellung bzw. Neuzugang geben. Somit darf man von einer ähnlichen Ausgangskonstellation ausgehen wie 2010/11
Bewertung: 3,5 von 5 Punkten
###Kaderbewertung Red Bull Salzburg – Angriff und Trainer:
Angriff:
Abgänge: Thomas Koch, Marco Pewal, Taylor Holst, Mario Fischer, Martin St. Pierre, Alexander Feichtner, Johan Holmberg, Ryan Duncan, Lukas Fritz, Patrick Maier
Zugänge: Johannes Bischofberger, Robbie Earl, Daniel Erlich, Andreas Kristler, David Labrecque, Jeremy Williams.
Wie jedes Jahr herrscht auch heuer wieder das große Kommen und Gehen im Salzburger Sturm. Legionäre wurden ausgetauscht und selbst kurz vor Saisonstart ist nicht auszuschließen, dass sich in den nächsten Wochen nicht noch einige neue Cracks nach Salzburg verirren. Was die Mozartstädter aber besonders schmerzen wird ist der Verlust des „Angriffshirns“ Thomas Koch. Er war in den letzten Jahren einer der besten und komplettesten Stürmer der Liga und kann nicht einfach so ersetzt werden. Das gilt auch für Marco Pewal, der dank seines Einsatzes und Kampfgeistes ebenso nur schwer durch die bislang geholten Cracks vergessen lassen werden kann. Ebenfalls nicht mehr im Kader ist Ryan Duncan und alleine durch diese drei Abgänge verlieren die Bullen drei ihrer vier besten Scorer im Sturm! Ramzi Abid hat zwar in der European Trophy gezeigt, dass er einen Schritt nach vorne gemacht hat und seine Ausbeute der letzten Saison (18 Tore, 30 Assists) verbessern möchte, doch derzeit fehlen dem Angriff der Bullen vor allem eines: weitere Torjäger. Die Lücke der Abgänge muss erst einmal geschlossen werden, aber die Mozartstädter haben ohne Frage die Spieler, die das könnten. Thomas Raffl hat starkes Steigerungspotential nach oben (sofern er nicht zum Verteidiger umgelernt wird), ob aber ein Andreas Kristler die Nachfolge von Marco Pewal antreten kann muss abgewartet werden - er muss zuerst seine langwierige Verletzung wegstecken. Seit Jahren auf hohem Niveau agiert hingegen Manuel Latusa, der in seine Führungsrolle im Sturm der Salzburger immer besser hinein wächst. Weitere Schritte nach vorne darf man sich auch von den Jungen im Team der Mozartstädter erwarten (Puschnik, Heinrich, Pöck & Co.), sodass sich an der Qualität des Angriffs nicht viel ändern wird. Die Salzburger werden auch in der Saison 11/12 eine Offensivmacht sein, ob das jetzt mit den aktuellen Legionären oder mit anderen der Fall ist, wird sich zeigen.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Trainer:
Abgang: -
Zugang: -
Zu Trainer Pierre Page wurde in den letzten Jahren wohl schon alles gesagt. Der 63-jährige Kanadier ist bei den Gegnern verhasst, wird von den eigenen Spielern teilweise nicht verstanden und sitzt trotzdem ganz sicher im Salzburger Sattel. Kein Wunder, denn am Ende hat er unter dem Strich immer noch Erfolg vorzuweisen. Der berüchtigte „Plan“ existiert noch immer, die Interviews von Page sind weiterhin meist Exkurse in völlig neue Themenwelten und darüber hinaus hat Page seinen messiashaften Belehrungswillen noch immer nicht abgelegt. Aber eines war in der letzten Saison sichtbar: der 63-Jährige scheint „lockerer“ zu werden. Kaum zu glauben, es gab Anflüge von Ironie und Witz und auch Selbstkritik. Trotz aller Diskussionen um Page, der Erfolg gibt dem „schrägen Trainervogel“ recht. Spieler die das System nicht mittragen wollen dürfen gehen – da macht man auch vor großen Namen nicht halt. Wenn Page meint, ein Starstürmer wäre in der Defensive besser aufgehoben, dann ist das so. Page und Salzburg – das sind die Zutaten, die in der Liga für Aufregung sorgen, im Team selbst scheint man sich mittlerweile ganz gut mit dem Trainer arrangiert zu haben. Der „Plan“ funktioniert (zumindest in der EBEL) und wenn sich doch noch irgendwo Löcher auftun, na dann wird eben nachjustiert. Erfolgsdruck hat Page sicherlich keinen mehr, dafür hat er nicht nur in Salzburg zu viel gewonnen. Auch wird man ihm nie die so oft propagierten und trotzdem fehlenden Spieler aus dem Salzburger System, die man für höhere Aufgaben ausbilden möchte, vorwerfen. Der Ehrgeiz des Pierre Page ist groß, er will immer gewinnen, findet auch klare Worte bei Niederlagen und kennt kein Erbarmen, selbst wenn seine Mannschaft gewonnen hat. Und am Ende hat sie das in den letzten Jahren meistens. So falsch kann der Coach seine Arbeit also nicht machen, denn selbst das beste Material und den größten Kader muss man erst einmal zu einer Meistermannschaft machen. So schwer wie heuer war es aber schon lange nicht mehr, sich einen Titel zu holen. Der Abstand zur Konkurrenz ist geschrumpft und jetzt muss Page zeigen, dass er auch in engen Situationen sein Handwerk versteht.
Bewertung: 5 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 16,5 von 20 Punkten
###Die Endwertung in der HF.at Kaderbewertung:
1. KAC 17 Punkte
1. Vienna Capitals 17 Punkte
3. Red Bull Salzburg 16,5 Punkte
3. Black Wings Linz 16,5 Punkte
5. Medvescak Zagreb 14,5 Punkte
6. VSV 14 Punkte
7. Graz 99ers 12,5 Punkte
8. Olimpija Ljubljana 12 Punkte
8. Orli Znojmo 12 Punkte
10. Alba Volan 11,5
11. HK Jesenice 8 Punkte
###Keine Chance auf den Titel eine Analyse von Alexander Tomanek auf eishockeyexperten.at
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