Aus der TT vom 07.11.:
„Ich bin ein einfacher Kerl“
Der Stanley-Cup-Sieger und US-Dollar-Millionär Scott Darling ist gestern im Becken der Innsbrucker Eishockey-Haie gelandet. Der 30-jährige Hüne kam mit großer Bodenhaftung und bewegender Geschichte.
Innsbruck - Besondere Anlässe erfordern besondere Maßnahmen. Trotz Länderspielpause und trainingsfreier Zeit bei den Haien fanden sich gestern neben Obmann Günther Hanschitz, Vorstandsmitglied Markus Bär, Pressesprecher Robert Lercher und Zeugwart Hannes Jonach auch Sponsorenvertreter zur Autoübergabe bei der Tiwag-Arena ein. Schließlich kam Scott Darling aus der größten Eishockey-Liga der Welt über den Großen Teich. Im ersten Gespräch zeigte sich der neue Haie-Keeper als Typ zum Anfassen, relaxt und geerdet.
Wie kommt ein Stanley-Cup-Sieger nach Innsbruck?
Scott Darling: Ich saß mit einer gebrochenen Hand vor zwei Monaten zuhause und hatte etwas Zeit verpasst. Ich habe mit Teams aus der AHL oder aus der Schweiz gesprochen. Als ich wieder gesund war, haben wieder viele Teams aus vielen Ländern angerufen. Aber als ich 2018 im Rahmen der WM hier war, habe ich mich mit meiner Verlobten in Innsbruck verliebt. Und dann haben wir mit den Haien zu reden begonnen. Es hat mir alles sehr gefallen: Ich will ja auch viele Spiele machen.
Sie haben 2017 bei den Carolina Hurricanes einen Vierjahresvertrag mit einem Jahresgehalt von 4,15 Millionen Dollar unterschrieben. Die letzten beiden dieser Jahre wurden in diesem Sommer nach dem Wechsel von den Florida Panthers ausbezahlt. Somit war der Wechsel nach Innsbruck sicher keine Frage des Geldes?
Darling: So wie ich im Sommer ausbezahlt wurde, schaut es für die nächsten Jahre ganz gut aus. Das gibt mir die Freiheit, mich nicht dazu zwingen zu müssen, beispielsweise in die KLH (Russland, Anm.) zu gehen - oder irgendwo anders hin, nur des Geldes wegen. Ich kann spielen und leben, wo ich wirklich sein will.
Sie haben die größte Clubtrophäe der Welt gewonnen. Sind Sie noch hungrig?
Darling: Wie gesagt: Ich will so viel wie möglich spielen und bin hungrig darauf. Letzte Saison haben mich viele Verletzungen gequält. Ich saß zuhause, musste warten, wieder trainieren und schauen, was passiert. Jetzt bin ich da.
Sie haben bei vielen Teams gespielt und eine bewegende Geschichte hinter sich. In einem Magazin ("The Players Tribune") haben Sie offen über Ihre Alkoholsucht in jungen Eishockeyjahren gesprochen.
Darling: Innsbruck ist mein 18. Team. Und als ich mit meiner Geschichte nach außen ging, war es auch deswegen, um zu zeigen, wie viel es mir bedeutet, für die Chicago Blackhawks und mein Lieblingsteam zu spielen.
Ihre Geschichte klingt nach einem Wunder: Drei Jahre nach dem Entzug (2011) haben Sie bei den Chicago Blackhawks unterschrieben und in der ersten Saison gleich den Stanley Cup gewonnen.
Darling: Diese ganze Zeit war sehr speziell für mich. Als ich 21 war, war ich ein bisschen verrückt. Gott sei Dank ist das lange her. Ich bin nicht mehr peinlich berührt deshalb. Hier und heute würde ich nichts ändern. Ich habe auf vielen tollen Plätzen und bei vielen tollen Vereinen gespielt. Ich habe fünf Jahre in der NHL spielen können. Ich bin sehr glücklich.
Aber diese schwere Phase Anfang 20 hat Sie als Mensch sicher reifen lassen?
Darling: Es war ein Prozess, (wieder) erwachsen zu werden. Mein Vater war bei der Army, wir sind immer herumgereist und ich spielte für fünf Junior-Highschool-Teams. Ich war immer in Bewegung. Ich musste meinen Weg finden, meine "zweite" Natur.
Sie sind in vier Jahren von den Louisiana IceGators und der Southern Professional Hockey League in die NHL gekommen. Keinem anderen Profi ist dieser Liga-Durchmarsch (weiters ECHL, AHL) gelungen.
Darling: Ich bin immer noch der Einzige, wollte aber nicht so weit unten wieder beginnen.
Sie haben Ihre eigene Geschichte als "surreal" beschrieben. Für Innsbruck scheint es surreal zu sein, einen Stanley-Cup-Sieger im Kader zu haben.
Darling: Macht euch keine Sorgen. Ich bin ein einfacher Kerl und freue mich, hier zu sein. Ich bin ein großer Reisender, meine Verlobte und mein Hund kommen in zwei Wochen nach.
Eine Ihrer Textpassagen lautete in guten wie in schlechten Tagen oft: "How the f... did this happen?"
Darling: Natürlich würde sich meine Geschichte für ein Kinoskript eignen. Es ist verrückt, aber nochmals, ich bin sehr dankbar für alles.
Wo haben Sie den Stanley-Cup-Ring versteckt?
Darling: Der liegt im Safe in Chicago (lacht).
Was müssen die Fans über Scott Darling wissen?
Darling: Ich heirate nächsten Sommer, meine Frau ist Italienerin. Und mein Hund, der so groß ist wie ein Pferd, ist mein Freund. Ich mag auch Filme, TV-Shows und Bowling.
Zurück zum Hockey. Wie ist es um die Fitness bestellt?
Darling: Ich bin seit einem Monat wieder gesund und war am Eis mit anderen professionellen Spielern, die auf Klubsuche sind.
Sie sind 195 cm groß und über 100 Kilo schwer. Das Tor ist fast zu klein für Sie.
Darling: Es könnte ruhig noch kleiner sein (schmunzelt).
Das Gespräch führte Alex Gruber