Kaderbewertung: Setzt sich das Märchen für Zagreb fort?
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marksoft -
9. September 2010 um 00:00 -
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Von Null ins Halbfinale – damit hatte wohl niemand gerechnet, als Medvescak Zagreb in der letzten Saison in der EBEL aufgenommen wurde. Aber die Kroaten zeigten nicht nur, dass man sportlich mithalten kann, sie entfachten in ihrer Heimat einen ungeahnten Eishockeyboom. Wie geht es weiter mit Zig-Zag-Medvescak? Führt der Weg weiter nach oben?
Es war schon etwas überraschend, dass der Liganeuling aus Zagreb so mithalten kann. Zugegeben, man holte sich viele kroatischstämmige Imports, doch dass es so weit nach oben gehen könnte, damit hätte niemand gerechnet. Im Grunddurchgang schlugen sich die Bären wacker, im Viertelfinale warfen sie dann die Nummer 1 der regulären Saison, die Graz 99ers raus. Im Rücken: unglaubliche Fans, sportlich fair, immer in Massen in der Heimstätte Medvescaks und stets um gute Stimmung bemüht. So macht man sich in der Liga beliebt.
Das Konzept in Zagreb scheint zu stimmen, denn der Boom reisst auch im zweiten EBEL Jahr nicht ab. Mit sehr niedrigen Eintrittspreisen wird der Titel des Zuschauerkönigs wohl auch in dieser Saison nach Kroatien gehen. Dazu wird jedes Heimspiel der Bären live im TV übertragen, sind mehrere Spiele in der Arena von Zagreb geplant (15.000 Zuschauer!) und auch die Print- sowie Internetmedien sind voll mit News von Medvescak.
Trotz aller Vorbehalte vor dem Einstieg Zagrebs – die Ligaerweiterung Richtung Süden hat der EBEL gut getan. Der frische Wind und die sympathische Kulisse machen die Liga noch attraktiver und facettenreicher. Doch das zweite Jahr wird ungleich schwerer, denn diese Märchenvorstellungen hat man schön öfter gesehen. Man erinnere sich an Laibach, das sogar bis ins Finale vorgestoßen ist und im Jahr danach völlig abstürzte. Die Leistung aus der Vorsaison zu wiederholen wird schwer, wenngleich man bei Medvescak versucht hat, den Kader noch einmal aufzubessern. Dabei holte man einige Garanten für torreiches Offensiveishockey – das wollen die Fans sehen, das wird sie auch weiterhin in Scharen zu den Heimpartien treiben. Die Gefahr dahinter: man will zu Hause zu viel Spektakel zeigen, was auch 2009/10 ein Problem war: Nur 15 Siege in 27 Spielen gab es vor eigenem Publikum!
Das erste Ziel in Zagreb wird auf jeden Falls „Play Off“ heißen. In der letzten Saison schaffte man das souverän und sogar punktegleich mit dem KAC und sicher vor den Konkurrenten unter dem ominösen Play Off Strich. Auch für die neue Spielzeit ist mit Zagreb in den Play Offs zu rechnen. Einige Schwachstellen wurden abgeschwächt und mit der Erfahrung der letzten Saison muss ein Platz in den Top 8 möglich sein. Dass es zu mehr als nur dem Mittelfeld in der EBEL reichen wird, ist eher nicht zu erwarten, denn dazu sind die Konkurrenten dann im Vergleich doch deutlich besser aufgestellt. In den Play Offs gelten dann aber eigene Gesetze, mit den enthusiastischen Fans im Rücken ist alles möglich. Vielleicht auch wieder eine Überraschung...
HF.at Prognose: Platz 6 bis 9
Die Kaderbewertung:
Torhüter:
Im Tor setzt man bei Medvescak auch 2010/11 auf das bekannte Gespann mit Robert Kristan als Nummer 1 und Gasper Kroselj als Backup. Kristan verfügt über viel EBEL- und auch internationale Erfahrung und wird den Großteil der Eiszeit absolvieren. Bei ihm ist alles möglich: ein Spiel, in dem an ihn kaum überwinden kann, bis zu unglaublichen Patzern, die Spiele verschenken. In der letzten Saison musste er ziemlich genau jeden zehnten Schuss passieren lassen und war nicht immer der sicherste Rückhalt. Mit etwas aggressiverer und konzentrierterer Arbeit seiner Vorderleute in der Defensive könnte sich das aber zumindest etwas bessern, zu den Top Torhütern der Liga zählt er aber nicht.
Hinter dem Slowenen steht mit Gasper Kroselj ein Backup bereit, der trotz seiner noch jungen 23 Jahre schon einige Partien auf höchstem Niveau absolviert hat. Wenn Krosejl zum Einsatz kommt, dann ist das nicht von vornherein ein Grund für die Fans in Zagreb, nervös zu werden. Der Youngster hat Talent, braucht aber noch Zeit und mehr Eiszeit, um auf Dauer ans EBEL Niveau heran zu finden. Ein kompaktes und sehr ausgeglichenes Gespann, echte Siegtorhüter sehen aber anders aus.
Bewertung: 3 von 5 Punkten
Abwehr:
Mit 182 Gegentoren hatte Zagreb in der letzten Saison die viertschlechteste Abwehr der Liga – im Schnitt kassierte man pro Spiel 3,37 Gegentore, was es schon sehr schwer macht, ein Spiel zu gewinnen. Partien der Bären waren meist sehr trefferreich, doch um sich in der Tabelle weiter nach vorne orientieren zu können, bedarf es vor allem im diesem Bereich einer erheblichen Verbesserung.
Daher hat man sich in der Defensive auch jede Menge Legionärspower eingekauft. 7 Fremdarbeiter stehen hier am Eis, gleich vier davon aber mit kroatischem Zweitpass. Einzig der 20-jährige Sijan bleibt als „echter“ Kroate im Team und wird über die Rolle des siebten Verteidigers kaum hinaus kommen. Brumercik, Letang, die letztjährigen Play Off Verstärkungen MacAuley und Powers, Sandrock und Sertich sind geblieben, dazu kam lediglich Ben Gazdic, der direkt aus der Uniliga in die EBEL wechselte. Es sieht also nicht danach aus, als würde die Abwehr der Kroaten einen großen Sprung nach vorne gemacht haben, aber im Vergleich zum Grunddurchgang, in dem MacAuley und Powers noch fehlten, ist man zumindest stabiler geworden. In der letzten Saison war man Liga-Mittelmaß in diesem Bereich, zu recht viel mehr wird es auch 10/11 nicht reichen.
Bewertung: 3 von 5 Punkten
Angriff:
Auch im Sturm hat man bei den Bären einiges an Aufholbedarf erkannt und sich entsprechend am Transfermarkt umgesehen. Der Abgang von Mike Ouellette schmerzt, konnte aber mit dem Punktegaranten Frank Banham erträglich gehalten werden. Wenn sich Banham wohl fühlt, dann kann er Spiele im Alleingang entscheiden, in den letzten Jahren war er immer für knapp 60 Punkte und 30 Tore gut – das hilft der nicht immer effizienten Angriffsmaschinerie aus Kroatien ganz bestimmt, eine Verbesserung ist es aber nicht, denn das sind Sphären, in denen sich auch Ouellette bewegte. Der Abgang des nicht mehr ganz taufrischen Aaron Fox wurde mit Zugängen wie Jonathan Filewich, Don MacLean und Wacey Rabbit auf jeden Fall qualitativ locker aufgefangen. Diese Neuen dürften auch Garanten dafür sein, dass die Offensive Zagrebs in der neuen Saison besser dasteht als noch vor wenigen Monaten. Es sind nun mehrere Waffen vorhanden, die Tiefe im Kader wurde erhöht und damit ist man auch nicht mehr ganz so ausrechenbar. Mit Guidarelli und Hecimovic sind zwei der drei besten Scorer geblieben, dazu blieb mit Joel Prpic ein zuverlässiger Scorer. Für die hinteren Reihen stehen Ergänzungsspieler bereit, die zwar nicht mit jenen der großen Teams in der EBEL mithalten können, ihre entlastenden Aufgaben aber aufs Eis bringen werden. Alles in allem eine Verbesserung in der Offensivabteilung, die nun auf Tuchfühlung zu den Favoriten ist.
Bewertung: 3,5 von 5 Punkten
Trainer:
Ted Sator ist sein mittlerweile zweites Jahr in Zagreb und hat sich in den letzten Jahren zu einem Spezialisten für Underdogs entwickelt. Die Entwicklungshilfe des Mannes, der auch schon viele viele Jahre in der NHL als Assistant Coach an der Bande stand, bekam auch schon Alba Volan zu spüren, wo er ebenso überzeugende Arbeit geleistet hat, wie in Kroatien. Im „Nebenberuf“ trainiert Sator das ungarische Nationalteam, was aber erst im Frühjahr zum wirklichen Thema werden wird.
Der US Amerikaner gilt als Erfolgsgarant für kleine Teams und hat offenbar das richtige Gespür, bei Underdogs jenes System zu implementieren, das die großen Teams ärgert. Sator weiß was er tut, ist ein echter Fachmann und Profi im täglichen Trainergeschäft. Er mag vielleicht vom Kader gegenüber der Konkurrenz benachteiligt sein, was er aber aus kleinen Teams herausholt, ist immer wieder beeindruckend.
Bewertung: 5 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 14,5 von 20 Punkten
Die Zwischenwertung:
1. Vienna Capitals 16,5 Punkte
2. Black Wings Linz 16 Punkte
2. Graz 99ers 16 Punkte
2. KAC 16 Punkte
5. Villacher SV 15 Punkte
6. Medvescak Zagreb 14,5 Punkte
Am Freitag geht es weiter mit Teil 6 in unserer Serie mit dem HK Jesenice.