ich denke eines der probleme in unserer heutigen zeit des informationsüberflusses und der schnellen entscheidungen sind sehr schnelle verallgemeinerung und pauschalierung an sich nicht unkomplexer sachverhalte. sehr schnell wird in gut oder böse und in richtig oder falsch eingeordnet, oft sind dies dann auch absolute größenordnungen, die unser weiteres denken und handeln bestimmen. zeit für einen ausführlichen diskurs oder das durchdenken von ursachen, wirkungen und folgen wird kaum mehr investiert, zu sehr ist das denken in fixe bahnen vorgeordnet und strukturiert, gleichsam in schubladen eingeordnet.
warum schreibe ich das?
ich mutmaße, dass 90% der teilnehmer an einer WKR demonstration eigentlich nicht wissen, gegen was sie tatsächlich demonstrieren, sondern sich nur die meinung aus dem hörensagen gebildet haben, daß burschenschafter allesamt faschisten, nationalsozialisten und demokratiegefährdend sind. deswegen sind sie böse und gehören auf das schärfste bekämpft. so weit, so einfach.
wahrscheinlich wissen nur die wenigsten, warum burschenchaften 1815 im vormärz in jena als nachfolger der landsmannschaften überhaupt gegründet wurden und welchen geist des liberalismus (dieser war damals lebensgefährlich für die protagonisten!) die korporierten ursprünglich in deutschland vertraten. natürlich haben speziell die österreichische ableger der deutschen burschenschaften stark antisemitische und deutschnationale traditionen und spielen gerade in der tradition georg von schönerers so ab 1880 eine äußerst ungute rolle in der geschichte. was auch dazu geführt hat und immer noch dazu führt, dass sich die deutschen burschenschaften von den österreichischen teilweise sehr deutlich distanzieren und mit ihnen nichts zu tun haben wollen. das ist nur sehr, sehr verkürzt ein kleiner historischer exkurs über burschenschaften, da es ja bei den demonstrationen vorrangig um diese bzw. ihren "bösen geist" ging.
wie auch immer. wenn man mit diesen leuten, ihrem ball in österreich und den von ihnen transportiertem gedankengut nicht einverstanden ist, dann gibt es in entwickelten demokratien das recht auf demonstration und das ist auch gut so. was aber nicht gut ist, eine an sich friedliche und auch wichtige demonstration für "offenbar "antikapitalistische" gewaltexzesse umzudeuten und zu missbrauchen und als veranstalter nicht entschieden dagegen aufzutreten. mir fehlt bis heute nicht nur eine ernsthafte und redliche distanzierung der veranstalter der demonstration von den "entglasungen" und den sachbeschädigungen, sondern auch die ehrliche betroffenheit darüber, wie die demonstration in ihren aussagen nun eigentlich entwertet wurde.
was nun bleibt ist ein gewisser katzenjammer mancher über die zugegeben fragwürdige beweiswürdigung des wiener schöffensenats und die klarerweise viel zu lange u-haft des mutmaßlichen "chaoten", der nun am pranger steht. ein ideologisierter "mob" ist nun leider offenbar auf ein ebenso ideologisiertes gericht getroffen. schlimm genug, aber leider auch ein wenig vorhersehbar in seiner vereinfachung und zuspitzung, wie es heute offenbar so üblich ist. selten aber doch teile ich die meinung von florian klenk. ein wenig mehr coolness und vor allem mehr präzision in der aufarbeitung des falles wäre dringend vonnöten gewesen. auch vorher hätte die coolness nicht wirklich geschadet.
jst my 2cents ...