Maulkorb für Österreichs Hallensprecher?
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marksoft -
25. September 2005 um 22:03 -
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Aufregung gibt es seit einigen Wochen rund um den Hallensprecher der Black Wings Linz. Nach einigen Differenzen mit Schiedsrichterobmann Siegel eskalierte die "Privatfehde" der beiden letzten Donnerstag und nun reagierte der ÖEHV. Es gab eine bedingte Strafe gegen den Linzer Sprecher - eine Niederlage, die trotzdem keine sein muss.Gerold Rachlinger gilt allgemein in Österreich als bester Hallensprecher in der Eishockeyszene. Dank seines Einsatzes wurde die Linzer Eissporthalle zum Tollhaus der Liga, die Fans sind begeistert, enthusiastisch und die Stimmung sucht seinesgleichen. Kein Wunder, dass andere Vereine ihre Hallensprecher bereits nach Linz entsandt haben, um dort zu "lernen".
Doch nun hat der ÖEHV die Sprüche des Linzer Chefeinpeitschers im Visier. Seit dem vorletzten Testspiel der Oberösterreicher gab es immer wieder Beanstandungen an diversen Vorgehensweisen Rachlingers, die in den letzten Jahren nie ein Problem waren. Es kam zu einer Abmahnung und einer erneuten genaueren Beobachtung beim Ligaauftakt am Donnerstag gegen Salzburg.
Dort kam es dann zum bisherigen Höhepunkt, der eigentlich ein Tiefpunkt war. Jede Durchsage startete Rachlinger mit der Einleitung "Als Ihr völlig neutraler Hallensprecher...“ und provozierte damit die anwesenden ÖEHV Vertreter. Schließlich wurde während des Spieles sogar untersagt, die Tore durchzusagen. Die Fans in der Linzer Eissporthalle standen Kopf und schüttelten nur noch den Kopf. Wie auch praktisch alle anwesenden Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Sport.
"Es stimmt, das Spiel gegen Salzburg war zu viel," zeigte sich Rachlinger einsichtig. "Aber das hat alles eine Vorgeschichte, die man nicht vergessen darf. Ich habe noch nie eine gegnerische Mannschaft oder deren Fans schlecht gemacht, beruhige die Fans, wenn es mal rund geht und versuche nur, die Stimmung in der Halle aufrecht zu erhalten. Das hat einem ÖEHV Vertreter aber nach einigen Jahren ohne Probleme nicht mehr gefallen und das hat sich schließlich hochgeschaukelt."
Unmittelbar nach dem Match am Donnerstag suchten auch Vertreter der Erste Bank Eishockey Liga das Gespräch mit Rachlinger, der darauf hinwies, nur das machen zu wollen, was er seit Jahren praktiziere und das noch nie ein Problem war.
Der ÖEHV seinerseits wurde trotzdem aktiv und Rachlinger bekam erwartungsgemäß eine, wenn auch bedingte, Strafe aufgebrummt. Zeitgleich flatterten allen Vereine der Erste Bank Eishockey Liga ein Schreiben ins Haus, was die Hallensprecher dürften und was nicht. Die IIHF Regeln sprechen diese Rechte und Pflichten aber ohnehin deutlich an:
Die Durchsage von Torschützen und Mithelfer (Assistenten), Strafen (Art derselben), Dauer der Strafen, Auszeit, restliche Spielzeit pro Drittel (eine Minute vor Ende des ersten und zweiten Spieldrittels, zwei Minuten vor Ende des dritten Spieldrittels), Überprüfung einer Spielsituation durch den Videotorrichter sind Pflichtdurchsagen.
Daneben sind informative Durchsagen für Abseits (Offside) und unerlaubter Befreiuungsschuss des Pucks (Icing) vorgesehen.
Darüber hinaus sind national in Spielunterbrechungen – und nur in diesen – kurze Werbedurchsagen und unterstützende Mitteilungen für die Heimmannschaft erlaubt. Derartiges ist während des laufenden Spiels jedenfalls verboten.
Grundsätzlich dürfen über die Lautsprecheranlage ausschließlich Durchsagen mit neutralem Inhalt verbreitet werden. Die Gastmannschaft, deren Fans und/oder die Offiziellen dürfen mit dieser Einrichtung in keiner Weise diskriminiert werden. Darüber hinaus ist es auch strikt untersagt, allenfalls strittige Szenen und Schiedsrichterentscheidungen über den Stadionlautsprecher zu kommentieren.
Wer jedoch irgendwann in Europa bei einem Eishockeymatch anwesend war, wird sofort erkennen, dass diese Regeln praktisch nur aufgeweicht angewendet werden. So war dies auch bisher in Österreich der Fall und nur in Linz ist es in den letzten Wochen zu Beanstandungen gekommen. Selbst bei den Partien am heutigen Spieltag wurden die Regeln grundsätzlich "gebrochen", was aber kein Grund sein sollte, irgendjemanden zu bestrafen.
Das wird auch nicht der Fall sein, denn "eigentlich hatte das Ganze ja sogar einen positiven Nebenaspekt", so Rachlinger gegenüber Hockeyfans.at. "Es wird einen Sprecher-Workshop für alle Hallensprecher der Liga geben. Darin wird schriftlich festgelegt werden, wie man die Stimmung in den Hallen verbessern kann und wenn sich alle Sprecher einig sind und der Vorschlag auch für den Verband und die Liga annehmbar ist, soll dieses Papier dann die Arbeitsgrundlage für die Sprecher sein. Für mich ein Sieg für die Stimmung und die Fans!"
Insgesamt scheint sich damit die Situation wieder beruhigt zu haben, der Wirbel rund um die Linzer Sprecherdurchsagen könnte sogar zu einer enormen Verbesserung für die Fans und die Stimmungen in der Halle führen. Das wäre für die sich ständig verbessernde Erste Bank Eishockey Liga von immenser Bedeutung. Es ist nicht zuletzt der Show- und Eventcharakter, der die Menschen immer mehr zu Sportveranstaltungen lockt. Dieser Trend macht auch vor Eishockey nicht Halt und in den großen Ligen wie der DEL sind derartige "Nebengeräusche" gar nicht mehr wegzudenken.
Insgesamt lechzt ja auch die Bundesliga danach. Es ist kein Wunder, dass Rachlinger in den letzten Tagen zahlreiche Zuschriften von Fans bekommen hat, ihm diverse Firmenvertreter sogar finanzielle Unterstützung im Falle einer Bestrafung zugesagt hatten und der eigene Verein bereit war, mit dem ÖEHV auf Konfrontationskurs zu gehen. Das möchte Rachlinger aber selbst nicht, denn insgesamt geht es ihm vor allem um eines: "Ich will Eishockey sehen und das bei möglichst guter Stimmung bei jedem Spiel!"