Kaderbewertung: Ist Zagreb bereit für die Spitze?
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marksoft -
4. September 2011 um 08:00 -
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Wenn man an Zagreb denkt, dann fallen einem üblicher Weise zuerst die unglaublichen Zuschauermassen ein, die zu den Heimspielen der Bären pilgern. Mit der größten Fanunterstützung im Rücken haben die Kroaten ihren Kader weiter aufgerüstet und schicken sich an, die Top-Regionen der EBEL Tabelle anzugreifen. Aber ist Medvescak wirklich schon so weit?
Medvescak Zagreb ist so etwas wie ein Sonderfall in der EBEL. Zwar müssen sich die Kroaten, wie der Rest der Liga, der Punkteregel unterwerfen, dennoch zeigen die Bären bei der Kaderzusammenstellung eine gewisse Kreativität. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Kaderbewertung hatten die Bären nicht weniger als 32 Spieler in ihrem Kader! Das wird sich im Hinblick auf den EBEL Start am kommenden Freitag ändern müssen, denn auch für Zagreb gilt: 2 Torhüter, 13 Stürmer und 7 Verteidiger dürfen auf den Spielbericht. Kein Mann mehr.
Dass die Kroaten von Beginn weg in der EBEL Fuß fassen konnten lag vor allem an den zahlreichen Nordamerikanern mit kroatischen Wurzeln in ihrem Kader. Daran hat sich auch für 2011/12 nichts geändert, denn von den besagten 32 Spielern haben genau 6 nur einen kroatischen Pass. 13 weitere besitzen die Doppelstaatsbürgerschaft und gelten somit ebenfalls als „Kroaten“. So lässt sich ein schlagkräftiger Kader zusammenstellen und trotzdem ist die Punkteregel erfüllt.
Ein großes Fragezeichen steht hinter der Zukunft Zagrebs in der EBEL. Seit Monaten hält sich ein hartnäckiges Gerücht, wonach die Bären in die russische KHL streben (HF.at berichtete). Somit könnte die bevorstehende Saison sogar die letzte in der Erste Bank Eishockey Liga sein – und die Bären werden ihre sportliche Visitenkarte abgeben wollen, mit der sie sich eventuell bei der KHL aufdrängen möchten.
###Die Ausgangslage
Zagreb konnte sich in der letzten Saison mit Mühe als achtes und damit letztes Team für die Play Offs qualifizieren, schied dort dann aber gegen den KAC mit 1:4 aus. Auffällig bei den Bären war eine sich durch die Saison ziehende Auswärtsschwäche – keine andere EBEL Mannschaft holte in der Fremde so wenige Punkte wie die Kroaten.
Statistische Fakten 10/11:
Power Play: 22,62% (3.)
Penalty Killing 76,07% (9.)
Fairplay 16,98 Min/Sp (6.)
Shorthander 6 (4.)
Scoring Effizienz 9,83% (3.)
Goalkeeping 90,70% (2.)
Tore geschossen: 171 (5.)
Tore erhalten: 171 (6.)
Neben den beeindruckenden Zuschauerzahlen der Bären (Fast 226.000 Zuschauer) zeigten die Kroaten auch im Power Play und bei der Chancenverwertung Klasse. Ebenfalls spitze war wie immer Torhüter Robert Kristan, der statistisch die Nummer 2 der Liga war. Trotz teilweise guter Offensivzahlen blieb Medvescak bei 5 gegen 5 zu wenig durchschlagskräftig und daher war man bei den erzielten Toren nur im Mittelfeld der Liga zu finden. Gepaart mit einem schwachen Unterzahlspiel blieb am Ende des Grunddurchgangs eine ausgeglichene Tordifferenz.
Auch wenn man derzeit noch nicht weiß, wie sich der Kader der Kroaten am 9. September wirklich zusammen setzen wird, ist schon jetzt klar, dass Medvescak wieder einen Schritt nach vorne gemacht hat. Für alle Mannschaftsteile wurden Verstärkungen geholt und Trainer Marty Raymond kann auf eine starke Truppe zurück greifen. Was seinem Vorgänger jedoch noch nicht gelungen ist: er konnte keine echte Mannschaft formen, die über eine ganze Saison alles gibt. Das führte schon im Vorjahr zu starken Leistungsschwankungen und das ist auch der größte Unterschied zu den Topteams der Liga. Der Abstand zu den Top Regionen der EBEL ist aber kleiner geworden und man darf dieser Mannschaft für 2011/12 viel zutrauen. Vielleicht sogar eine echte Sensation.
HF.at Prognose: Platz 4 bis 7
###Kaderbewertung Medvescak Zagreb – Torhüter und Abwehr:
Torhüter:
Abgänge: Gasper Kroselj
Zugänge: Michael Ouzas, Ales Sila
Alles drehte sich in den letzten beiden Jahren in Zagreb um Torhüter Robert Kristan. Der Slowene war das Um und Auf der Defensivabteilung und immer einer der besten Schlussleute der gesamten Liga. Wer einen derartigen Klassemann hinter sich hat kann beruhigt aufspielen. Doch die neue Saison beginnt nicht gut für die Kroaten, denn Kristan ist verletzt und wird zumindest in den ersten Wochen nicht eingesetzt werden können. Das hat die Bären zum Handeln gezwungen, denn mit Michael Ouzas hatte man zwar einen neuen zweiten Mann geholt, dahinter herrscht aber gähnende Leistungsleere. Mit Ales Sila kommt nun ein EBEL erfahrener Goalie als Verletzungsersatz Kristans. Der Slowene ist bei weitem nicht so stark einzuschätzen wie sein Landsmann und wird sich mit dem Kanadier Ouzas die Eiszeit wohl teilen. Für Zagreb heißt es daher hoffen, dass sich Kristan bald wieder fit zurück melden kann, denn ohne ihn wird man den angestrebten Fokus nach vorne nicht setzen können. Ist Kristan aber wieder da und kann er seine Leistung des letzten Jahres wiederholen, dann sollte Medvescak deutlich besser aufgestellt sein als zuletzt. Die Nummer 2 Ouzas ist stärker einzuschätzen als ein Kroselj und vielleicht bekommt Kristan dann auch die ein oder andere zusätzliche Pause.
Bewertung: 3,5 von 5 Punkten
Abwehr:
Abgänge: Miroslav Brumercik, Benjamin Gazdic, Jamie Rivers,
Zugänge: Andy Delmore, Geoff Waugh, Sasa Martinovic, Sasha Pokulok,
Groß, schwer und kräftig – die Abwehr der Kroaten entspricht ihrem Wappentier. Die Bären verfügten schon in der letzten Saison über eine gute Defensive, die hart arbeitete, aber bei numerischem Gleichgewicht nach vorne zu wenig Impulse setzte. Im Power Play verfügte man mit Sertich und Sandrock über gute Schützen, die auch als Vorbereiter agieren konnten. Dennoch sah man bei den Kroaten auch in diesem Bereich Verbesserungspotential und holte mit Andy Delmore und Geoff Waugh zwei neue Legionäre, die aber vor allem für die Erfüllung ihrer Defensivaufgaben bekannt sind. Ergänzt um den Kern der letztjährigen Defensive und einigen Youngsters dürfte die Abwehr der Kroaten um eine Spur kompakter stehen als in der letzten Saison, ob nach vorne mehr kommen wird als 2010/11 muss aber angezweifelt werden. Die tpyischen Offensivverteidiger fehlen im Kader, was gegenüber den EBEL Mitbewerbern ein kleiner Nachteil ist.
Bewertung: 3,5 von 5 Punkten
###Kaderbewertung Medvescak Zagreb – Angriff und Trainer:
Angriff:
Abgänge: Mario Cunko, TJ Guidarelli, John Hecimovic, Rok Jakopic, Marko Lovrencic, Don MacLean, Wacey Rabbit, Borna Rendulic
Zugänge: David Brine, Dino Gombar, Gal Koren, Dario Kostovic, Pascal Morency, Adam Naglich, Damien Raux, Tom Zanoski
Zu Hause hui, auswärts pfui. Der Angriff der Kroaten war in der letzten Saison vor allem zu Hause ein echter Sturm (104 Tore), auswärts (67 Tore) aber nur ein laues Lüftchen. Unter dem Rückenwind der Fans spielte es sich offenbar leichter, wenn man aber den Abstand zu den besten Teams der Liga verkleinern will, muss man auch auswärts punkten. Daher hat Medvescak den Angriff erneut umgebaut und sich einige neue Kandidaten für den Sturm geholt. Vor allem Adam Adam Naglich soll die Offensivausbeute noch verbessern. Dafür haben sich die Kroaten etwas überraschend von ihrem drittbesten Scorer der letzten Saison, John Hecimovic getrennt – dessen Rolle soll nun Naglich übernehmen. Hoffen müssen die Bären auch, dass das Due Kinasewich/Banham weiterhin am laufenden Band scort. Für den verletzten Punktegaranten Joel Prpic wurde zuletzt mit Pascal Morency noch einmal nachgelegt, der in der ECHL ein sehr guter Scorer war, in der AHL aber kaum zur Geltung kam. Schon in der letzten Saison hatten die Kroaten zwei richtig gefährliche Angriffsformationen, dahinter klaffte aber ein Leistungsloch. Mit einigen gezielten Verstärkungen hat man das nun etwas verkleinert, ganz so tief und ausgeglichen wie zum Beispiel der KAC ist man aber bei den Bären nicht besetzt. Dafür hat man echte Offensivwaffen, die eine Torgarantie fast schon eingebaut zu haben scheinen. Mit diesen steht und fällt der Erfolg der Bären.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Trainer:
Abgang: Ted Sator
Zugang: Marty Raymond
Marty Raymond heißt der neue Trainer bei den Bären aus Zagreb. Der Kanadier tritt das Erbe von Ted Sator an und wird erstmals in seiner Karriere eine europäische Mannschaft im Herrenbereich trainieren. In den letzten 10 Jahren war Raymond in der ECHL bei den Bakersfield Condors tätig, der große Erfolg blieb dem 46-Jährigen dabei aber auch verwehrt. Weiter als bis Runde 3 in den Play Offs trugen ihn seine Condors nie, wenngleich er aus einer eher schwachen Mannschaft viel herausholte und als Trainer die Rekorde für Siege, Punkte, Play Off Teilnahmen und Play Off Siege aufstellte.. Auch in der letzten Saison schied er mit seiner Mannschaft trotz guter regulären Saison bereits in Runde 1 aus. In Zagreb lässt er auch unschöne Anschuldigungen in Nordamerika zurück und kann sich bei halbwegs erfolgreichen Auftritten der Unterstützung der tollen Fans in der kroatischen Hauptstadt sicher sein. Bei den Bären konnte er an der Zusammenstellung des Kaders nur bedingt mitwirken, muss aber aus einem bunt zusammen gewürfelten Haufen eine Einheit bilden. Das war bislang auch das große Manko in Zagreb – der fehlende Auftritt als echtes Team über eine gesamte Saison hinweg. Das Spielermaterial war noch nie so gut in Zagreb, jetzt heißt es für den Coach daraus eine Siegermannschaft zu machen.
Bewertung: 3,5 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 14,5 von 20 Punkten
###Die Zwischenwertung in der HF.at Kaderbewertung:
1. KAC 17,0 Punkte
1. Vienna Capitals 17,0 Punkte
3. Black Wings Linz 16,5 Punkte
4. Medvescak Zagreb 14,5 Punkte
5. VSV 14 Punkte
6. Graz 99ers 12,5 Punkte
7. Olimpija Ljubljana 12 Punkte
Morgen geht es weiter mit Teil 8 in unserer Serie mit Alba Volan.