Interview – D. Werfring: Unser Wille war der Schlüssel zu Gold

Chefcoach Dieter Werfring hat vor wenigen Tagen das österreichische U20-Nationalteam in die Elitedivision geführt. Im entscheidenden Spiel wurde der Gastgeber Dänemark mit 8:3 bezwungen. Der Vater des Aufstiegs spricht im Hf.at-Interview über das Turnier, die jahrelange Vorbereitung, die wichtige Rolle der EBEL-Vereine und seine Idee durch ein Scouting-System das derzeit ungenutzte Potenzial im heimischen Nachwuchsbereich erschließen zu können. War der Aufstieg unter die besten zehn U20-Nationen der Welt für den Trainer eine wirkliche Überraschung? Ich bin jetzt das 4. Jahr Trainer, die letzten beiden Jahre holten wir Silber. Der Erfolg hat mehrere Gründe. Vor zwei Jahren haben wir begonnen mit Lembacher, Bacher und Schiechl U18-Spieler raufzuziehen. Letztes Jahr waren es Ulmer, Scholz und Maier. Diese Jungs haben sich das immer verdient. Wir haben uns dabei etwas gedacht und Spieler integriert die unserer Meinung nach in Zukunft das österreichische Eishockey prägen könnten. Gemeinsam mit den gestaltenden Akteuren der jeweiligen U20-Jahrgänge wie z.B. Rotter und Raffl haben wir die Teams zusammengestellt. Natürlich haben wir auch darauf gehofft und sind davon abhängig, dass einige Spieler ein paar Shifts in der EBEL bekommen, und das hat dieses Jahr funktioniert. Wir haben versucht in die Köpfe der Spieler einzubrennen, dass es möglich ist zumindest bis ins Finalspiel zu kommen. Der Showdown Österreich – Dänemark war voraussehbar, der Aufstieg daher keine Überraschung. Natürlich ist alles für uns gelaufen aber wir haben Schritt für Schritt zwei Jahre auf den Aufstieg hingearbeitet und durch ein Auswahlverfahren nur willensstarke Spieler geholt die in jeder Phase der WM alles erreichen wollen, immer alles geben und an den Sieg glauben. Konsequente Arbeit und Teamzusammenstellung. Trainer, Betreuer (Zeugwart, Arzt etc.) und Spieler waren eine Einheit, das bildete den Grundstock zum Erfolg. Wir waren ein gut eingespieltes Team und hatten Spaß bei der Sache. Wie und nach welchem taktischen Konzept haben Sie die Mannschaft aufgestellt? Jeder Spieler hat seine Aufgabe. Wir spielen jedes Jahr mit zwei Powerplay-Formationen und haben 5-6 Spieler für die Unterzahlsituationen. Das Pulver darf nicht verschossen werden. 5 Spiele in 7 Tagen, da muss die Last auf die ganze Mannschaft aufgeteilt werden. Jeder hat etwas beizutragen und ist ein wichtiger Baustein. Und du musst in jeder Situation, egal ob bei 5 gegen 5 oder in Unter- bzw. Überzahl, deine Stärken ausnutzen. Wie heißt es so treffend: Offense wins Games, Defense wins Championships. Wir sind hinten sicher gestanden, haben klug herausgespielt und die Schnelligkeit unserer Stürmer ausgenutzt. Gab es im Rückblick ein Schlüsselereignis? Das Spiel gegen Norwegen war extrem wichtig. Norwegen zählt immer zu den Favoriten, sie haben sehr gut gespielt. Das Ergebnis ist ein wenig zu hoch ausgefallen. Aber wenn du weißt, du kommst über Norwegen drüber, dann gibt dir das einen zusätzlichen Motivationsschub. Uns war klar, jetzt können wir es erreichen, Gold ist greifbar nahe. Ungarn und die Ukraine musst du schlagen, Italien kannst oder solltest du schlagen. Die Niederlage hat uns schlussendlich nicht geschadet, wir wussten für den Aufstieg zählt die direkte Begegnung gegen Dänemark. Österreich bekam im Schnitt unter allen Teams die wenigsten Strafminuten, spielte sehr diszipliniert. Egal in welcher Altersgruppe, in Unterzahl gewinnst du keine Weltmeisterschaft. Wir spielten clever und diszipliniert, unser Powerplay war sehr gut. Wir wussten, zieht der Gegner mehr Strafen dann können wir gewinnen. Denn in Überzahl spielen können andere Teams genau so. War es gewagt mit Torhütern des 90er-Jahrgangs nach Dänemark zu fahren? Ich kenne diese zwei Torleute seit der U12. Beide waren bei der letzten U18 WM in Riga dabei. Ich habe sie dort gesehen. Es standen auch ältere zur Debatte aber beide haben Talent und WM-Erfahrung. Wieser zwar zwei-, Hirn einmal bei einer U18 WM dabei. Sie haben das Vertrauen bekommen weil sie gut in ein Team passen. Es gibt bei ihnen keine Eifersucht, sie können gut miteinander und mit dem Team. Ich sehe, dass in beiden großes Potenzial steckt. Auch die OT-Niederlage gegen Italien hat das Team nicht aus der Ruhe gebracht. Warum? Wir wollten gewinnen. Vielleicht hat es der Mannschaft noch ein wenig mehr Motivation gebracht weil wir verloren haben. Also eine Trotzreaktion, jetzt erst recht! Italien ist immer ein gleichwertiger Gegner. In der Vorbereitung haben wir nach hartem Kampf in der Overtime knapp mit 6:5 gewonnen. Man darf auch nicht vergessen, dass wir am Vortag die schwere Partie gegen Norwegen hatten. Der Sieg hat viel Substanz gekostet. Italien ist gegen Ungarn nicht wirklich gefordert worden. Sie haben beim 8:2 viel Kraft gespart. Das alles entscheidende Spiel gegen Dänemark war ein Wechselbad der Gefühle. Was war der Knackpunkt zugunsten unserer Mannschaft? Bis zum 5:3 war es ein ausgeglichenes Spiel. Wir lagen mit 3:1 in Führung, kassierten jedoch früh im 3. Drittel wegen einer dummen Strafe das 3:3. Bei diesem Stand zog ein Däne allein aufs Tor aber Wieser konnte mit einem Big Save das 3:4 verhindern. Im Gegenzug gelang uns das 4:3, dann das 5:3. Es war ein Kampf auf Biegen und Brechen. Die Dänen hätten genauso gewinnen können. Unser Plus: Das Herz! Wir haben nie aufgegeben, auch nach dem 3:3 Ausgleich nicht. Das Team wollte weiterspielen und weiterarbeiten. Der Sieg war eine reine Willenssache. …also das Team ist der Star? Ja, das Kollektiv war entscheidend. Wir haben mit 4 Blöcken gespielt. Beim Stand von 3:3 habe ich auf 6 Verteidiger umgestellt. Wir waren den Dänen ebenbürtig, wollten mehr und haben uns nie aus der Ruhe bringen lassen. Das Team blieb in der Defensive konzentriert und hat gutes Kontereishockey gespielt. Wie geht ein Dieter Werfring bei der Teamzusammenstellung vor? Ich bin seit 18 Jahren im Nachwuchsgeschäft tätig. Ich kenne diese Spieler von klein auf. Jedes Jahr fahre ich Ende April zum Nachwuchs-Eishockey-Turnier nach Zell am See, schaue mir dort die Auswahlteams an und bin im Sommer bei den Elitecamps. Als Nachwuchstrainer in Linz sehe ich regelmäßig U20 und U17 Spiele. Da ich in Salzburg wohne habe ich auch dort heuer alleine schon 30 Spiele gesehen, den Rest in Linz. Von der EBEL bis hinab zu den jüngsten Kategorien. Ich kenne daher die Spielertypen die man für ein Team braucht. Ich war schon zweimal dabei als Österreich aufgestiegen ist. Es ist alles viel harte Arbeit die nicht von heute auf morgen geht. Nächstes Jahr warten in Kanada die „großen Kaliber“. Der 89-Jahrgang und somit 12 Spieler fallen altersbedingt weg. Gibt es schon Ideen bezüglich des Kaders? Es gibt gute 90er, 91er und 3 bis 4 sehr talentierte 92er. Ich war in Riga bei der U18 WM vor Ort und auch dort wäre der Aufstieg möglich gewesen. Da haben Kleinigkeiten den Aufstieg verhindert…mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. In der Top-Division ist Österreich klarer Außenseiter und zählt zu den Abstiegskandidaten. Oder ist diese Einschätzung zu pessimistisch? Der Weg wird ein sehr schwerer sein, das muss jedem bewusst sein. Wir sind im Nationenranking zwischen Platz 9 und 14 einzustufen, zählen also immer zu den Auf- und Absteigern. Es entscheiden 1 bis 2 Spiele ob man oben bleibt oder nicht. Mit Nationen wir Russland, Kanada oder Schweden können wir uns nicht vergleichen, die haben bessere Voraussetzungen und Strukturen. Unser Ziel ist, dass wir oben bleiben. Natürlich vorausgesetzt der Verband schenkt mir nächstes Jahr wieder sein Vertrauen. Ich habe 30 bis 35 Spieler im Kopf und umfangreiche Infos über jeden einzelnen in meinem Laptop. Ohne Visionen braucht man an keine Sache ran gehen. Ich wollte schon immer Mal aufsteigen. Realistisch gesehen ist es schwer aber wenn man an nichts glaubt dann bleibt man besser gleich daheim. Ja, wir sind ein Abstiegskandidat. Doch mit einer guten Auslosung, schlagbaren Gegnern und einer Topleistung in den entscheidenden Spielen in der Vor- und Abstiegsrunde ist der Verbleib möglich. Viel hängt auch davon ab ob die Jungen in der Liga wieder eine Chance bekommen. Ich hoffe, der Einsatz von Fischer, Schiechl, Herburger, Kristler und Maier war erst der Anfang und keine Ausnahme. Hoffentlich sind die Vereine so gescheit und geben jedes Jahr einem Jungen die Chance, denn nur so kann unser Eishockey eine Zukunft haben. Einige Fragen zum Thema Nachwuchs in Österreich generell. Seit der Einführung der Punkteregel in der EBEL wird eifrig über die mittel- und langfristigen negativen Auswirkungen auf unseren Nachwuchs diskutiert. Wie sieht das der Trainer der U20-Nationalmannschaft? Ich bin ehrlich, für mich wären 5 Ausländer pro Team in der Liga genug. Der Rest sollten Österreicher sein. Gibt es konkrete Verbesserungsansätze? Braucht unser Nachwuchs andere / bessere Strukturen? Meine Idee wäre die Einführung eines Scouting-Systems. Man müsste 3 bis 4 Experten finden die sich im Nachwuchsbereich in Österreich gut auskennen und die Spieler beobachten. Diese, ich sage mal 40 bis 50 ausgewählten Spieler, gehören dann forciert. Z.B. könnte jeder Verein 1 bis 2 dieser Spieler nehmen und eine konkrete Chance geben. Ich stelle zum Thema Nachwuchs zwei wesentliche Fragen: Kennen unsere Vereine diese guten Spieler? Wer geht beobachten? Letztes Jahr war die U20-WM der I. Division in Deutschland, gespielt wurde in Bad Tölz. Die Anreise mit dem Auto ist also kein Problem. Das wäre für die Vereine eine gute Gelegenheit gewesen sich die Spieler genau anzusehen und zu schauen wie sich die Jungs im Turnier schlagen. In der österreichischen Nachwuchsliga ist nicht erkennbar welche Klasse sie haben aber auf internationalem Niveau kann man sehen wie gut sie wirklich sind. Ich habe keinen Vertreter eines Vereines gesehen, keinen einzigen. Zumindest geben einige Vereine ihren besten Jungen eine Chance… Die Jungs die dieses Jahr von den Vereinen eine Chance in der EBEL erhalten haben, z.B. Heinrich oder Kristler, haben ihre Chance genutzt. Aber die hätten sich diese schon vor Jahren verdient. Man darf sich nicht wundern, dass die österreichischen Spieler so teuer sind. Die anderen Ligen im Ausland schieben die Jungen nach, sorgen für Druck von unten. Wenn man die Jungen nicht nachbringt funktioniert das Rad bzw. der Kreislauf nicht. Würde man jährlich junge Spieler integrieren hätte man genug Auswahl. Das hat man in den letzten Jahren klar verabsäumt. Wir müssen unsere talentierte Jugend sichten, beobachten, entwickeln und formen. Das Potenzial wird nicht genutzt. Heute gibt es sogar zwei Clubs die keinen einzigen Jungen Spieler in der Mannschaft haben. Das ist für das österreichische Hockey eine Katastrophe. Beispielsweise schafft man es in unserer Hauptstadt, einer Millionenstadt, nicht 1 bis 2 Spieler in die EBEL zu bringen. Ich weiß nicht wo die Spieler sind. Die haben mehrere Nachwuchsmannschaften und mit NÖ ein dementsprechendes Einzugsgebiet. Der Jugend kann man nicht die Schuld geben. Das Gegeneinanderarbeiten in Österreich im Nachwuchsbereich bringt nichts, ich bin für das Miteinander. Im Verband hat sich vieles zum Besseren verändert, es gehört aber auch dort noch an einigen Dingen gearbeitet. Wenn ich bei den Vereinen anrufe dann sagt mir z.B. einer sie hätten 7 Spieler fürs Nationalteam. Beim Team ist dann nicht ein einziger dabei. Viele Vereine glauben sie hätten die besten Spieler, sind eifersüchtig auf andere. Wir brauchen daher ein von Experten getragenes Scouting-System. Das Scouting-System kann aber auch jeder Verein selbst beginnen. Wie gesagt, in Tölz habe ich niemanden gesehen. Egal welcher Verein, es sollte doch im Eigeninteresse stehen gute junge aufbaufähige Spieler zu sichten. Gibt man diesen eine Chance zum Aufbau und zur Weiterentwicklung, rechnet sich das in der eigenen Vereinskasse, weil sie günstiger sind.