(K)Eine Perspektive für das Nationalteam?!
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marksoft -
22. April 2008 um 12:44 -
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Die Mission Wiederaufstieg wurde erfolgreich finalisiert, die „Vanekmania“ offiziell beendet. Wir sind zurück im Pool der Besten. Innsbruck war eine willkommene Dosis Eishockeyeuphorie. Denkt man jedoch über die Zukunft unseres Nationalteams nach, wird die Freude schnell getrübt.„Die ganze Mannschaft hat ein Ziel gehabt und sich von der optimalen Seite präsentiert. Der Aufstieg ist sehr wichtig für das Eishockey in Österreich“, kommentierte Lars Bergström die Leistung seines Teams im Zuge der Pressekonferenz nach dem 7:3 gegen Polen. Eine geschlossene Mannschaftsleistung mit einer alles überragenden Offensive, die auf B-Niveau eine nicht immer sattelfeste Verteidigungsleistung mehr als überkompensierenden konnte. Selten hat man in den letzten Jahren das österreichische Nationalteam so fokussiert und engagiert spielen und konsequent über mehrere Partien hinweg ein System umsetzen gesehen. Ohne Zweifel ein Verdienst des schwedischen Teamtrainers. Österreich darf sich nach dem ungeliebten Zwischenspiel in der Division I nächstes Jahr in der Schweiz endlich wieder mit den erlesensten Eishockeynationen der Welt messen.
Visionär Bergström
Österreichs Eishockey steht nun wieder gut da, gehört zu den Top-16 der Welt. Die Frage ist nur, wie lange? Bergström hat sich darüber so seine Gedanken gemacht. Er entwarf eine Vision, eine Idee für ein erfolgreiches Nationalteam von morgen. Die langfristig orientierte Strategie mit dem Namen „Vision 2014“ hat den dauerhaften Verbleib in der A-Gruppe zum Hauptziel. Bergström will Österreich dort in naher Zukunft unter den besten 10 Nationen platzieren, spricht vom Viertelfinale. Ob und was von der gedanklichen Vision in strukturelle und organisatorische Formen gegossen wird, hängt wesentlich von der Entscheidung des Ideengebers selbst ab. Der Teamchef ließ nach dem Polen-Spiel seine Zukunft vorerst offen: „wir denken langfristig, ich habe aber gesagt, wir arbeiten Jahr für Jahr.“ Gleichwohl, alles andere als eine Vertragsverlängerung würde einem Paukenschlag entsprechen.
Der Teamchef weiß, dass einer langfristigen Positionierung im A-Pool einige Hindernisse im Weg stehen. Viele Nationen wie Deutschland, die Schweiz oder auch ehemals unterlegene wie Dänemark sind uns heute in der Nachwuchsarbeit einen großen Schritt voraus: „Wir haben eine zu kleine Auswahl, zu wenige Spieler sind im Ausland. Dänemark hat alleine in den schwedischen Ligen 37 Legionäre, wir haben insgesamt nur gute 10.“ Die heimische Nachwuchslandschaft ist seit jeher durch die Ausbildungsstätten in den Vereinen geprägt. Gemeinsame, vereinsübergreifende Nachwuchsstrukturen und -programme bzw. unabhängige Eishockeyschulen gab es bis dato keine. Nun aber ist die an sich schon dünne Decke an heimischen Leistungsträgern akut vom Einsturz bedroht.
Dunkle Wolke Punkteregel
Knackpunkt aller Diskussionen um die Zukunft unseres Nationalteams ist die Punkteregelung der EBEL. Die umstrittene und völlig undurchsichtige Regel, ursprünglich entworfen mit dem Ziel einer Budgetdeckelung, ist kein Jahr alt und wirft bereits jetzt bedrohliche Schatten auf die Zukunft unserer Auswahlmannschaften. Viele gute Österreicher werden durch die Punkteregelung durch Ausländer ersetzt, wandern in die Nationalligamannschaften ab und treten dort in Konkurrenz mit aufstrebenden heimischen U18- und U20-Spielern. Dieser Verdrängungswettbewerb geht auch in den unteren Ligen munter weiter. Ein fataler Teufelskreis. Dem Nachwuchs wird so die Perspektive genommen, dem Nationalteam der Nährboden entzogen. Allein, dieser untragbare Zustand scheint die Funktionäre der EBEL, wie auch einige Vereine, nicht sonderlich zu stören.
Zwar gesteht Ligapräsident Nedwed ein, „dass das Punktesystem eine Kompromisslösung ist“ und „es durchaus Ecken und Kanten [gibt], vor allem was die österreichischen Spieler betrifft“, die beseitigt werden müssen. Dennoch folgen den schön anzuhörenden Stehsätzen keine Taten. "Wir sind in der Situation, dass wir zu wenig Österreicher in der Liga haben. Daher wollen wir den eigenen Nachwuchs forcieren - erste Ansätze sind ja schon sichtbar“. Freilich werden diese realitätsfernen Aussagen nicht einmal im Ansatz anhand von Fakten untermauert. Die erschreckend kurzsichtigen Kommentare der EBEL-Funktionäre im Rahmen ihrer Sitzung in Innsbruck sollten jeden Eishockeyfan alarmieren, denn Fakt ist, dass die EBEL Schritt für Schritt zu einer Nachwuchs schädigenden Legionärsliga mutiert. Angesichts der bereits heute bestehenden Probleme im Nachwuchsbereich, zeichnet sich daher sein äußerst düsteres Zukunftsszenario ab.
Großbaustelle Defensive
Offensichtliche Achillesverse unseres Nationalteams ist die Verteidigung. Und die Situation wird sich in den nächsten Jahren weiter zuspitzen. Das Durchschnittsalter unserer Top-6 in Innsbruck lag bei stattlichen 32 Jahren. Ersetzt man im Kader der B-WM Martin Ulrich mit Andre Lakos, und fügt noch Martin Oraze und Gerd Gruber hinzu, hat man in etwa – Auslandsösterreicher ausgenommen – den Kern unserer Teamverteidigung für die kommenden 2-3 Jahre. Ein Kern mit viel Erfahrung? Ja. Auch einer mit A-Niveau? Wohl kaum. Leistungsmäßig ist unsere Defense wohl eher zwischen A- und B-Pool beheimatet. Was daher dringend gebraucht wird ist eine gesunde Mischung aus Erfahrung und Jugend. Doch wie oben erwähnt, letztere fehlt fast gänzlich. A-Gruppentaugliche, technisch bewanderte und eisläuferisch gute Verteidiger, versiert im schnellen Umschalten zwischen Offensive und Defensive - eine Fehlanzeige. Zwar versprechen die Jahrgänge 91-93 viel Gutes, vom jungen Talent bis hin zum Teamspieler ist der Weg in Österreich aber spätestens seit der Einführung der Punkteregelung weiter denn je zuvor. Viele, insbesondere jene mit Potential, ziehen die Konsequenzen, wechseln den Verein, einige gehen ins Ausland (bestes Beispiel ist die Situation in Wien) oder entsagen gar frühzeitig einer möglichern Spielerkarriere.
Der Ruf nach einer zahlenmäßigen Beschränkung der Legionärsplätze wird da immer lauter. Als Beispiel werden häufig die skandinavischen Ligen herbeigezogen. Die Ausländerbeschränkungen in Skandinavien existieren und greifen allerdings unter völlig anderen Voraussetzungen. In Schweden und Finnland gibt es ein ausreichend großes Angebot an guten heimischen Cracks. Die wenigen Ausländer in den Teams sind fast ausnahmslos Hochkaräter. So gesehen macht eine Ausländerbeschränkung in Österreich derzeit nur wenig Sinn. Die zu dünne Basis an erstligatauglichen heimischen Spielern müsste durch leistungsmäßig unterklassige Spieler aufgefüllt werden. Und Quantität führt nicht zwingend zu Qualität, der sinkende Konkurrenzkampf ums Leiberl könnte sogar zu einer Nivellierung nach unten führen. So lange keine nachhaltigen Nachwuchsstrukturen existieren, wird eine allfällige Legionärsbeschränkung nicht den erhofften Effekt und Nutzen bringen.
Legionäre mit Fragezeichen
Apropos Legionäre. Thomas Vanek, Österreichs Eishockeystar in Diensten der Buffalo Sabres, hat bei der Mission Wiederaufstieg tatkräftig mitgeholfen und überdies der B-WM mit seiner bescheidenen Art einen glanzvollen Schimmer im heimischen Medienzirkus verschafft. Das war die positive Nachricht. Mit Vanek in Zukunft zu planen wäre nicht sonderlich klug, sein Mitwirken in Innsbruck wird wohl auf absehbare Zeit ein einmaliges Ereignis bleiben. Ebenso sind die Entwicklungspfade von Andreas Nödl, Michael Grabner und dem in Innsbruck schmerzlich vermissten Teamverteidiger Thomas Pöck schwer vorauszusehen. Alle drei wollen (zurück) in die NHL und spielen zudem in guten AHL-Teams. Die Playoff-Teilnahme stellt da eher die Regel als die Ausnahme dar. Mag Bernd Brückler in Innsbruck unter den Erwartungen geblieben sein; auch er blickt in Richtung Nordamerika. Bergström, „ich sehe Brückler nächste Saison in der NHL“, ortet auf der Torhüterposition dennoch keine Probleme, bringt sogar wieder Reinhard Divis ins Gespräch und erwähnt Stefan Horneber. Man könnte die Liste der Auslandsösterreicher noch fortführen (Ulmer, etc.). Was aber bleibt ist die Erkenntnis, dass wir uns nicht auf die Teilnahme der im Ausland, insbesondere in Nordamerika, engagierten Cracks verlassen dürfen. Ein gutes Jahr, und es kommen viele, ein schlechtes, und das Gegenteil kann der Fall sein. Ergo, wir brauchen eine solide Basis guter Spieler im eigenen Land.
Schweiz 09: Abstiegskampf pur
Ein Ausblick: Ab jetzt heißt es wieder „Absteigen verboten“! Österreichs Team und das dazugehörige mediale Umfeld muss am Boden bleiben, kleine Brötchen backen. Auch mit Vanek und Co., und erst recht ohne, wird es 2009 in der Schweiz für das Team Austria wieder einmal um das nackte Überleben gehen. Im Kampf um den Klassenerhalt gilt alle Konzentration den Schlüsselspielen in der Gruppenphase bzw., wenn nicht zu vermeiden, in der Relegationsrunde. Ungarn und abhängig vom Ausgang der bevorstehenden A-WM entweder Slowenien, Frankreich, Italien oder Norwegen werden die Gegner sein. Gegner die sich auf unserem leistungsmäßigen Breitengrad bewegen und unter der Bedingung von Bergströms Grundvoraussetzungen für den Erfolg, namentlich Teamgeist, Kampfeswille und Spielwitz, auch schlagbar sind. Kurz gesagt: mit Bergströms Eishockeyphilosophie kann Österreich auch 2010 in der A-Gruppe gastieren.
Mittel- und langfristig gesehen, also für die Zeit über 2010 hinaus, braucht es aber mehr als „nur“ den richtigen Teamchef. Es ist höchste Zeit zu handeln. Alle Beteiligten sind aufgefordert sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden. Die Punkteregelung muss alsbald Geschichte sein, die EBEL von ihrem Legionärskurs ablassen. Es bedarf nachwuchsfördernder Strukturen und Regelungen, bundesweit einheitlich festgelegt und gemeinsam von Verband, Liga und Vereinen getragen und gelebt. Eine kluge Kombination aus Fördern und Fordern, um eine tragfähige Basis heimischer Spieler zu schaffen. Wer im internationalen Wettstreit der Eishockeynationen nicht an morgen denkt, ist übermorgen nicht mehr wettbewerbsfähig. Das ständige Pendeln zwischen A- und B-Gruppe oder gar eine negative Entwicklung hin zu B-Niveau kann und darf für das österreichische Eishockey keine Perspektive sein.
(Ein Kommentar von Christian Flotzinger, hockeyfans.at)