Großbritannien als nächste Herausforderung
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marksoft -
14. April 2008 um 06:11 -
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Keine Zeit zum Durchatmen bei der B-WM in Innsbruck. Nach dem Kantersieg zum Auftakt warten am heutigen Montag die überraschend bissigen Löwen aus Großbritannien auf das Team von Trainer Lars Bergström. Die Engländer waren die große Überraschung des ersten Spieltages.Das britische Eishockey Nationalteam ist auf der 2. Ebene des Welteishockey was Österreich nicht im Ansatz sein bzw. werden will - nämlich ein Dauergast. Die Eishackler von der Insel gehören zur Division I wie zum Beispiel Weissrussland oder die Schweiz zur Elite: nie ganz oben dran, aber auch keine Gefahr abzusteigen.
Eishockey in Großbritannien klingt für mitteleuropäische Ohren oftmals etwas exotisch, jedoch hat das Land eine lange Tradtition und in den 1920er und 30er Jahren die beste Liga ausserhalb Nordamerikas. Allerdings hat es das Eishockey auf der Insel nie richtig geschafft in der Sportwelt der Briten richtig Fuss zu fassen und die Erfolge der Vergangenheit (unter anderem der Olympiasieg 1936 sowie mehrere Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften) wurden hauptsächlich bis ausschließlich von Kanada-Briten erspielt.
Konsolidierung in England
Die Britische Liga ist derzeit auf einem Konsolidierungskurs nachdem das in den 90er Jahren gestartete Projekt der Eishockey Superliga 2003 an Finanzierungsproblemen zerbrach. Die "Elite Icehockey League" entstand daraufhin in einer Fusion von Klubs bzw. Standorten der Superliga mit einigen Teams der danach aufgelösten "British National League". Die aus 10 Teams bestehende Elite Liga ist auch das Betätigungsfeld des Löwenanteils der Spieler, die 2008 vom Verband "Icehockey UK", denn organisatorisch gesehen wird Eishockey auf Ebene des Vereinigten Königreiches, also Großbritannien plus Nord-Irland betrieben, nach Innsbruck entsandt wurden. Ob die Kanalinseln ebenfalls zu dieser Konstruktion gehören möge der geneigte Leser bei den Briten selbst nachfragen - falls die es wissen.
Obwohl man in den letzten Jahren versucht, das Eishockey auch von der Wurzel her neu zu beleben ist die Elite Liga nach wie vor von Spielern aus Übersee dominiert und die Briten stellen zwar laut Regulativ zumindest die Hälfte der Spieler auf der Bank, die Leistungsträger sind aber hauptsächlich Imports, deren Hintergrund grosso modo auf Ebene der ECHL, UHL oder IHL zu suchen ist.
Kaum Legionäre
Nur wenige Spieler der Briten, die im Gegensatz zu früher kaum mehr naturalisierte Spieler im Aufgebot haben, verdienen ihr Geld im Ausland oder haben zumindest einmal im Ausland gespielt, so wie das allzeit Aushängeschild der Inselcracks Tony Hand (ein Schotte aus Edinburgh), der Ende der 80er Jahre nur haarscharf an einem NHL Engagement bei den Gretzky Oilers vorbeischrammte und in der abgelaufenen Saison immer noch der beste britische Scorer der Elite Liga war - mit fast 41 Jahren was die Schwäche des Britischen Systems Spitzenspieler zu formen klar wiederspiegelt.
Von Team GB kann man in Innsbruck hartes, technisch und spielerisch eher simples Eishockey erwarten, der Weg zum Erfolg,einem 3. oder 4. Platz, wird über taktische Disziplin und vehementen Einsatz führen müssen.
Gelegenheit sich als Mannschaft zusammenzuspielen hatten die Briten heuer im Gegensatz zu den letzten Jahren zumindest, denn dass man an internationalen Turnieren teilnimmt ist mit einem Verband, der sogar die Qualifikation zu den olympischen Spielen aus Geldmangel nicht beschickt hat, nicht selbstverständlich. So war man amused, dass im Februar in Frankreich beim EIHC Turnier der 3. Platz hinter Frankreich und Norwegen und ein Sieg gegen Litauen eingefahren werden konnte. Auch das einzige Testspiel unmittelbar vor Innsbruck wurde von den Briten zumindest nicht verloren, denn man konnte der schwedischen U20 Nationalmannschaft ein 2:2 abtrotzen.
Kader mit Norwegen und Frankreich Legios
Im Tor wird die voraussichtliche #1 Steve Lyle den Rückhalt geben, den der 14. Torwart der Elite League auf internationalem Niveau anbieten kann, jedoch wird der Waliser aus Cardiff von den britischen Fans als durchaus zuverlässig beschrieben.
Die Abwehr wird von Jonathan Weaver (Coventry) angeführt, dem neben dem nicht verfügbaren Paul Dixon (Guildford, EPHL) als einzigem Verteidiger internationales Niveau attestiert wird, was der erstgenannte im heurigen Conti Cup bewies als er die Europa Träume der Salzburger Bullen mit dem Siegestreffer für Liga Dominator Coventry in der Overtime beendete.
Bei den Stürmen sieht es etwas besser aus, hier kann man zumindest auf zwei Spieler, deren Können einen gegenwärtigen Auslandsvertrag gebracht hat (Clarke in Alleghe und Murphy in Frederikstad/NOR) vertrauen und zudem auf einige arrivierte und erprobte Männer aus der heimischen Liga zurückgreifen. Von diesen ist wohl David Longstaff (Newcastle) der bekannteste, der auch schon eine Saison in der schwedischen Eliteserie in seinem Lebenslauf aufweisen kann. Longstaff war in der letzten Saison der 4. beste britische Scorer in der Liga (21. Gesamt). Etwas weiter vorne zu finden ist Ashley Tait (Sheffield, Platz 15), der als 3. bester britischer Eliteliga Schütze Topmann in der Nationalmannschaft ist, denn sein Nachbar in der Punkteliste, Colin Shields, der letzte NHL gedraftete Brite, ist wegen einer Verletzung nicht in Innsbruck dabei. Und Tony Hand (Manchester), der große alte Mann und achtbester Scorer in der gesamten Liga hat seine Nationalteam Eisen nach der letzten Saison an den Nagel gehängt und wird dem Team mit dem Löwen, das er seit fast ewig geführt hat keine Hand mer leihen.
Alles in Allem ist die Erwtungshaltung bei den Briten ist ziemlich klar - ein Erfolg ist, wenn man am Ende den 3. oder 4. Platz belegt und vielleicht eines der "großen" Teams dieses Turniers besiegen kann. Alles drüber wäre ein Wunder, der Rest eine Enttäuschung mehr in der Geschichte des britischen Eishockeys. (Wolfgang Höchtl)