Russland - die neue Eishockeybedrohung?
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marksoft -
4. Juli 2008 um 07:06 -
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Viel wurde in den letzten Wochen über sie geschrieben: die neue Kontinentale Hockey Liga (KHL). Als Konkurrenz für die NHL will sie sich etablieren und hat den Nordamerikanern den Kampf um die Top-Spieler angesagt. Doch wie weit kann die RSL überhaupt Herausforderer sein? Oder zerstört sie gar das europäische Eishockey?Was im Fußball seit Jahren gang und gäbe ist, hat nun auch im Eishockey Einzug gehalten. Die Öl-Milliardäre Russland stecken vermehrt ihr Geld in den schnellsten Mannschaftssport der Welt. Eishockey gilt im Riesenreich als eine der beliebtesten Sportarten und es liegt auf der Hand, dass die geschäftstüchtigen Oligarchen auch hier ihre Hand ausgestreckt haben.
Imagekampagnen
Der Reichtung der betuchten Russen kommt aus dem Öl-, Erdgas- oder Metallgeschäft und die Sportvereine hält man sich als Werbeträger. Die Oligarchen geben sich in den seltensten Fällen mit kleinen Fischen ab, wollen immer ganz nach oben.
Also haben sich die Eishockey-Chefs etwas ausgedacht: man will ein Gegenstück zur NHL schaffen, die RSL (Russian Super League) wird sterben, dafür wurde eine Continental Hockey League (CHL) aus der Taufe gehoben. Die 24 besten Teams Russlands, Lettlands und Kasachsten treten an, die Macher im Hintergrund sind erfahrene Kapazunder.
So etwa Bob Goodenow, der ehemalige Präsident der NHL Spielergewerkschaft NHLPA, oder Russlands Eishockey Legende Vjacheslav Fetisov. Der Hauptsponsor ist auch kein Unbekannter: Gazprom, im Fußball bereits omnipräsent.
Kommt die Europaliga?
Angedacht wäre, dass sich die CHL mittelfristig zu einer Art Euroliga entwickelt. 32 Mannschaften aus ganz Europa soll sie umfassen - mit Österreichs Meister Red Bull Salzburg soll ebenso bereits gesprochen worden sein, wie mit Vertretern aus Deutschland, Schweden und Finnland.
Doch es gibt kaum Zeichen, dass dieses Vorhaben gelingen wird. Bisher gab es für diese europäische Liga nur Absagen aus den anderen Ländern. Der Grund liegt auf der Hand: die heimischen Fans würden sich wohl kaum für Spiele gegen Sankt Petersburg und Co. interessieren. Eishockey lebt von seinem lokalen Duellen, den Rivalitäten innerhalb der nationalen Ligen. In Salzburg hat man schon Probleme, die Halle gegen österreichische Gegner voll zu bekommen - wenn dann alle paar Tage ein europäisches Team gastiert, wird sich das nicht gerade zum Positiven verändern.
Vorbild NHL
Man möchte mit der CHL zwar Konkurrent zur NHL sein, doch man nimmt sich die beste Liga der Welt zum Vorbild. Es wird Standardverträge, ein Draftsystem und einen Salary Cap (12,3 Millionen Euro pro Team) geben. 4,8 Millionen Euro aus diesem Budget dürfen an die vier Top-Spieler fließen.
Keine Angst in Nordamerika
Genau diese Zahlen sind es auch, die den NHL Teams absolut keine Angst machen. Die Salary Caps in Nordamerika liegen um ein Vielfaches höher, die Rahmenbedingungen sind um Welten voraus. In der CHL gibt es Mannschaften, die spielen in Hallen mit 5.500 Zuschauern. Selbst wenn sich zum Beispiel Europas Zuschauerkrösus Bern mit seinen 15.939 Fans pro Spiel in die CHL begeben würde (was die Schweizer nicht tun wollen), wäre ihre Halle noch immer am unteren Ende der NHL Zuschauerstatistiken angesiedelt.
Im Schnitt kommen zu Heimspielen russischer Teams 5.000 Zuschauer, die durchschnittlich 150 Rubel (ca. 4 Euro) bezahlen. So kann man mit der NHL sicher nicht mithalten... Der Salary Cap dürfte zwar in den nächsten Jahren weiter angehoben werden, doch in NHL Regionen wird die CHL nie vorstoßen.
Gefahr für Europa
Die NHL kann diese Liga als noch nicht gefährden. Sicher, einige Spieler werden Nordamerika verlassen und sich in Russland versuchen. Doch Top-Stars werden das keine sein. Schon die Absage von Evgeni Malkin in den letzten Tagen bewies, dass die Superstars aus der NHL genau wissen, wo das beste Umfeld herrscht.
Die Helden aus der zweiten Reihe bzw. alternde Stars könnten sich aber angesichts der teilweise hohen Gehälter in Russland durchaus überlegen, in den Osten zu übersiedeln. Das schätzt auch "Hockey News" Kolumnist Ken Campbell so: "Die Russen werden ultimativ erfolglos sein, große Stars in ihre Liga zu holen. Die Verantwortlichen werden ohne Zweifel lernen, was viele schon in den letzten Jahrzehnten gelernt haben: dass es absolut unmöglich ist, das große Ganze der NHL zum Einsturz zu bringen. Die besten Spieler werden immer ihren Weg in die NHL finden. Das war immer so und wird für immer so sein. Das ist sicher nicht so sexy, wie der Gedanke, dass die NHL ihr Monopol verliert, aber es ist ein Fakt."
Die CHL ist aber eine Gefahr vor allem für die europäischen Topligen. So wechselten bereits zahlreiche Spieler aus der DEL, Schweden und Finnland nach Russland. Das sieht auch DEL Boss Gernot Tripcke in der aktuellen Ausgabe der "Eishockeynews" so: "Es ist richtig, dass die russische Liga mit ihren finanziellen Möglichkeiten zu einer großen Konkurrenz für die anderen europäischen Ligen geworden ist. Selbst die NHL kann teilweise bei den Gehältern nicht mehr mithalten. Es ist schade für die Fans, dass so tolle Spieler den Weg nach Russland gehen. Dennoch werden wir in der DEL immer Stars haben. Der eine oder andere Spieler überlegt sich sicherlich zweimal, ob er lieber für weniger Geld in der DEL Spielt, dafür mehr Lebensqualität genießen kann, oder für mehr Geld in der CHL Abstriche im Umfeld macht."