Time Out: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken
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marksoft -
23. August 2006 um 23:31 -
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Die Tage werden kürzer, das Wetter kälter – es riecht nach Herbst und der geneigte Fan denkt da selbstverständlich sofort nur an eines: Eishockey! Ja, sie steht wieder vor der Tür, die neue Saison und endlich werden die News wieder häufiger, man darf wieder in die Eishallen und es wird diskutiert. Und wie! Es geht wieder einmal ums liebe Geld und ein Team, das ach so böse ist und sich verstärkt. Dabei sollten sich manche lieber an der eigenen Nase nehmen.Kaum ein Sommer war derart von hitzigen Diskussionen über Transferaktivitäten überschattet wie dieser. Es ist bekannt: Auslandsösterreicher kehrten wieder in die Alpenrepublik zurück, Mannschaften wurden wieder einmal aufgerüstet, das Gehaltsgefüge, das ohnehin schon an der Decke zu sein scheint, wurde wieder einmal nach oben geschraubt, ein neues Team wurde in die Liga aufgenommen und da gibt es natürlich einiges zu bereden.
Der Ton in diesen Diskussionen wird dabei immer rauer, je näher die Saison rückt. Und der „Böse“ ist schon ausgemacht. Ein Getränkekonzern, der sein Geld schändlicher Weise ins Eishockey steckt – und das so ungerecht verteilt, dass er es nur einem Verein gibt. Das hat zur Folge, dass ein scheinbar unbezwingbarer Gegner auftaucht, der sich mit bisher nicht für möglich gehaltenen Namen verstärkt und dem damit der Meistertitel nicht mehr zu nehmen scheint. Was natürlich völliger Blödsinn ist. Die Titelschale wird Anfang April vergeben, nicht einen Monat bevor überhaupt das erste Bully eingeworfen wurde.
Ja, das mit dem Finger auf andere zeigen haben wir drauf. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, die Fehler immer zuerst bei den anderen zu suchen. Aber sprechen wir es aus: was machen die Red Bulls Salzburg so Schändliches? Sie geben das ihnen zur Verfügung gestellte Geld aus und stellen eine Mannschaft zusammen, die eben Meister werden soll. Kaum auszudenken, würde ein anderes Team diese Millionen bekommen – selbstverständlich würde ein Teil davon auf die Bank getragen, ein Teil in den Nachwuchs gesteckt und natürlich würde man keine Mannschaft bauen, die Meister werden kann. Und den Weihnachtsmann gibt es selbstverständlich genauso wie das Christkind.
Eines ist klar: jedes andere Team der Liga würde exakt das selbe machen, hätte man die Möglichkeiten dazu. Jetzt mit dem Finger zu zeigen und die Karte des „Schwarzen Peters“ in Richtung Salzach zu schieben ist aber ein bisschen zu einfach. Wie heißt es so schön: „Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken“.
Tja, und wo hat der Fisch EBEL diesen Kopf? In unserem Fall hat er sogar ein paar davon. Der eine ist einmal der ÖEHV. Dieser lehnt sich seit seinem angeblichen „Rauswurf“ aus der Liga zurück und meldet sich ab und an zu Wort. Zuletzt mit der Anzahl der Transferkartenspieler innerhalb der Liga. Das Argument: man wolle den österreichischen Nachwuchs schützen. Interessanter Ansatz, fragwürdig in der Durchführung. Ist das nicht jener Nachwuchs, der dann auch im Nationalteam spielen sollte? Sozusagen die Herren Selmser, Rebek und irgendwann vielleicht auch Verner rausboxen muss, um internationale Luft zu schnuppern. Ok, anderes Thema, das man sich aber merken sollte. Schlecht argumentiert lieber ÖEHV.
Tatsache ist, dass in der Liga weiterhin keine Entscheidung gefällt wird, ohne dass der ÖEHV mitspricht. Vor einem Jahr war man noch gegen eine ausländische Beteiligung an der Liga, heuer ist alles anders. Jesenice ist an Board, vor allem wohl aus wirtschaftlichen Überlegungen des Ligasponsors. Welche Probleme man mit der Hereinnahme der Slowenen gelöst hat, das kann sich zumindest dem Hirn des Verfassers dieser Zeilen nicht erschließen. Das Gehaltsgefüge in Österreich wird sich nicht nach unten ändern, dafür gibt es keine Spielpausen mehr. Ok, ein Vorteil und die sportliche Komponente nicht zu vergessen, klar. Andererseits werden sich die Slowenen auch bedanken: die Gehälter in ihrem Land sind plötzlich auch nach oben gegangen – kaum vorzustellen: das Budget von Acroni Jesenice hat sich fast verdoppelt!
Da wären wir auch schon bei Kopf Nummer 2: die EBEL. Es gibt da eine Ligaführung, die sich darum kümmern soll, dass das alles funktioniert. Zuerst muss man den Verantwortlichen auch gratulieren: noch nie war zumindest das Marketing und die Informationspolitik so gut. Auch das sollte ausgesprochen werden. Aber wofür sonst ist dieser Ligaverein eigentlich noch zuständig? Es wirkt beinahe so, als ob man hier einen zahnlosen Hai erschaffen hätte, der zwar nett anzuschauen ist, auf Beutejagd kann er aber nicht gehen.
Denn entscheiden tun noch immer die Vereine selbst. Sie sind es, die die Rahmenbedingungen für die Liga aufstellen und beschließen. Sie entscheiden darüber, ob die Liga erweitert wird oder nicht und sie sind es auch, die eventuelle Änderungen und Verbesserungen angehen müssen. Wenn man sich jetzt darüber aufregt, dass ein Team alles zusammenkauft, dann muss man sich selbst an der Nase nehmen. Ist es nicht so, dass man das vielleicht in einer der Ligasitzungen besprechen hätte können? Hätte man nicht vielleicht doch eine Möglichkeit finden können, um den Transferwahn, der im übrigen nicht nur in einer Stadt grassiert, einzudämmen? Ein Punktesystem war einmal im Gespräch, soll angeblich nächste Saison eingeführt werden. Salary Cap? Geht nicht, weil da müsste man untereinander mit offenen Karten spielen und Gehälter, Budgets usw. wirklich offen legen.
Sind wir doch ehrlich – eigentlich passiert auch in diesem Sommer nur das, was in Wirklichkeit jedes Jahr passiert: ein Team rüstet auf, der Rest echauffiert sich. Man erinnere sich nur an Linz, Wien und in früheren Jahren die VEU, KAC, VSV – ja, auch in Kärnten gab es das mal! Böse Zungen behaupten, dass man bis heute an diesen Jahren zu kauen hat. Und so manch anderer Verein ist mittlerweile aus finanziellen Gründen nicht mehr da oder unter anderem Namen wieder aufgetaucht.
In Wirklichkeit ist es sogar so, dass es heuer vermutlich doch anders ist. Während in den letzten Sommern immer in den ligainternen Transfergewässern gewildert und abgeworben wurde (mit entsprechendem Drehen am Gehaltsgefüge versteht sich), ist das heuer irgendwie anders. Salzburg holt Spieler, die für andere Mannschaften ohnehin nicht zu finanzieren wären. Man mag zu den Entscheidungen der Spieler stehen wie man will, sportlich ist der Wechsel nach Österreich ohne Zweifel ein Abstieg, aber welcher Arbeitnehmer würde sich nicht für jenen Job entscheiden, der am besten bezahlt ist?
Irgendwas läuft in dieser Liga auf alle Fälle falsch. Wenn man sich Sachen über die Presse ausrichtet und nicht innerhalb des Ligavereins transportieren kann, dann lässt das nicht gerade Gutes für die Zukunft erwarten. „Schuld“ ist derzeit nicht einer, sondern alle. Seit Jahren weiß eigentlich jeder halbwegs Eishockeyinteressierte, dass es so nicht weitergehen kann. Die Liga steuert einem Punkt zu, ab dem es dann nur noch abwärts gehen kann – vielleicht hat man diesen sogar schon überschritten. Wenn Teams im Vergleich zur letzten Saison ihr Budget wieder um 20% erhöhen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben (und das nicht gegenüber dem Ligakrösus, sondern gegenüber allen anderen!), dann ist mit Sicherheit eine Änderung notwendig. Das geht auf lange Sicht gesehen nicht gut!
Und da sollte sich jeder Vereinsverantwortliche an der eigenen Nase nehmen. Kindern sagt man oft „wenn Du etwas verändern willst, fang bei Dir an“. Also liebe Kinder in den EBEL Führungsetagen: zuerst zu Hause aufräumen, dann zusammensetzen und gemeinsam daran arbeiten, wie man es sinnvoller machen kann. Ohne zuerst auf den eigenen Vorteil zu schielen, sondern auf den Vorteil der Liga schauen. Da sind dann auch der Ligaverein und der ÖEHV gefragt.
Aber im Nachhinein zu schimpfen, weil irgendwer die bestehenden Reglements einfach ausnützt, das ist schlicht und einfach unprofessionell. Und Professionalität könnte diese Liga wirklich brauchen, an allen Ecken und Enden. Es hat sich sehr viel getan, seit die Liga auf neue Füße gestellt wurde und damals mit der Nationalliga „fusionierte“. Es waren große Schritte, enorme Fortschritte und ja, der Sport ist jedes Jahr wieder interessanter und besser geworden. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass das Ziel dieser Reise ein Megacrash ist, an dessen Ende man dann wohl wieder versuchen wird, Nationalligisten zum Aufstieg zu bewegen. Wobei die absolut keinen Grund haben, dieses Angebot anzunehmen. Die zweite Liga funktioniert nämlich.
Letzten Endes gewinnt so ganz nebenbei gesagt auch nicht immer das meiste Geld eine Meisterschaft. Zumindest war das in den letzten Jahren so. Der VSV hat es im Frühjahr ja vorgezeigt und es wird auch in der bevorstehenden Saison jene Mannschaft gewinnen, welche das beste Team ist, welches als Einheit auftritt und gemeinsam an einem Strang ziehen kann. Vielleicht sollte man nicht immer so auf die anderen schauen und lieber die eigene Mannschaft beobachten und die Erkenntnisse dann auf die Arbeit in der Liga ummünzen. Dann könnte so manchen vielleicht der Blitz der Erkenntnis streifen und plötzlich ziehen alle in eine Richtung, alle haben nur das Wohl der Liga im Sinn.
Das könnte funktionieren, denn die Konkurrenzgedanken kann man dann ohnehin am Eis ausleben. Genau dort sollte er nämlich bleiben. Das sollte man den Spielern überlassen. Das ist ihr Job. Die Rahmenbedingungen müssen die „Köpfe“ schaffen. Das ist deren Job. Und man darf zumindest so kurz vor Saisonbeginn darauf hoffen, dass man das auch irgendwann wirklich zusammenbringt. (KF)
Die Meinungen in den Kolumnen "Time Out" sind persönliche Ansichten und müssen nicht der Meinung von Hockeyfans.at entsprechen.