von Ralf Meile, Hongkong - Fünf Schweizer greifen in einer ausländischen Liga nach dem Titel – und sind doch kein Thema für die Nati. Zu Besuch bei den South China Sharks in Hongkong.
Ronald Mathez nimmt den Helm ab und wischt sich mit einem Handtuch den Schweiss von der Stirn. Er ist unzufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft. «Das muss noch besser werden, gegen die haben wir noch nie verloren», sagt er nach zwei Dritteln. Die South China Sharks liegen gegen die Macau Aces mit 3:4 in Rückstand. Es ist Playoff-Zeit. Wenn die Sharks gewinnen, sind sie im Final
Der 42-jährige Mathez ist Stürmer bei den Sharks, einer von fünf Schweizern in diesem Spitzenteam der China Ice Hockey League (CIHL). Vier Teams bilden die Liga, weite Auswärtsfahrten gibt es nicht. Alle Spiele finden auf dem gleichen Eisfeld statt und das befindet sich an einer speziellen Lage: Im 10. Stock des Einkaufszentrums MegaBox im Hongkonger Stadtteil Kowloon Bay. Wenn die Akteure sich auf der Spielerbank umdrehen und vom Eisfeld abwenden, blicken sie über ein Häuser- und Lichtermeer.
«Hier zu spielen ist bestimmt aussergewöhnlich», findet Ronald Mathez. Als Eishockeyspieler liegt ihm aber mehr an der Eisqualität als an der Aussicht. Obwohl es warm sei im Shoppingcenter, könne man hier gut Schlittschuhlaufen, lobt der Innerschweizer. Gross geworden ist Mathez als Junior beim EV Zug, später spielte er unter anderem in der 1. Liga bei Seewen
Das gute Essen in Hongkong...
Der langjährige Nationalspieler Patrick Fischer war Mathez' Nachbar und Jugendfreund. Nun ist er selber im internationalen Eishockey angekommen – wenn auch nicht auf ganz so hohem Niveau. «Zwischen der 2. und der 3. Schweizer Liga würde ich die Qualität der CIHL einstufen», sagt Mathez, der seit elf Jahren in Hongkong lebt. Wie fast alle Spieler hat es ihn aus beruflichen Gründen in die asiatische Weltmetropole verschlagen. Er ist mittlerweile selbständig in der Kunststoffbranche tätig.
Die Mehrheit der Teams besteht aus Auswanderern, besonders hoch ist der Anteil Kanadier. «Einige haben in höheren Ligen gespielt», erzählt Mathez und sagt mit einem breiten Grinsen: «Im ersten Jahr sind die Neuen meistens überragend. Aber dann passen sie sich unserem Niveau an. Man isst hier einfach zu gut!»
Viele kernige Checks werden ausgeteilt, was von den Zuschauern – abgesehen von einigen Angehörigen sind es vor allem Einkaufende, die am Eisrink eine Pause einlegen – mit Wohlwollen goutiert wird. Die Intensität der Partien ist auch deshalb hoch, weil die Teams bloss mit zwei Blöcken antreten – und weil anstatt über 3x20 Minuten nur über 3x12 Minuten gespielt wird. Ansonsten gelten die üblichen Regeln.
Kein Training, nur Matches
Im Schlussdrittel haben die Sharks gegen die Aces mittlerweile ausgeglichen, die Schweizer Anthony Devolz und Yanick Houlmann gaben die Assists zum 4:4. Obwohl viel auf dem Spiel steht und die Schiedsrichter einige Strafen verhängen, ist die Partie alles andere als gehässig. Bei allem Einsatz: es geht sehr fair zu und her. «Wir kennen uns alle gut», erklärt Mathez.
Als Aussenstehender erhält man ohnehin den Eindruck, die Liga sei ein einziger Verein. Stets finden am Samstagabend zwei Spiele statt, alle vier Teams stehen dabei im Einsatz. Wer das erste Spiel bestritten hat, schaut sich das zweite mit einem Becher Bier in der Hand an. Die CIHL ist zudem ein Paradies für Hobbyspieler, denn trainiert wird mangels Eisflächen überhaupt nicht. «Es gibt auch eine Donnerstags-Liga, in der Körperkontakt allerdings verboten ist», erläutert Mathez, «das ist unser Training.»
Fünf Schweizer greifen nach dem Titel
Die letzte Minute läuft, es droht die Verlängerung. Aber die Sharks können sie abwenden: Der Kanadier Matt Margoreeth erzielt seinen dritten Treffer des Abends, nach Zuspiel der beiden Schweizer Yanick Houlmann und Raphael Gaglio ist es das 5:4 für South China und die Entscheidung. Die Sharks stehen im Endspiel, das an diesem Samstag stattfindet.
Dass der Gegner Kowloon Warriors heisst, ist wenig überraschend: Die Sharks und die Warriors haben die Regular Season klar dominiert und den Macau Aces und den Hong Kong Tycoons nur die Brosamen überlassen. Wurden die Halbfinals noch nach dem Format «Best-of-three» ausgetragen, so ist der Final der CIHL ein wahres Endspiel: Es findet in einer einzigen Partie statt, «The Winner Takes It All.»
So war es im letzten Jahr
Die South China Sharks und die Kowloon Warriors standen sich schon im letzten Jahr gegenüber, in der ersten Saison der CIHL. Die Warriors holten sich den Titel dank eines 2:0-Siegs im zweiten Finalspiel, dessen Zusammenfassung hier zu sehen ist: