Kaderbewertung: Wie weit tragen die Black Wings Flügel?
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marksoft -
5. September 2010 um 00:00 -
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In der letzten Saison waren die Black Wings das Überraschungsteam schlechthin. Im Halbfinale hat man ein 0:3 in der Serie gegen die Capitals noch aufgeholt und damit Geschichte geschrieben. Am Ende blieb der Vizemeistertitel und so etwas wie die Erinnerung an längst verloren geglaubte Eishockeyeuphorie in der Stahlstadt. Können die Linzer 2010/11 weiter auf dieser Welle schwimmen?
Nach drei Halbfinal-Outs waren die Black Wings in der letzten Saison für einige Überraschungen gut. In der Vorschlussrunde wurde Geschichte geschrieben und erstmals seit dem Jahr 2003 erreichte eine Mannschaft aus Linz das Finale. Dass dort dann die Luft nach zwei Auftaktsiegen draußen war und Salzburg Meister wurde kam wenig überraschend. Der Erfolg hat den Linzern für die neue Saison eine schwere Bürde aufgehalst. Zwar konnte man vor einigen Monaten keine Zeitung in Oberösterreich aufschlagen, keinen Radiosender hören und kein TV Programm einschalten, ohne auf die Stahlstädter zu stoßen, doch von dieser Euphorie ist zum Beginn der neuen Saison wenig geblieben. Die Erwartungen der Fans sind hoch, vielleicht sogar zu hoch, um sie zu erfüllen, denn die Black Wings gehören auch in der Spielzeit 2010/11 nur zum Kreis der Außenseiter.
Der Kader wurde wieder etwas geändert, wenngleich das Gros der Mannschaft zusammen blieb. Insgesamt scheint man in der Defensive etwas besser und tiefer besetzt zu sein, als noch in der letzten Saison, dafür wirkt die Offensive im Vergleich zu den letzten Jahren nicht mehr ganz so breit aufgestellt. Als offizielles Ziel gibt man bei den Oberösterreichern das Viertelfinale an, was kein Problem darstellen dürfte, aber dann wird es auch 2010/11 wieder schwer. Sportlich steht man also vor einer Herausforderung, die man finanziell schon vor dem Start gut gelöst hat. Das Budget der Stahlstädter wurde nach einer Reduktion im Vorjahr wieder auf das Niveau von vor zwei Jahren angehoben.
Bei den Black Wings wird es stark auf ihre Führungspersönlichkeiten ankommen: wie hält Westlund, treffen die Legionäre vorne und wie machen sich die Neuen in der Abwehr? Dazu noch die Hoffnung, dass sich niemand dieser Leistungsträger verletzt denn dann ist selbst das Minimalziel in Gefahr. Wenn es Trainer Kim Collins wieder schafft, seine Mannschaft perfekt Richtung Play Offs zu timen, diesen Kampfgeist der letzten Saison aufleben lässt und seine Spieler das auch am Eis umsetzen können, dann ist für die Linzer einiges möglich. Da aber auch die zuletzt hinter den Stahlstädtern klassierte Konkurrenz im Sommer nicht geschlafen hat, wird die Wiederholung des vierten Platzes im Grunddurchgang, wie man ihn 09/10 geschafft hat, zu einer großen Herausforderung werden.
HF.at Prognose: Platz 4 bis 7
Die Kaderbewertung:
Torhüter:
Mit Alex Westlund und Lorenz Hirn bleibt auf der Goalieposition in Linz alles beim Alten. Der US Amerikaner Westlund gilt allgemein als der beste Torhüter der Liga und hängt sein drittes Jahr in Linz an. Der vor Ehrgeiz nur so übergehende Sympathieträger ist auch das Um und Auf des Erfolgs bei den Black Wings – er kann Spiele alleine gewinnen, wenn es bei ihm läuft ist er nur schwer zu überwinden. Mit Lorenz Hirn hat er einen Backup hinter sich, der in den letzten Jahren nur wenig Eiszeit bekam, was sich aber jetzt ändern soll. Denn Westlund wirkte schon so manches Mal überspielt, was in einer langen Saison in entscheidenden Situationen den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen kann.
Jetzt soll also Lorenz Hirn öfter ran, das Talent zum EBEL Goalie hat der Vorarlberger auf jeden Fall. Nun heißt es für ihn, dieses auch unter Beweis zu stellen, was er in diversen Nachwuchsnationalteams schon durfte. Erfahrungen sammeln und für den Fall der Fälle gerüstet sein, das ist die Devise für Hirn. Eines darf aber in Linz auf keinen Fall passieren: eine Verletzung Westlunds. Davon war er in den vergangenen zwei Jahren verschont, doch sollte der US Keeper ausfallen, heißt es für die Oberösterreicher zittern. Das Leistungsgefälle zum Backup ist ohne zweifel vorhanden, während man bei einigen Ligakonkurrenten auf gleich starke Torhüter setzt. Somit hieße eine Verletzung auch gleich wieder Handeln.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Abwehr:
In diesem Bereich hat man beim EBEL Vizemeister das größte Verbesserungspotential gesehen. Mit den beiden neuen Legionären Reid Cashman und Aaron MacKenzie dürfte man sich im Vergleich zur letzten Saison in der Tat verbessert haben. Sie nehmen die Plätze von Buckley und Gruber ein – der Qualitätssprung ist also offensichtlich, wenngleich man abwarten muss, was die „Neuen“ über eine gesamte Saison zeigen. Insgesamt stehen vier Fremdarbeiter in der Abwehr, wobei man mit Franklin MacDonald und Rich Bronilla weiß, was man hat. MacDonald ist ein unglaublicher Skater mit viel Übersicht, der wenig Fehler macht. Ein unscheinbarer, aber wichtiger Spieler, der sich für die Mannschaft aufopfert. Das tut auch Rich Bronilla, der in den Play Offs sogar mit angebrochenem Fuß am Eis stand und so etwas wie die Linzer Überraschung der letzten Saison war. Er kam aus der zweiten Deutschen Liga und überzeugte vollauf. Mit Robert Lukas hat man einen Teamspieler in den Reihen, der viel Offensivgeist hat und unter Collins auch nicht mehr ganz so fehleranfällig agierte, wie noch unter Jim Boni.
Um den sechsten und letzten Platz im Stammkader streiten sich zwei echte Linzer: Michael Mayr und Andreas Reisinger. Mayr spielte die Saison seines Lebens und wusste mit kompaktem Spiel aufzuzeigen, jetzt muss er seinen Platz aber verteidigen. Andreas Reisinger hat sich nicht nur körperlich weiter entwickelt, sondern in Salzburg auch einiges dazu gelernt. Das wirft er nun in den Kampf um einen Abwehrplatz. Und dahinter wartet noch ein Linzer: Niklas Mayrhauser gilt als unglaubliches Talent, ist erst 16 Jahre jung und soll ganz langsam an die Bundesligaluft gewöhnt werden. Zwar wird er noch viel beim Farmteam in der Oberliga spielen, doch alleine, dass von hinten etwas nachkommt darf in Linz als großer Erfolg gewertet werden. Ganz schwer wird es Fabian Scholz haben, denn er wird nur ein Notnagel in der Abwehr sein, derzeit wird sogar spekuliert, ob er nicht in der Oberliga beginnen wird.
Insgesamt ein starkes Abwehrpaket, das nur ein großes Problem hat: die Durschlagskraft nach vorne. Zwar gibt es einige offensiv gute Defender beim Vizemeister, doch der Scoringpunch von der blauen Linie fehlt. Das dürfte sich auch in dieser Saison nicht ändern.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Angriff:
Der Linzer Angriff strotzt nur so vor einigen wirklich bekannten EBEL Namen. Pat Leahy war in der letzten Saison im Grunddurchgang das Um und Auf als Scorer, ließ dann aber im Play Off nach. Dafür kamen genau zu dieser Zeit des Jahres zuerst Brad Purdie und dann Rob Shearer und sprangen ein. Das ist es auch, was die Black Wings Offensive so stark macht: immer wieder gibt es hier Spieler und ganze Linien, die fürs Toreschießen gut sind. Mit Eric Healey hat man hier noch einen geholt, der sich perfekt einfügt. Man darf aber gespannt sein, ob er die kämpferische Einstellung von Markus Matthiasson, dessen Platz er einnimmt, aufs Eis mitbringt und ebenso wie der Schwede in der Kabine eine Respektsperson ist.
Das sind Leute wie Kapitän Philipp Lukas und Gregor Baumgartner auf alle Fälle, wenngleich es am Eis in der letzten Saison nicht ganz nach Wunsch klappte. Vor allem die Torgefahr ließ bei beiden zu wünschen übrig. Das könnte man auch von den Herren Ibounig, Schlacher und Oberkofler behaupten, wenngleich diese ganz andere Rollen im Team zu spielen haben. Einen sehr positiven Eindruck hinterließ zuletzt Martin Grabher-Meier, der sich in der Aufstellung immer weiter nach vorne spielte und sogar als Verteidiger einsetzbar ist. Kein spektakulärer Spieler, der aber unglaublich wichtig im Collins-System ist. Eine neue Chance erhalten Martin Mairitsch und Matthias Schwab, die zuletzt im Salzburger Farmteam spielten. Damit geht Linz den Weg weiter, Österreichern eine Chance zu geben. Die bekommen auch die Linzer Fabian Ecker (aus Salzburg zurück) und Christian Haidinger. Sie werden zwar weniger Eiszeit bekommen, diese müssen sie aber nützen.
Insgesamt haben die Black Wings erneut eine gute Offensive, die aber etwas an Tiefe eingebüßt hat. Die ersten Reihen sind sicher auch im Vergleich zu den Top Teams konkurrenzfähig, nach hinten hin wird es aber schwieriger. Mit Mark Szücs (Co Trainer) hat man für die vierte Linie einen Leader verloren, der zwar nicht mehr viel getroffen, dafür aber die Jungen geführt hat. Das fehlt nun völlig und man darf auch mit Spannung erwarten, ob Leute wie Mairitsch oder Schwab einen Schritt nach vorne machen können. Wenn das gelingt, dann verfügen die Oberösterreicher wieder über eine sehr ausgeglichene Offensivabteilung, die aber wie ein Überraschungsei ist: alles kann drin sein – von der Ladehemmung bis zur Torlawine.
Bewertung: 4,5 von 5 Punkten
Trainer:
Im ersten Jahr wurde Kim Collins bereits Vizemeister, was ihm kaum jemand zugetraut hatte. Nach Jim Boni hatte er ein schweres Erbe anzutreten, denn der nach Ingolstadt abgewanderte Trainer hatte sich viele Sympathien in Linz geholt. Doch Collins hat mit seiner offenen Art und Weise alle Zweifler überzeugt und auch in der Mannschaft ein Feuer entfachen können. Wenn es nötig ist, kann Collins auch sehr laut in der Kabine werden, um seine Spieler aufzuwecken.
Während er im letzten Jahr mit Rick Nasheim einen erfahrenen Mann an seiner Seite hatte, dessen Beitrag zum Erfolg deutlich höher war, als allgemein wahrgenommen. Nach Nasheims Abgang baut man in Linz auf einen Neuling im Trainerbereich. Mark Szücs wechselt direkt von der Spieler- auf die Trainerbank und hat vor allem die Aufgabe, sich um die vielen jungen Spieler im Team zu kümmern. Ob er auch den Job der Videoanalyse ähnlich lösen kann, wie Rick Nasheim (gilt in diesem Bereich als fast unerreichbar) wird man sehen. Insgesamt dürfte aber auf Trainer Collins mehr Arbeit warten, denn in der letzten Saison hatte er sich um die Offensivabteilung gekümmert, Nasheim war für die Defensive zuständig. Ob dem auch Mark Szücs in seinem ersten Jahr hinter der Bande gewachsen ist? Es gibt also einige Fragezeichen, was das Trainergespann in Linz betrifft und rein von den Namen her sind einige Mitbewerber in der EBEL in diesem Bereich besser besetzt.
Bewertung: 3,5 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 16 von 20 Punkten
Die Zwischenwertung:
1. Black Wings Linz 16 Punkte
2. Villacher SV 15 Punkte
Am Montag geht es weiter mit Teil 3 in unserer Serie – dann geht es um die Vienna Capitals.