ÖEHV Präsident Kalt übt Kritik am Team Austria
-
marksoft -
2. Mai 2007 um 14:14 -
3.960 Mal gelesen -
0 Kommentare
Österreich muss nach drei Niederlagen in die Relegation und spielt dort um den Verbleib in der obersten Spielklasse. ÖEHV-Präsident und Delegationsleiter Dr. Dieter Kalt nimmt im Interview zum bisherigen Abschneiden der Nationalmannschaft Stellung. Wiederholt fordert Kalt die Abkehr vom eingeschlagenen Legionärsweg in der EBEL und spricht von fehlender Geschlossenheit im Teamgefüge.Herr Dr. Kalt, die Vorrunde ist gespielt, Österreich muss in die Relegation. Wie lautet Ihre erste sportliche Bilanz?
Dr. Kalt: Die Bilanz ist derzeit nicht positiv. Wir haben unser erstes Ziel nicht erreicht. Jetzt steuern wir unser zweites Ziel an, welches ganz einfach der Klassenerhalt ist.
Worauf kommt es in der Relegation an? Wird da aufgrund des drohenden Abstiegs anders, vielleicht härter gespielt? Was erwartet unsere Mannschaft?
Dr. Kalt: Unsere Mannschaft muss zu einer geschlossenen Einheit finden. Es kommt nicht darauf an, welchem Verein ein Spieler angehört. Hier geht es um die österreichische Nationalmannschaft. Hier muss sich jeder Spieler dem System des Trainers unterordnen, gleichgültig, ob er dabei gut aussieht oder nicht. Jeder Spieler muss den Erfolg der Mannschaft in den Vordergrund stellen.
Das klingt so, als ob das bisher nicht der Fall war . . .
Dr. Kalt: Das ist richtig. Ich hatte bis jetzt nicht das Gefühl, dass bei allen Spielern diese Geschlossenheit gegeben ist. Auf diesen Umstand habe ich auch bei einer Spielerbesprechung hingewiesen.
Unser Nationalteam ist das Tempo, das bei dieser WM gegangen wird, aus der Liga nicht gewohnt und hat deswegen Schwierigkeiten. Gibt es überhaupt Möglichkeiten, um die Spieler auf das hohe internationale Niveau besser einzustellen?
Dr. Kalt: Eine Möglichkeit wäre, ganz einfach mehr einheimischen Spielern die Chance zu geben, in den ersten Mannschaften zu spielen - selbst auf die latente Gefahr hin, dass das Niveau der Meisterschaft darunter etwas leidet. Der Wunsch einiger Vereine, mehr Ausländer einzusetzen, ist aus ihrer Sicht durchaus legitim, aber für die Entwicklung des österreichischen Eishockeys kontraproduktiv. Ich befinde mich hier in Moskau in einem erlesenen Kreis von Sportfunktionären, mit denen ich mich über dieses Thema unterhalte. Uwe Krupp zum Beispiel, das Aushängeschild des deutschen Eishockeys, ist erst kürzlich wieder ganz vehement für eine Reduzierung der Transferkarten eingetreten. Bisher hat er Österreich und die Schweiz immer als positives Beispiel genannt. Jetzt war er ganz erschrocken, als er in den Zeitungen gelesen hat, dass manche Funktionäre in Österreich an eine Erweiterung der Transferkarten denken.
Uns war vor der WM klar, dass ein Schlüssel zum Erfolg die Disziplin bei den Strafen ist. Jetzt haben uns aber gerade gegen Weißrussland die vielen Strafminuten einen möglichen Sieg gekostet. Warum tun sich unsere Spieler damit immer noch so schwer?
Dr. Kalt: Wenn der Gegner überlegen ist und man sich selbst nicht so in Szene setzen kann, dann baut sich bei den Spielern eine gewisse Wut auf. Dadurch lassen sich einige Spieler zu Frustaktionen wie einen Check von hinten hinreißen. Das muss ganz einfach aufhören, oder es wird uns kaum gelingen, hier ein Spiel zu gewinnen. Die Spieler haben es selbst in der Hand, die derzeitige Situation zu verbessern. Das wissen sie auch.
Jim Boni meinte, dass die neuen Regeln die technisch versierten Teams begünstigen und damit innerhalb der höchsten Spielklasse die Lücke zwischen den Top-Nationen und den anderen Teilnehmern noch größer wird. Teilen Sie diese Ansicht?
Dr. Kalt: Da hat Jim Boni vollkommen recht. Diese Meinung vertreten auch viele andere Trainer. Derzeit besteht eine Zwei Klassen Gesellschaft. Die ersten sechs, sieben Teams gehören zu den Top-Nationen, ab der Nummer acht ist das Niveau bereits niedriger. Wir können gegen die ‚großen’ Mannschaften nur bestehen, wenn der Tormann eine super Leistung bringt und wir das Glück des Tüchtigen auf unserer Seite haben. Man wollte durch diese neuen Regeln den Eishockeysport für den Zuschauer noch attraktiver machen. Resultate wie jenes zwischen Russland und Finnland (5:4) zeigen ja auch, dass mehr Tore fallen.
Frage: Wie zufrieden sind Sie mit der WM-Organisation in Moskau?
Dr. Kalt: Ich bin überzeugt, dass man hier alles tut, um die Mannschaften zufrieden zu stellen. Es klappt der Transport, die Kabinen und der Service sind in Ordnung. Beim Essen muss man sich an die russische Esskultur gewöhnen, da sind die Spieler nicht zufrieden. Es wird sehr fett gekocht. Da muss man etwas aufpassen und sich umstellen, was aber oft nicht leicht fällt.
Einige österreichische Fans haben die Reise nach Moskau nicht gescheut. Wie bewerten Sie den Fanzuspruch?
Dr. Kalt: Unsere Fans sind super! Sie feuern die Mannschaft an, auch wenn diese drei Tore hinten liegt. Mit den Fans bin ich zufrieden, denn sie unterstützen uns sehr.
Frage: Die obligatorische Frage zum Schluss: Wer wird Weltmeister?
Dr. Kalt: Eine schwere Frage: Wenn die Russen zu ihrem Spiel finden, dann zählen sie zu den Favoriten. Schweden muss heuer auf einige NHL-Spieler verzichten. Tschechien hat gegen die USA gezeigt, dass sie sich im Laufe eines Turniers steigern. Ich glaube, dass die Entscheidung zwischen den Tschechen und den Russen fallen wird.