Bei meinem soeben beendeten 3-wöchigen Griechenlandurlaub (Südpeloponnes und Insel Kythira --> ein Traum!) konnte ich einige Gespräche über die finanzielle Situation in diesem Land führen. In den von der Hauptstadt weit entfernten Gegenden werden dabei vor allem die beiden Großparteien PASOK und ND und deren Vorsitzende heftig kritisiert. Ich hörte immer wieder die Meinung, dass das Land eigentlich seit Jahrzehnten abwechselnd von 2 Familiendynastien (Karamanlis und Papandreou) regiert wird, die sich ein enormes wirtschaftliches Netzwerk aufgebaut haben. So braucht man sich daher auch nicht zu wundern, dass beträchtliche Gelder (vor allem auch in jüngster Zeit EU-Mittel zur Abwendung des Staatsbankrotts) scheinbar unkontrolliert in die Netzwerke dieser Clans flossen und auch weiterhin fließen, während das Land dem Bankrott zusteuert. Dazu kommen starke Teilgewerkschaften, die immer wieder ihre Stärke demonstrieren, ständig Streiks und Generalstreiks ausrufen, und damit um die Erhaltung der Privilegien ihres Klientels kämpfen. Der Niedergang der Wirtschaft, vor allem auch des für das Land so bedeutenden Tourismus, ist ihnen dabei anscheinend nebensächlich.
Nun verlangt aber die EU endlich einmal rigorose Sanierungspläne vor der Freigabe neuer Mittel. Und gerade das wird wiederum von großen Teilen der Bevölkerung als Einmischung in die Souveränität gesehen und abgelehnt.
Es gibt unzählige Aspekte in der für mich so deprimierenden Situation der griechischen Staatsfinanzen. U.a. muß man natürlich auch die Steuermoral bei den Selbständigen bzw. die sehr ineffiziente Steuereinhebung erwähnen. Dazu ist auch der Beamtenapparat seit jeher schon viel zu aufgebläht, uneffizient und verlangt enorme finanzielle Mittel für die Verwaltung und Exekutive.
Griechenland unterhält gemessen an der Bevölkerung die größte Armee Europas und hat EU-weit pro Kopf die größten Militärausgaben. Auf elf Millionen Einwohner kommen 134.000 Soldaten! Das Militärbudget beträgt ca. 10 Mrd. US-Dollar, das entspricht 2,8 % vom BIP.
Die allgegenwärtige Korruption ist natürlich auch ein Thema, dass man nicht außer Acht lassen soll. Schon in den unteren Verwaltungsbereichen werden immer wieder öffentliche Gelder abgezweigt. Nicht wenige Bürgermeister halten z.B. für Baugenehmigungen von Verkehrswegen oder anderen Bauten im öffentlichen Interesse ihre privaten Hände auf.
Auf der Insel Kythira wurde u.a. 1995 der neue (kleine) Hafen in Betrieb genommen. Für seine Realisierung wurden einmal 2 Mio. Euro bewilligt und bereitgestellt, angekommen sind dann aber nur 500.000 €...
Und nicht unterschätzen darf man wohl auch das Arbeitslosenproblem in Griechenland. Bei einer Arbeitslosenrate von über 16 % beträgt die Jugendarbeitslosigkeit inzwischen sogar über 42 %! Fast jeder 2. Jugendliche, der arbeitsfähig wäre, lebt also anscheinend so recht und schlecht im 'Hotel Mama', während man überall im Lande auf Gastarbeiter trifft... Die Generation dieser Jugendlichen birgt somit sehr viel politischen und finanziellen Sprengstoff für die Zukunft in sich.
Es bleibt zu hoffen, daß sich die Griechen selbt einmal 'kräftig am Riemen reißen'. Denn nur mit einer gemeinsamen Anstrengung ist dieser Gewaltakt zur Abwendung eines Staatsbankrotts zu schaffen. Dazu würde es allerdings auch einer Erneuerung in der Politik bedürfen, aber offensichtlich sind weit und breit keine vernünftigen und intelligenten Leute zu finden, die eine neue Verantwortung für die Steuerung dieses Landes übernehmen würden.
Es gäbe noch viele Aspekte, die man in der momentanen Situation beleuchten könnte.
Trotz allem ist und bleibt dieses Land für mich die Urlaubsdestination #1!
Dazu noch ein Bericht in der heutigen Ausgabe der OÖ. Kronen-Zeitung (Seite 2), in dem ein Experte aus Athen jetzt fordert:
"Schickt Griechen in den Konkurs!"
Lasst Griechenland pleitegehen, oder denkt zumindest einmal detailliert über diese Möglichkeit nach, lautet die provokante Forderung eines der renommiertesten Journalisten aus Athen. Denn angesichts der maroden griechischen Wirtschaft könnten die Hilfspakete die europäischen Steuerzahler teurer zu stehen kommen als ein etwaiger Konkurs des Pleite-Landes.
Denn, so fragte Takis Michas, der auch in mehreren griechischen Medien publiziert, jüngst in seiner Kolumne in der angesehenen US-Wirtschaftszeitung „Wall Street Journal“: „Was wird eigentlich mit den immer neuen Überweisungen unterstützt?“ Und er gibt auch die Antwort: „Eine Wirtschaft, deren wichtigster Daseinsgrund es in den vergangenen vierzig Jahren war, ihre Klientel aus dem öffentlichen Sektor mit Vorteilen zu versorgen.“
Es sei naiv zu glauben, die Griechen würden ihren Geldgebern dankbar sein: „Die Griechen haben ein hohes Anspruchsdenken. Sie sind der Ansicht, bestimmte Dinge stünden ihnen zu, ganz losgelöst von der Frage der Produktivität ihrer Wirtschaft.“
Und Opposition und Gewerkschaften hätten überhaupt kein Motiv, dem zweiten Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds zuzustimmen. Im Gegenteil: Durch ihre Ablehnung hat die oppositionelle konservative Nea Demokratia die regierende sozialdemokratische PASOK erstmals wieder in den Umfragen überholt – und hofft auf ein Scheitern des Premiers und Neuwahlen.
„Diese Leute“, so Michas, „haben genau registriert, dass die ausländischen Geldgeber sich vor der Kettenreaktion fürchten, die eine Zahlungsunfähigkeit Griechenland angeblich auslösen kann. Deshalb sind sie sich sicher, dass man das griechische Defizit immer weiterfinanzieren wird, auch ohne Reformen in Athen.“
Wie sagt doch die radikale, in Griechenland aber angesehene, parteilose Abgeordnete Liana Kanelli im „stern“ auf den Hinweis, dass die EU ihr Geld irgendwann wieder zurückhaben will: „Darling, das ist euer Problem, nicht unseres.“
Dem ist eigentlich auch nicht mehr viel hinzuzufügen…