Kaderbewertung: Caps mit Legionären als Bullenjäger?
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marksoft -
4. September 2007 um 21:30 -
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Kein Stein ist bei den Vienna Capitals auf dem anderen geblieben und die Hauptstädter gehen mit nicht weniger als 10 Legionären in die Saison 2007/08. Neue Spieler, neuer Trainer – führt dieser Weg zum großen Erfolg und macht die Caps zum Bullen Jäger Nummer 1? Die HF.at Kaderbewertung wirft einen Blick auf die Wiener.Egal, wie es die Vienna Capitals in der nächsten Saison drehen und wenden, sie werden es nicht richtig machen können. Können die Wiener sportlich reüssieren werden Fans, Medien und Experten abwinken und auf die große Anzahl an Legionären verweisen. Gelingt der Sprung nicht, wird man sich den Spott gefallen lassen müssen, mit dem selben Hinweis auf die Legionäre.
Die Hauptstädter dürften in der EBEL die Rolle der „Buhmänner“ so schnell nicht los werden. Vor allem auf ihr Bestreben hin wurde die Legionärsregelung in der Liga aufgebrochen und das Punktesystem als Minimalkompromiss eingeführt. Jetzt stehen die Capitals mit einem völlig neu strukturierten Team am Start und wollen endlich wieder mehr als nur um die Play Offs mitspielen. Die Salzburger jagen und ganz nach oben schielen, das wollen die Hauptstädter.
Dazu hat man ganz tief in die Tasche gegriffen und teuer eingekauft. Aus Jesenice holte man gleich die gesamte Einserlinie, dazu international erfahrene Spieler wie Fairchild oder Torhüter Labbé. Ganz klar: man hat den Kader hochgerüstet und muss jetzt aus den zahlreichen am Papier guten Einzelspielern eine Einheit formen. Das ist die Aufgabe von Neo-Coach Gaudet, der sich ab sofort im Blickfeld bei den Caps befindet. Der DEL erprobte Mann wird viel Druck aushalten müssen, sollte das alles nicht so nach Wunsch klappen.
Hockeyfans.at Prognose:
Gerade noch so sind die Vienna Capitals in der letzten Saison in die Play Offs gerutscht und dort dann gegen den späteren Meister Salzburg chancenlos ausgeschieden. Zum zweiten Mal in Folge war im Semifinale Schluss, jetzt wollen die Wiener wieder dorthin, wo man schon 2005 stand: ins Finale.
Das muss wohl auch das Ziel sein, wenn man sich derartig verstärkt hat, doch die Caps treten schon im Vorfeld auf die Bremse. Die Play Offs möchte man schaffen und dann weiter sehen. Tief stapeln, weit kommen – das dürfte die Devise für die neue Saison sein. Und damit wird man auch gut beraten sein, denn 11 neue Spieler müssen erst einmal zu einer Einheit zusammen geschweißt werden.
Gegenüber den letzten Jahren haben die Caps einen Schritt nach vorne gemacht: der Kader wurde tiefer gestaltet, es gibt wieder mehr als nur ein oder zwei gute Linien, die Trainer Gaudet zur Verfügung stehen. Und bei den ersten Trainings hatte man den Eindruck, als könnte in Wien wieder so etwas wie eine Mannschaft entstehen. Auch etwas, das man zuletzt schon schwer vermisste.
Einfach so mitspielen, das ist mit Sicherheit zu tief gestapelt. Wer wenn nicht die Capitals sollen Meister Salzburg fordern? Mit 10 Legionären und einem weiterhin vorhandenen Stamm an vorhandenen Spielern müssen die Hauptstädter vorne mitspielen, ansonsten wäre ihre eigene Einkaufspolitik samt dazu geäußerter Argumente ad absurbum führen. Keine Frage: die Wiener haben das Potential ganz nach vorne zu schielen, auch wenn die Konkurrenz aus Salzburg noch um den Tick besser besetzt zu sein scheint. Ein Platz in den Top 3 muss aber als Minimalziel gelten.
Hockeyfans.at Prognose: Rang 1 – 3
Kaderbewertung Vienna Capitals:
Torhüter:
Von Konstanz war die Vergabe des Torhüterpostens in letzter Zeit bei den Wienern nicht gerade geprägt. Immer wieder hoffte man die Heilsbringer in Form der jeweiligen Goalies gefunden zu haben und trennte sich am Ende jeder Saison trotzdem wieder. Das könnte jetzt der Vergangenheit angehören, denn mit Jean-Francois Labbe kommt ein echter Klassemann zu den Caps. Er galt schon bei den Nürnberg IceTigers in der DEL zu den besten Schlussleuten und wird ohne Zweifel auch in der EBEL einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Kanadier verfügt über ausgezeichnete Reflexe und ist ein mitspielender Schlussmann, der sich sogar schon mal in die Torschützenliste eingetragen hat. Bleibt er gesund ist er einer der Topkandidaten auf den besten Goalie des Jahres.
Hinter Labbe kann der junge Florian Weisskircher viel lernen, auf zahlreiche Einsätze darf er jedoch nicht hoffen. Der 21-Jährige wird aber ganz bestimmt das eine oder andere Mal am Eis stehen und so Erfahrungen sammeln. Als Ersatz für Labbe kann er aber sicherlich nicht herhalten, sollte sich der Kanadier verletzen. Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei mancher Konkurrenz: die Nummer 1 ist unglaublich stark besetzt, bei einer Verletzung kommen aber die Probleme.
Wertung: 3,5 von 5 Punkten
Verteidigung:
Eine Achillesferse aus der letzten Saison hat man während des Sommers versucht, auszubessern. Die Defensivabteilung der Vienna Capitals 205 kassierte Tore alleine im Grunddurchgang – nur Graz, KAC und Innsbruck waren hier schlechter aufgestellt. Zu dünn besetzt haben die Wiener hier Aufholbedarf erkannt und gehandelt. Mit den Legionären Seeley, Casparsson und Bjornlie holte man sich Verstärkung an Board. Gerade Seeley und Bjornlie werden aber in der Szene bereits als potentielle Wechselkandidaten gehandelt, während Casparsson einen wenig spektakulären, dafür aber zuverlässigen Part spielen soll.
Wieder könnte die Abwehrarbeit also zum Kraftakt werden und hier soll Darcy Werenka wie schon die letzten Jahre die Führungsrolle übernehmen. Dazu ein Philippe Lakos, der körperlich stark, dafür aber auch fehler- und strafanfällig agiert.
Mit dem jungen Mario Altmann hat man einen Hoffnungsspieler im Kader, dem unter Gaudet der Durchbruch gelingen könnten. Er soll laut letzten Äußerungen zum Zweiwegespieler aufgebaut werden und entsprechend Eiszeit erhalten. Von der wird Leopold Wieselthaler wohl lange nur träumen, doch als überschüssiger Verteidiger wird auch er bei Verletzungen zum Einsatz kommen. Und kämpfen kann der erfahrene Spieler bekanntlich.
Die großen Fragezeichen bleiben hinter den Legionären. Können sie die derzeitigen Einschätzungen Lügen strafen, sollte einer Verbesserung der Gegentorestatistik nichts im Wege stehen. Ansonsten wird man wohl nachbessern und neue Legionäre holen.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Angriff:
In der letzten Saison waren die Wiener im Angriff sehr einfach auszurechnen. Eine ausgezeichnete Linie, die für die Tore sorgte und dahinter eher weniger. Das wird sich 2007/08 ändern. Mit der Einserlinie aus Jesenice hat man den Abgang des eigenen Paradesturms kompensieren können. Dazu holte man mit Kelly Fairchild einen echten Leitwolf. Der Center kommt von den Eisbären Berlin, wo er beständig zu den Topscorern zählte. Jetzt soll Fairchild die Wren-Rolle übernehmen und das kreative Element beisteuern. Ihm zur Seite steht NHL Stürmer Rheaume, der noch mit leichten Anpassungsschwierigkeiten kämpft. Wenn er sein Gastspiel in der EBEL ernst nimmt sollte er ebenfalls für viele Punkte sorgen können.
Weiterhin im Kader ist Sean Selmser, der seinen Vereinsverantwortlichen etwas zu beweisen hat. Der eingebürgerte Kanadier musste erst einen Fitnesstest absolvieren, ehe er in den Kader genommen wurde. Jetzt sprüht der bissige Center nur so vor Motivation, was dem Angriffsspiel der Hauptstädter nur gut tun kann. Manuel Latusa bleibt ebenso in Wien wie Christian Dolezal und Matthias Pierron. Latusa hat das Potential in dieser Mannschaft an der Seite von Legionären so richtig aufzublühen, während die beiden anderen Österreicher wohl eher in den hinteren Reihen die Gegentore verhindern sollen. Alexander Höller, der aus Innsbruck geholt wurde, könnte bei den Caps ebenfalls einen Schritt nach vorne machen. Das haben Tropper und Tsurenkov schon lange nicht mehr. Diese Saison dürfte wohl ihre letzte Chance in der EBEL sein. Mit dem Hintergrund der Punkteregelung stehen sie unter Erfolgsdruck.
Insgesamt eine interessante Mischung, die noch Abstimmung benötigt. Bleibt die Jesenice Linie zusammen und findet der Rest zur auf der Papierform vorhandenen Form wird man der Konkurrenz einige Probleme bereiten.
Wertung: 4,5 von 5 Punkten
Trainer:
Nach drei Jahren ging die Ära Jim Boni im vergangenen Sommer zu Ende. Mit Kevin Gaudet weht nun ein frischer Wind durch die Katakomben der Albert Schultz Halle und es herrscht so etwas wie Aufbruchsstimmung bei den Caps. Der neue Trainer wurde schnell vom Team akzeptiert, die Voraussetzungen für eine fruchtbare Zusammenarbeit ist geschaffen. Gaudet, der in der DEL die Hannover Scorpions vom Aufsteiger zum Semifinalisten machte, bevorzugt schnelles, hartes und aggressives Eishockey. Eine Einstellung, die nicht nur den Fans gefallen dürfte. Die Hauptstädter galten schon immer als eines der härtesten Teams, das auch vor versteckten Fouls nicht zurückschreckt. Kein Wunder, dass man 2006/07 die meisten Strafen der Liga kassierte.
Wie immer, wenn eine lange Zeit unter einem Trainer zu Ende geht, sind die Blicke gerade zu Saisonbeginn auf den Neuen gerichtet. Gaudet hat es bislang verstanden, sein Team zu führen und zu begeistern. Kann er die positive Grundstimmung, wie schon bei seinen Stationen in der DEL, in Teamgeist und Erfolgshunger ummünzen, wird ihm Eishockey-Wien schon bald zu Füßen liegen. Wie man bei den Hauptstädtern überhaupt zuletzt immer an den Trainern fest hielt. Der Stuhl des Deutsch-Kanadiers dürfte also ziemlich sicher stehen.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 16 von 20 Punkten
Bisherige Wertungen:
1. Vienna Capitals 16 Punkte
2. HC Innsbruck 15,5 Punkte
3. KAC 14 Punkte
4. Graz 99ers 13,5 Punkte
4. HK Jesenice 13,5 Punkte