Kaderbewertung: Kann der VSV erneut überraschen?
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marksoft -
20. September 2006 um 20:52 -
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Herzlich wenig hat sich beim VSV in den Sommermonaten getan. Der Titelverteidiger hat nur drei Neuzugänge geholt und damit seinen Kader annähernd unverändert gelassen. Der Erfolg hat den Villachern in der letzten Saison Recht gegeben, aber reicht der Kader auch in diesem Jahr für den großen Wurf? Sprechen die Adler wieder mit, wenn es um den Titel geht?Eigentlich kann der VSV wieder beruhigt in die neue Saison gehen. Die Villacher holten zwar in der letzten Saison den Meistertitel, eine Wiederholung erwartet man von den Draustädtern aber trotzdem nicht. Normaler Weise geht der Titelträger der Vorsaison immer als gejagtes Team ins neue Rennen, dieses Mal ist das aber anders. Die Villacher können sich erneut als Jäger präsentieren, eine Rolle, die sie schon in der abgelaufenen Saison so perfekt ausgefüllt haben.
Dass der VSV schon letztes Jahr gut aufgestellt war wusste man schon vor der Saison. Am Papier gab es zwar bessere Mannschaften, aber die Villacher entwickelten sich im Laufe der langen Spielzeit zu einer eingeschworenen Gemeinschaft. Zusammen hat man gewonnen und verloren und so übers Jahr gesehen gelernt, wie man gemeinsam erfolgreich sein kann. Man trat als Kollektiv auf und übertrumpfte so am Ende die höher eingeschätzten Salzburger vor allem als besseres Team.
An dieser Ausgangsposition hat sich auch für die bevorstehende Saison nichts geändert. Personell sind andere Mannschaften besser besetzt, die Zusammensetzung des Villacher Teams lässt aber wieder viel vom Titelverteidiger erwarten. Das Jahr nach der Meisterschaft ist jedoch immer das schwierigste und auch die Adler werden sich mächtig anstrengen müssen, um vorne mitspielen zu wollen. Im Vergleich zu anderen Konkurrenten hat man sich nicht wirklich weiterentwickelt, scheint in der Stärke eher stehengeblieben zu sein. Das deutet auf einen harten Kampf von der ersten bis zur letzten Runde auch für die Kärntner hin.
Das Hauptaugenmerk der Holst-Schützlinge war seit jeher die Defensive - und darauf wird man auch 2006/07 genug in Villach sehen. Das typische VSV Spiel - hinten dichtmachen, vorne effizient scoren - wird auch weiterhin praktiziert werden. Der Kader hat sich nicht viel verändert, nur drei Neuzugänge hat man beim Meister einzubauen. Das Mannschaftsgefüge bleibt also annähernd das selbe und was im letzten Jahr so gut geklappt hat, sollte nicht schlechter werden. Trotzdem hat man Probleme: die Leader-Figuren kommen langsam aber sicher in die Jahre und auch Neuzugang Edgerton kann da mit seinen 35 Lenzen keine Ausnahme bilden. Zudem zeigte er sich schon in der Pre-Season verletzungsanfällig.
Hockeyfans.at Prognose:
Das erste Ziel des Meisters heißt auch heuer wieder „Play Offs“, wie grundsätzlich für jeden Mitkonkurrenten in der Liga auch. Die Villacher legen sich selbst keine allzu großen Erwartungen auf und arbeiten von Ziel zu Ziel. Genau mit diesem Rezept sind sie in der letzten Saison so erfolgreich gewesen. Das Team von Trainer Greg Holst hat vor allem eines: unbändigen Kampfwillen. Das unterscheidet die Draustädter vom Großteil der Konkurrenz in der EBEL. Wenn der VSV in irgendeiner Phase der Meisterschaft Lunte gerochen hat, dann kann man fast darauf wetten, dass die Blau-Weißen die gesteckten Ziele auch erreichen.
Grundsätzlich ist es kaum vorstellbar, dass der VSV die Play Offs einmal nicht erreichen sollte. Doch das hatte man sich vor der letzten Spielzeit auch vom KAC gedacht. Einen Fixplatz hat in dieser Liga niemand und der Titelverteidiger muss kämpfen, um bestehen zu können. Hier wird es auch darauf ankommen, ob man dem Verletzungsteufel entkommen kann. So tief besetzt wie so mancher Mitbewerber ist man nämlich nicht und da gehen Leistungsträger gleich noch mehr ab.
Insgesamt haben die Adler aber auch heuer das Zeug, sich vorne festzubeißen, auch wenn man mehr die Rolle eines Außenseiters spielen wird. Die Villacher haben ihr Niveau zwar gehalten, die Konkurrenz hat aber zumindest aufgeschlossen. Man muss abwarten, ob sich der VSV nach den Erfolgen der letzten Saison auch im Jahr danach wieder motivieren kann, oder ob die Spieler „satt“ sind. Gerade den Einsatz- und Kampfwillen werden die Adler nämlich benötigen, um sich durchsetzen zu können. Wenn man diese Einstellung wieder heraufbeschwören kann, dann dürfte man auch heuer wieder den einen oder anderen Nachteil im Kader wettmachen können.
Hockeyfans.at Prognose: Platz 2 - 4
Kaderbewertung VSV:
Torhüter:
Alles wie gehabt bei der Nummer 1 im VSV Gehäuse. Gert Prohaska hütet auch nach seiner Traumsaison und dem emotionalen Meistertitel das Tor in der Draustadt. Dass Prohaska den VSV nicht verlässt hat mit Sicherheit seine Gründe. Nur in dieser Mannschaft hat man das Spiel fast perfekt auf den Goalie abgestimmt. Prohaska stand zwar in der letzten Saison mit 92,85% Fangquote unangefochten an der Nummer 1 in der Goaliestatistik, trotzdem wird er nicht selten als „überschätzt“ bezeichnet. Er hat seine Unsicherheiten und lässt viele Scheiben abprallen, darauf sind seine Vorderleute aber durch teilweise jahrelanges Zusammenspiel eingestellt und es kommt kaum noch zu Nachschüssen. Prohaska versteht sein Metier selbstverständlich: er kann Spiele gewinnen und er kann sie genauso gut verlieren. Ob er die ausgezeichneten Leistungen der letzten Saison wieder abrufen kann, muss abgewartet werden.
An der Leistungssteigerung war mit Sicherheit auch der eigene Torhütertrainer bei den Villachern beteiligt. Ex-Goalie Markus Kerschbaumer arbeitet auch heuer weiterhin mit dem Goaliegespann und das sollte vor allem der neuen Nummer 2 an der Drau etwas bringen. Bernhard Starkbaum kam vom WE-V zum Meister und wird sein Talent weiter entwickeln können. Man darf davon ausgehen, dass der 20-Jährige nicht besonders viel Eiszeit bekommen wird, aber Starkbaum ist ein Mann mit Zukunft und könnte seine Chance beim VSV für den Sprung in die Bundesliga nützen.
Ob Starkbaum aber Druck auf Prohaska ausüben kann, muss bezweifelt werden. Auch das kann bei der Nummer 1 leistungshemmend sein. Wenn Prohaska aber verletzungsfrei über die Saison kommt und auch nur annähernd die Leistung der letzten Saison bringen kann, dann ist man im Tor gut aufgestellt bei den Adlern.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Verteidigung:
„Never change a winning Team“ – das scheint man sich auch beim Meister zu Herzen genommen zu haben. Die Defensivabteilung der Blau-Weißen bleibt gegenüber der letzten Saison völlig unverändert und da wird Qualität geboten. Nicht umsonst war man jenes Team der Liga, das die wenigsten Gegentore in der regulären Saison zugelassen hat. Mit Mickey Elick hat man eine echte Leaderfigur in seinen Reihen, die wohl zu den besten Defensivspielern der Liga gehören. Dazu der konstante Scoville und der zwar immer unauffälliger agierende, aber nicht minder wichtige Mike Stewart, die beide ihr Handwerk verstehen. Mit Thomas Pfeffer und Martin Oraze hat man zwei solide Defender in seinen Reihen und von hinten kommen Alexander Neubauer und David Slivnik nach, die ebenfalls ihre Chance bekommen werden. Herbert Hohenberger weiß ebenfalls wie es geht, bei ihm könnte in dieser Saison aber vor allem die neue Regelauslegung zum Stolperstein werden. In der Meistersaison war die Defensive das Prunkstück der Villacher und das Maß aller EBEL Dinge. Mit dem starken Defensivkonzept der Adler und zurückarbeitenden Stürmern wird man auch heuer nur schwer an diesem Bollwerk vorbeikommen, auch wenn die älter werdenden Leader sicher ihre Probleme haben werden mit den neuen Regeln.
Wertung: 4,5 von 5 Punkten
Angriff:
Auch in der Offensive hat sich beim Meister nicht wirklich viel getan. Mit Gilbert Kühn holte man einen erfahrenen Mann, der vor allem in den hinteren Reihen die Jungen führen wird. Zudem kam aus Mannheim Devin Edgerton, bei dem man noch abwarten muss, ob die prognostizierte Verletzungsanfälligkeit tatsächlich vorhanden ist. Ansonsten vertraut man auf die Kräfte der letzten Saison – und das mit Recht. Das Duo Gauthier/Bousquet lässt vermutlich jeder EBEL Verteidigung noch jetzt Schauer über den Rücken laufen. Blind haben sie sich verstanden und das wird sich nicht geändert haben. Mit Marc Brown haben die Adler noch während der Saison einen weiteren Arbeiter vor dem Tor geholt, der auch die nötigen Goalgetter-Gene in sich hat. Die würde sich Roland Kaspitz auch ein wenig mehr wünschen, dafür ist der nur 170 cm kleine Stürmer nur schwerstens von der Scheibe zu trennen und damit wichtig in jedem Angriffsdrittel. Das ist auch Markus Peintner, ein ewiger Kämpfer und damit Platzmacher für seine Stürmerkollegen. Ein Spieler, den sich jedes Team im Kader wünschen würde. Günther Lanzinger und Wolfgang Kromp gehören schon fast zum VSV Inventar und werden ihre Rollen in den hinteren Reihen auch heuer wieder ausfüllen. Von hinten kommt noch die junge, hungrige Garde nach: zwei Mal Raffl und Petrik sollen langsam in der EBEL Fuß fassen und sich für die nächsten Jahre erste Sporen verdienen.
Ganz klar: vieles wird von Gauthier und Bousquet abhängen. Wenn das teuflische Duo erneut seiner Kreativität und Torgefährlichkeit freien Lauf lassen kann, ist der VSV nur schwer zu stoppen. Etwas mehr als die beiden wird man aber trotzdem in einer immer enger werdenden Liga brauchen. Vor allem nach hinten zu scheint die Konkurrenz etwas mehr Tiefe zu haben, was die Scoringqualitäten betrifft. Tore schießen müssen beim VSV die Reihen 1 und 2, dahinter wird verhindert. Ob das in dieser Liga reichen wird, muss man abwarten, auf den ersten Blick scheint es aber zu wenig zu sein.
Wertung: 4 von 5 Punkten
Trainer:
Greg Holst gehört zum VSV – das ist unübersehbar. Hier kann der im letzten Jahr durch sein legendäres TV Interview zur Kultfigur aufgestiegene Trainer seinen Ideen freien Lauf lassen und keiner redet ihm drein. Der Coach kennt seine Mannschaft und weiß, welche Hebeln er in Bewegung setzen muss, um etwas zu erreichen. Auch gilt Holst vor allem gegenüber den jungen Spielern als guter Lehrmeister und wird daher auch den einen oder anderen Nachwuchsspieler wieder in die Mannschaft einbauen. Wie lange das Defensivkonzept Holsts aber in einer immer offensiver ausgerichteten Liga gut gehen wird, muss man erst sehen. Aber es heißt nicht umsonst: „Offense wins hearts, Defense wins championships.“ Irgendwann wird es aber auch beim VSV und seinem Trainer Abnützungserscheinungen geben. Das Team spielt schon lange zusammen und hat in dieser Saison ganz wenig „frisches Blut“ erhalten. Eingespielt ist man zwar, aber ist man auch hungrig und kann der Trainer diesen Hunger entfachen?
Wertung: 5 von 5 Punkten
Gesamtwertung: 17,5 von 20 Punkten
Endwertung
1. Red Bulls Salzburg 18 Punkte
2. VSV 17,5 Punkte
3. Vienna Capitals 17 Punkte
4. KAC 16,5 Punkte
5. Black Wings Linz 16 Punkte
6. Graz 99ers 14,5 Punkte
6. HK Jesenice 14,5 Punkte
8. HC Innsbruck 12,5 Punkte