Klaus Zaugg, Stockholm - Das Schweizer Eishockey hat eine ruhmreiche Geschichte. Auch in der Vergangenheit wurden Heldentaten vollbracht. Aber die WM 2013 ist einmalig
Heute ist schon fast vergessen, dass wir den Eishockey-Boom in unserem Land den ruhmreichen Taten unserer Vorväter verdanken. In den 1930er Jahren gehörte die Schweiz zu den besten Nationalmannschaften der Welt. Die Linie mit Hans Cattini, Pic Cattini und Bibi Torriani war eine der besten ausserhalb der NHL. Bibi Torriani war der erste Sport-Superstar unserer Geschichte. Er wurde verehrt wie ein Popstar.
Damals gab es keine TV-Bilder. Die breite Öffentlichkeit erfuhr vor allem über Radio Beromünster und aus heroisch abgefassten Zeitungsberichten über die sportlichen Heldentaten. Das aktivierte das Kopfkino und überhöhte die Sporthelden viel mehr als es heute TV-Bilder vermögen und die Leistungen wurden besser dargestellt als sie wohl tatsächlich waren.
WM-Silber 1935
1935 kamen die Schweizer bei der WM in Davos so nahe an den WM-Titel wie vorher und nachher nie mehr. Vor 2013 war unser Nationalteam von 1935 das beste aller Zeiten. Die Schweizer verloren nur gegen den haushohen Favoriten Kanada in einem der besten Spiele aller Zeiten 2:4. Die
übrigen sieben WM-Partien gegen Schweden (6:1), Ungarin (1:1), Holland (4:0), Grossbritannien (1:0), Tschechien (4:0), Oesterreich (1:1) und Frankreich (5:1) überstanden sie ohne Niederlage. Damals umfasste ein Team lediglich 14 Spieler: In der Regel wurden zwei Torhüter, drei Verteidiger und neun Stürmer eingesetzt. Es war nicht ungewöhnliche, dass ein Verteidiger während des ganzen Spiels nie vom Eis ging.
Diese WM vom 19. Bis 27. Januar in Davos war das bisher grösste Hockey-Ereignis der Welt. So viele Nationen (15) hatte noch nie an einem Turnier teilgenommen, so viele Partien waren noch nie gespielt worden (51). Ausser den USA waren alle Hockeynationen präsent. Dieses WM-Silber von 1935 war bis 2013 der grösste sportliche Erfolg unseres Eishockeys.
1950, 1951 und 1992
Die Schweizer haben auch später Heldentaten vollbracht. Zuletzt 1950 (WM-Bronze und EM-Titel) und 1951 (WM-Bronze, EM-Silber). Aber es fehlten immer wieder grosse Nationen (1951 die Tschechoslowaken) oder wir waren gegen Kanada einfach chancenlos – 1950 verloren wir gegen den Weltmeister 2:13, 1951 1:5. Und bei allen ruhmreichen Turnieren der 1920er, 1930er, 1940er und 1950er Jahre waren keine NHL-Profi dabei. Die besten Spieler der Welt fehlten also.
Der «Prager Hockey-Frühling» von 1992 mit den ersten WM-Punktgewinnen gegen Kanada (1:1) und Russland (2:2) und dem Viertelfinalsieg gegen Deutschland (3:1) gilt zu Recht als grandioser Erfolg. Aber am Ende waren im Halbfinale gegen Schweden (1:4) und im Bronze-Spiel gegen Tschechien (2:5) chancenlos.
Der schräge Halbfinal 1998
Der WM-Halbfinal von 1998 ist eher ein Kuriosum: Die Schweiz erreichte mit einem 5:1 gegen Frankreich in der Vorrunde, einem 4:2 gegen Russland (der erste WM-Sieg gegen dieses Team) und einem 1:1 gegen die Slowakei die Halbfinals. Alle anderen Spiele gingen verloren: In der Vorrunde gegen die USA (1:5) und Schweden (2:4) in der Zwischenrunde gegen Tschechien (1:3), im Halbfinale gegen Schweden (1:4 und 2:7) und das Bronzespiel gegen Tschechien (1:4). Zwei Siege und ein Unentschieden für Platz vier – in Stockholm ist die Schweiz mit acht Siegen in Serie genau gleich weit. Der Modus von 1998 war kurios und mit «Blitz-Playoffs» im Halbfinale und im Finale: Es wurden zwei Partien gespielt. Bei Gleichstand wurde die zweite Partie verlängert und der Sieger der Verlängerung kam weiter.
Auch die WM 2000 in St. Petersburg mit dem Sieg gegen Gastgeber Russland (3:2) kommt nicht an Stockholm 2013 heran: Wir verloren gegen Frankreich (2:4) in der Vorrunde, gegen Weissrussland (3:5) in der Zwischenrunde und das Viertelfinale gegen Kanada (3:5).
Der grösste Einzelsieg aller Zeiten
2006 in Turin feierten wir beim Olympischen Turnier mit dem 2:0 gegen die besten kanadischen NHL-Profi zwar den bis heute wohl grössten Einzelsieg alle Zeiten. Aber wir gewannen nur noch ein einziges weiteres Spiel: 3:2 gegen Tschechien. Wir verloren das Gruppenspiel gegen Finnland (0:5) und das Viertelfinale gegen Schweden (2:6) und kamen in den Gruppenpartien gegen Deutschland (2:2) und Italien (3:3) nicht über ein Remis hinaus.
Die WM-Mannschaft von 2013 ist die beste aller Zeiten. Das gilt auch, wenn jetzt die zwei restlichen Partien noch verloren gehen sollten.
So gut wie jetzt waren wir noch nie
2013 ist die erste WM bei der die Schweizer spielerisch, physisch (Kraft, Zweikampfstärke), läuferisch und taktisch auf Augenhöhe mit allen Gegner stehen. Nie zuvor waren die Offensive und die Defensive so gut ausbalanciert und funktionierten das Powerplay und das Boxplay so gut. Die NHL Profi, die besten Spieler der Welt, sind dabei. Zwar nicht bei allen Teams alle. Weil die Stanley Cup-Playoffs noch laufen. Aber auch wir müssen auf NHL-Stars verzichten (Streit, Sbisa, Brunner). Acht Siege in Serie an einer WM – diese Leistungskonstanz ist einmalig.