Kaderbewertung: Wie gut sind die Graz 99ers?
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marksoft -
7. September 2010 um 00:00 -
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Die Graz 99ers haben in der vergangenen Saison alles dominiert: den Grunddurchgang sicher gewonnen, die beste Defensive, die zweitbeste Offensivabteilung, das beste Penalty Killing – und ein richtig miserables Play Off. Nach einer sensationellen regulären Saison kam der Absturz der Steirer im Viertelfinale unerwartet. Was hat sich geändert, dass die Steirer nun mit noch größeren Hoffnungen in die Saison starten können. Sind sie gar ein Titelfavorit? Die HF.at Kaderbewertung versucht das herauszufinden.
Dass mit Startrainer Bill Gilligan ein etwas anderer Wind in die altehrwürdige Eishalle von Graz Liebenau einkehren würde, war vor der letzten Saison klar. Was Gilligan dann aber vollbracht hat, dürfte selbst die größten Optimisten in der Steiermark überrascht haben. Obwohl andere Mannschaften besser besetzt waren, konnte er mit seinen Grazern die Liga von vorne weg diktieren. Zugegeben, die Murstädter hatten was Verletzungen betraf im Vergleich zu den Mitbewerbern das größte Glück, aber den Höhenflug nur darauf zurückzuführen wäre einfach falsch.
Bill Gilligan hat es binnen kürzester Zeit geschafft, sein Verständnis von Eishockey in die Köpfe seiner Spieler zu bringen. Selbst nach hohen und überzeugenden Siegen gab es immer wieder kritische Worte vom Trainer, der seine Mannschaft immer weiter entwickeln wollte. Doch dabei hat sich ein Problem ergeben: die 99ers kontrollierten das EBEL Feld von vorne, mussten während einer ganzen Saison nie kritische Situationen überstehen, machten nie die Erfahrung von wirklich langen Niederlagenserien. Auch so etwas schweißt eine Mannschaft zusammen und es kommt nicht von ungefähr, dass viele Trainer dem Verlieren ebenso große Bedeutung zumessen, wie dem Siegen. Mit jeder Niederlage lernt man für die Play Offs...
...und genau das scheint den Grazern in der letzten Saison gefehlt zu haben. Im Viertelfinale sah man sich plötzlich in einer völlig unbekannten Situation wieder: da standen Zagreber, die alles wollten, die mehr Biss hatten und auch das Herz am richtigen Fleck. Dem hatte man aus der steirischen Ecke nichts entgegen zu setzen und schied schließlich sensationell in der ersten Runde aus.
Ein paar Monate später geht Bill Gilligan mit seiner Truppe wieder an den Start und zählt auch dieses Mal nicht zum engsten Favoritenkreis. Warum das so ist kann wohl niemand so recht erklären, denn immerhin haben die 99ers in der vergangenen Saison angedeutet, was in ihnen steckt. Im Kader hat man ein paar Positionen neu besetzt und so neben etwas mehr „Feuerkraft“ auch noch Erfahrung importiert. Rein von der Papierform sind die Murstädter weiterhin nur Außenseiter, aber einer, der wieder für viel Ärger bei den EBEL Gegnern sorgen kann. Damit es für einen Höhenflug wie 2009/10 reicht, muss vieles zusammenpassen, die Play Offs dürften aber ohne Frage erreicht werden. Und vielleicht haben die Steirer dieses Mal ja das Verlieren gelernt und schaffen es in in die Vorschlussrunde... oder sogar weiter?
HF.at Prognose: Platz 4 bis 7
Die Kaderbewertung:
Torhüter:
Auf dieser Position stand in der letzten Saison eine der Schlüsselfiguren des Grazer Erfolgs im Grunddurchgang. Fabian Weinhandl war die klare Nummer 1 und konnte das in ihn gesetzte Vertrauen vollauf zurückzahlen. Mit einer Fangquote von 91,74% war er rein statistisch gesehen die Nummer 2 der EBEL und damit auch jener Rückhalt, den die Steirer ohne Zweifel auch 2010/11 brauchen werden. Die vergangene Spielzeit war die beste in der Karriere des erst 23-Jährigen und nun muss Weinhandl diese Leistung bestätigten. Daran sind schon ganz andere Kaliber gescheitert, denn gerade Konstanz ist es, die oftmals in dieser Phase einer jungen Torhüterkarriere fehlt. Dass er es kann hat Weinhandl bewiesen, dass er Spiele im Alleingang entscheiden kann ebenfalls. Jetzt fehlt nur noch die Bestätigung.
Hinter Weinhandl hat man bei den Graz 99ers mit Martin Iberer einen Ur-Steirer zurück in die Heimat geholt. Der 24-Jährige spielte in den letzten Jahren immer in der Nationalliga und brachte es dabei nie auf Fangquoten jenseits der 90%. Als Backup unter Bill Gilligan kann Iberer zwar mit Einsatzzeiten rechnen, ob er im Vergleich zur EBEL Konkurrenz aber eine ähnlich starke Nummer 2 abgibt darf vom Papier her angezweifelt werden. Es heißt also Daumen drücken bei den Grazern, dass Fabian Weinhandl an die Leistungen der letzten Saison anschließen kann und sich vor allem nicht verletzt. Alles in allem ein sehr junges Torhüterduo, mit vergleichsweise wenig Erfahrung, aber gerade auf der Einserposition auch mit großem Potential.
Bewertung: 3 von 5 Punkten
Abwehr:
In diesem Bereich der Mannschaft hat es während des Transfersommers einige wichtige personelle Änderungen gegeben. Mit Darcy Werenka kommt ein zwar alternder Verteidiger an die Mur, der aber nicht nur Erfahrung, sondern vor allem Power Play Stärke in den Kader bringt. Diese hat den Grazern in der letzten Saison an allen Ecken und Enden gefehlt, man verfügte nur über das achtbeste Überzahlspiel der Liga! Mit seinen Leaderqualitäten wird Werenka eine wichtige Rolle spielen, wenngleich er in der immer schneller werdenden EBEL eisläuferisch an seine Grenzen gelangt ist. Ebenfalls neu bei den Steirern ist Yannick Tremblay, der als Starspieler präsentiert wurde. Mit zahlreichen NHL Einsätzen kommt er aus der DEL in die Erste Bank Eishockey Liga. Ein großes Fragezeichen steckt hinter seiner Verletzungsanfälligkeit, die ihn schon in der Vorbereitungsphase außer Gefecht gesetzt hatte. Der Oberschenkel ärgert Tremblay bereits seit Jahren und man muss im Sinne der Grazer hoffen, dass man sich hier kein längerfristiges Problem eingekauft hat.
Ein derartiges Problem hatte Florian Iberer in der letzten Saison, nachdem bei ihm eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert wurde. Er kam nie wieder und wird nun sein Comeback geben. Dass er eine Mannschaft verstärken kann ist bekannt, vor allem seinen gefährlichen Blue Liner hat man in den letzten Jahren aber zu selten gesehen, wobei er sich in Graz bis zu seiner Verletzung deutlich besser machte, als noch zuvor in Linz. Sven Klimbacher spielte zuletzt ebenfalls eine gute und kompakte Saison und bestätigte damit das in ihn gesetzte Vertrauen. Mit den jungen Spielern Grahut, Stefan und dem aus Wien hinzugekommenen Lembacher hat man weiteres Talent in den eigenen Reihen, das aber nur um den sechsten oder siebten Abwehrplatz rittern wird. Denn davor stehen mit Nick Kuiper ein erfahrener Legionär und mit Viktor Lindgren ein Österreicher, der sich ebenfalls gut unter Gilligan entwickelt hat.
Im Vergleich zur letzten Saison wirkt die Abwehr etwas gefestigter und selbst bei Ausfällen könnte man mit Patrick Harand noch einen Stürmer nach hinten holen, der in Salzburg schon öfter in der Defensive ausgeholfen hat. Die Abgänge sind gut ersetzt worden und so darf man von der zweitbesten Defensive der letztjährigen EBEL auch in dieser Saison erwarten, dass sie nur wenig zulassen wird.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Angriff:
Die Offensivabteilung hat mit Greg Day und Eric Healey nicht nur zwei namhafte, sondern vor allem sehr wichtige Spieler verloren. Die beiden machten gemeinsam 48 Tore und 131 Punkte und gehörten zu den besten Angreifern der Liga. Bis zuletzt sah es daher im Angriff der 99ers danach aus, als hätte man sich verschlechtert, doch mit Mike Ouellette hat sich das zumindest verbessert. Er spielte in der letzten Saison bei Zagreb und schwebte in ähnlichen Punktesphären wie die oben genannten Spieler. Gespannt sein darf man auf Import Peter Lenes, der trotz seiner Größe oder besser gesagt Kleinheit (er misst nur 163 cm) in der EBEL einschlagen will. Ob er aber Leute wie Day und Healey vergessen lässt muss angezweifelt werden und auch der zurückgekehrte Matthias Iberer zeichnete sich in der Vergangenheit nicht gerade als Punktesammler aus. Das trifft auf J.P. Pare und Warren Norris schon eher zu und auch die Harand Brüder wissen, wo das gegnerische Gehäuse steht. Bei den Youngsters Ganahl, Dinhopel, Moderer, Woger und Wilfan darf man sich unter Gilligan eine Weiterentwicklung erwarten, sodass der Angriff insgesamt mit drei wirklich guten Linien gut sein dürfte. Die Mischung zwischen Arbeitern wir Markus Peintner, Patrick Harand und Co., sowie den Tricksern scheint gelungen, was man ja auch anhand der letztjährigen Torausbeute gesehen hat. Ob man aber die beiden Topscorer Day und Healey ersetzen kann wird man erst sehen, dennoch bleibt gerade hier ein kleines Fragezeichen.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Trainer:
Was soll man zu einem Mann wie Bill Gilligan noch sagen? Als Startrainer tituliert ist der 99ers Coach ein Mann mit Qualitäten. Er fordert seine Mannschaften über eine ganze Saison, findet auch nach Siegen immer wieder Verbesserungswürdiges und hat es sogar geschafft, in einem Vereinsumfeld wie in Graz für absolute Ruhe zu sorgen. Keine Zwischenrufe mehr aus dem Vorstand, kein Rumoren mehr seit er hinter der Bande steht. Zugegeben, in der letzten Saison hatte man auch herzlich wenig Grund dazu und auch Gilligan muss erst einmal beweisen, dass er mit Misserfolg während der Saison umgehen kann. Dennoch zählt er zu den besten Trainern in der Liga und nicht umsonst ist dort wo Gilligan ist in der Vergangenheit oft auch Erfolg gewesen.
Bewertung: 5 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 16 von 20 Punkten
Die Zwischenwertung:
1. Vienna Capitals 16,5 Punkte
2. Black Wings Linz 16 Punkte
2. Graz 99ers 4. Villacher SV 15 Punkte
Am Mittwoch geht es weiter mit Teil 5 in unserer Serie mit Rekordmeister KAC.
2. Black Wings Linz 16 Punkte
2. Graz 99ers 4. Villacher SV 15 Punkte
Am Mittwoch geht es weiter mit Teil 5 in unserer Serie mit Rekordmeister KAC.