Retourkutsche für Arroganz?
Was waren das für Emotionen, als die Schweiz im Jahre 1992 in Bratislava den überheblichen Deutschen den Halbfinalplatz mit einer couragierten und attraktiven Vorwärtsstrategie wegschnappte. Ist der Schweizer Eishockey in Selbstverliebtheit versunken und hat er den Anschluss verpasst?
Was haben wir uns nicht ins Fäustchen gelacht, als an den Weltmeisterschaften in der Schweiz die "Eisgenossen" wiederum Platz 4 erreichten (mit Siegen über die Tschechen und Russen) und gleichzeitig Deutschlands Hockey in eine tiefe Identitätskrise schlitterte, ja sogar abstieg!
Was haben wir nicht die Nationalspieler verehrt, als wenig später an den Weltmeisterschaften in Russland die Krueger-Boys in der "Mutter aller Spieler" gegen den Gastgeber die Sensation schaffte und gewann, danach sogar in der Zwischenrunde grossartige Akzente setzte und erst mit viel Pech im Viertelfinale gegen Kanada ausschied. Was hatten wir doch für eine Genugtuung, dass auch unsere Junioren-Nationalmannschaften so hervorragende WM-Kampagnen ablieferten und die Scouts aller Herrenländer den SEHV-Trainern auf die Schultern klopften.
Wurden wir zu arrogant?
Wir wurden zu selbstsicher, überschätzten uns, liessen uns im Fahrwasser der zwischenzeitlichen Erfolge blenden. Was noch viel schlimmer war: Wir wurden genau wie die Deutschen vor dem WM-Viertelfinale 1992 waren: Arrogant und zu selbstsicher, mokierten uns über die deutsche Spielkultur und den Misserfolg.
Und jetzt kommt die Retourkutsche: In verschiedensten Publikationen nördlich des Rheinufers wird uns dies hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen und man beschreibt genüsslich die essentiellen Punkte des aktuellen Status Quo, welche nun Deutschland zur Nation Nummer 8 in der Weltrangliste fest im Sattel sitzen lässt.
Die Schweizer werden teilweise verhöhnt und deren Erfolge als "Eishockey-Wunder auf Zeit" beschrieben. Natürlich stimmt diese Analyse genauso wenig, wie diejenige, welche man noch vor drei oder vier Jahren kolpotierte (Medaillenchance für die Schweiz!
.
Man zitiert sogar genüsslich die Trainergurus Dave King und Pierre Pagé, welche die DEL als die vielleicht beste Liga ausserhalb der NHL bezeichnen. Vielleicht etwas weit hergeholt, aber andere Pro-DEL-Aussagen Punkte von Eishockey-Experten haben Hand und Fuss.
Erstens: Der Ist-Zustand
Die Schweizer vollziehen genau den Umbruch mit der Verjüngung der Nationalmannschaft, den Deutschland nun schon seit vier Jahren vollzieht. Die Deutschen leben von einem seit drei Jahren andauernden Hochgefühl und Selbstvertrauen, den man sich ausgerechnet in Köln beim Eröffnungsspiel der WM 2001 gegen die Schweiz holte.
Dieser Knacks beim Sieg des Underdogs gegen den vermeintlichen Aufsteiger der letzten Jahre hatte an den vergangenen Weltmeisterschaften zur Folge, dass Deutschland gegen die Schweiz mehrheitlich als Sieger vom Eis ging und ein "Angstgegner-Syndrom" sich etablierte. Nach den Resultaten der letzten Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sitzt Deutschland im Rennen um Weltranglistenplatz 8 fest im Sattel.
Zweitens: Die NHL-Stars und Draftpicks
Deutschland belieferte die NHL seit Jahren mit Stammspielern, sowohl auf dem Torhüterposten wie auch bei Feldspielern. Dass die Schweizer, trotz Junioren-WM-Stars und Erstrunden-Draftpicks dieses Ziel noch nicht erreicht haben, sagt einiges aus über den unterschiedlichen "Etat d’ ésprit" der Spieler aus. Diese Kritik am "Weichei Schweizer Hockeyprofi" wird in Deutschland kultiviert. Daran ändern auch die Leistungen von Aebischer und Gerber in der NHL (noch) nichts.
Drittens: Mentales und Physisches
Es ist kein Geheimnis, dass ein Eishockeyspiel zu einem grossen Teil mit mentalen Fähigkeiten, mit einer richtigen Einstellung und Motivation gewonnen werden kann. Hier sind die "Kampfsäue" aus Deutschland den Schweizern noch immer einen Kick voraus. Trotz neuen Methoden und dem Wissen um dieses Defizit bringen es die Schweizer dennoch fertig, sich gegen Deutschland in den direkten Begegnungen überpowern zu lassen.
Es wird noch einige Zeit dauern, bis die neue Generation dieses Manko beseitigt. Eine fast philosophische Annäherung an dieses Problem wurde auch schon versucht, indem man den Unterschied der Schweizer Erziehung und der immer vorhandenen Berufs-Alternativen zum Eishockey den Voraussetzungen im Ausland gegenüber stellte.
Schlussendlich aber muss jeder Eishockeyprofi seinen Beruf kompromisslos als Beruf und Berufung ansehen und keine Alternativgedanken dulden, wie es die anderen kufenbestückten Zeitgenossen mit der Berufsbezeichnung Eishockeyprofi weltweit tun.
Viertens: Die Jugend- und Basisarbeit
Die Schweizer dürfen sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Das Beispiel der abgestiegenen U18-Nationalmannschaft und der Niederlage der U20 in einem Turnier in Norwegen gegen Deutschland muss als Mahnmal dienen!
Die Deutschen haben hier aufgeholt, auch wenn sie noch lange nicht an die Qualität der Basisarbeit und den guten logistischen Zuständen der Schweiz heranreichen. Aber Achtung: Es haben sich schon sehr viele junge Deutsche in der Nationalmannschaft und in der DEL durchgesetzt und zeigten an der WM starke Leistungen.
Fünftens: Skating und Technik
Dass Hans Zach und auch andere Trainer immer wieder behaupten, die Schweizer seien läuferisch und technisch den Deutschen und anderen Nationen weit voraus, ist Musik in unseren Ohren. Aber die Tatsache ist: Die Schweizer sind noch immer Schönwetterspieler!
Wenn ihnen der Raum genommen wird und es auf ein „Hardskating“ ankommt, können die „Eisgenossen“ oftmals diese Fähigkeiten gar nicht einsetzen. Die Deutschen hingegen bringen es fertig, dem Gegner genau das Kampfspiel aufzuzwingen, welches ihren Fähigkeiten entgegenkommt. Und das bedeutet: Disziplin, Hardskating, überfallartige Konter und Kampf um jeden Zentimeter Eis.
Und sechstens: Die Nationalliga
Wie oft wurde schon bemängelt, dass junge Stars aus dem Juniorenbereich in der NLA zu schnell zu Stammspielern werden? Und dies, aufgrund einer Liga mit zu vielen Teams und mit zu wenigen Ausländern, welche zuviel Platz für Schweizer Talente offen lässt.
Wie oft wurde moniert, dass die Ausländer zuviel Verantwortung übernehmen und dadurch die Schweizer sich hinter derer verstecken können? Natürlich hat dies auch Vorteile: Man kann die Schweizer Spielpraxis auf hohem Niveau besorgen und dies wird sich bis zur U20 bemerkbar machen.
Aber dann kommt die Stagnationsphase aufgrund mangelndem Konkurrenzkampf. Wie oft sagte man zudem über die DEL, dass diese mit der EU-Regelung keinerlei Platz für deutsche Spieler lasse und so der Unterbau kaputt ginge? Diese Einschätzung hat sich gedreht, denn die DEL ist auf dem Vormarsch, nachdem die Skandälchen beiseite geschoben wurden und man sich auf ein Minimum an Ausländern pro Kader (15, in der kommenden Saison 12) beschränkte.
Die deutschen Spieler profitierten und diejenigen, welche sich nach hartem Konkurrenzkampf in der DEL durchsetzten, waren auch international geeicht.
Joël Wüthrich, Working Press Basel/Montreal, Chefred. SLAPSHOT. Quelle: eishockey.ch
bsk
Was waren das für Emotionen, als die Schweiz im Jahre 1992 in Bratislava den überheblichen Deutschen den Halbfinalplatz mit einer couragierten und attraktiven Vorwärtsstrategie wegschnappte. Ist der Schweizer Eishockey in Selbstverliebtheit versunken und hat er den Anschluss verpasst?
Was haben wir uns nicht ins Fäustchen gelacht, als an den Weltmeisterschaften in der Schweiz die "Eisgenossen" wiederum Platz 4 erreichten (mit Siegen über die Tschechen und Russen) und gleichzeitig Deutschlands Hockey in eine tiefe Identitätskrise schlitterte, ja sogar abstieg!
Was haben wir nicht die Nationalspieler verehrt, als wenig später an den Weltmeisterschaften in Russland die Krueger-Boys in der "Mutter aller Spieler" gegen den Gastgeber die Sensation schaffte und gewann, danach sogar in der Zwischenrunde grossartige Akzente setzte und erst mit viel Pech im Viertelfinale gegen Kanada ausschied. Was hatten wir doch für eine Genugtuung, dass auch unsere Junioren-Nationalmannschaften so hervorragende WM-Kampagnen ablieferten und die Scouts aller Herrenländer den SEHV-Trainern auf die Schultern klopften.
Wurden wir zu arrogant?
Wir wurden zu selbstsicher, überschätzten uns, liessen uns im Fahrwasser der zwischenzeitlichen Erfolge blenden. Was noch viel schlimmer war: Wir wurden genau wie die Deutschen vor dem WM-Viertelfinale 1992 waren: Arrogant und zu selbstsicher, mokierten uns über die deutsche Spielkultur und den Misserfolg.
Und jetzt kommt die Retourkutsche: In verschiedensten Publikationen nördlich des Rheinufers wird uns dies hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen und man beschreibt genüsslich die essentiellen Punkte des aktuellen Status Quo, welche nun Deutschland zur Nation Nummer 8 in der Weltrangliste fest im Sattel sitzen lässt.
Die Schweizer werden teilweise verhöhnt und deren Erfolge als "Eishockey-Wunder auf Zeit" beschrieben. Natürlich stimmt diese Analyse genauso wenig, wie diejenige, welche man noch vor drei oder vier Jahren kolpotierte (Medaillenchance für die Schweiz!

Man zitiert sogar genüsslich die Trainergurus Dave King und Pierre Pagé, welche die DEL als die vielleicht beste Liga ausserhalb der NHL bezeichnen. Vielleicht etwas weit hergeholt, aber andere Pro-DEL-Aussagen Punkte von Eishockey-Experten haben Hand und Fuss.
Erstens: Der Ist-Zustand
Die Schweizer vollziehen genau den Umbruch mit der Verjüngung der Nationalmannschaft, den Deutschland nun schon seit vier Jahren vollzieht. Die Deutschen leben von einem seit drei Jahren andauernden Hochgefühl und Selbstvertrauen, den man sich ausgerechnet in Köln beim Eröffnungsspiel der WM 2001 gegen die Schweiz holte.
Dieser Knacks beim Sieg des Underdogs gegen den vermeintlichen Aufsteiger der letzten Jahre hatte an den vergangenen Weltmeisterschaften zur Folge, dass Deutschland gegen die Schweiz mehrheitlich als Sieger vom Eis ging und ein "Angstgegner-Syndrom" sich etablierte. Nach den Resultaten der letzten Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sitzt Deutschland im Rennen um Weltranglistenplatz 8 fest im Sattel.
Zweitens: Die NHL-Stars und Draftpicks
Deutschland belieferte die NHL seit Jahren mit Stammspielern, sowohl auf dem Torhüterposten wie auch bei Feldspielern. Dass die Schweizer, trotz Junioren-WM-Stars und Erstrunden-Draftpicks dieses Ziel noch nicht erreicht haben, sagt einiges aus über den unterschiedlichen "Etat d’ ésprit" der Spieler aus. Diese Kritik am "Weichei Schweizer Hockeyprofi" wird in Deutschland kultiviert. Daran ändern auch die Leistungen von Aebischer und Gerber in der NHL (noch) nichts.
Drittens: Mentales und Physisches
Es ist kein Geheimnis, dass ein Eishockeyspiel zu einem grossen Teil mit mentalen Fähigkeiten, mit einer richtigen Einstellung und Motivation gewonnen werden kann. Hier sind die "Kampfsäue" aus Deutschland den Schweizern noch immer einen Kick voraus. Trotz neuen Methoden und dem Wissen um dieses Defizit bringen es die Schweizer dennoch fertig, sich gegen Deutschland in den direkten Begegnungen überpowern zu lassen.
Es wird noch einige Zeit dauern, bis die neue Generation dieses Manko beseitigt. Eine fast philosophische Annäherung an dieses Problem wurde auch schon versucht, indem man den Unterschied der Schweizer Erziehung und der immer vorhandenen Berufs-Alternativen zum Eishockey den Voraussetzungen im Ausland gegenüber stellte.
Schlussendlich aber muss jeder Eishockeyprofi seinen Beruf kompromisslos als Beruf und Berufung ansehen und keine Alternativgedanken dulden, wie es die anderen kufenbestückten Zeitgenossen mit der Berufsbezeichnung Eishockeyprofi weltweit tun.
Viertens: Die Jugend- und Basisarbeit
Die Schweizer dürfen sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Das Beispiel der abgestiegenen U18-Nationalmannschaft und der Niederlage der U20 in einem Turnier in Norwegen gegen Deutschland muss als Mahnmal dienen!
Die Deutschen haben hier aufgeholt, auch wenn sie noch lange nicht an die Qualität der Basisarbeit und den guten logistischen Zuständen der Schweiz heranreichen. Aber Achtung: Es haben sich schon sehr viele junge Deutsche in der Nationalmannschaft und in der DEL durchgesetzt und zeigten an der WM starke Leistungen.
Fünftens: Skating und Technik
Dass Hans Zach und auch andere Trainer immer wieder behaupten, die Schweizer seien läuferisch und technisch den Deutschen und anderen Nationen weit voraus, ist Musik in unseren Ohren. Aber die Tatsache ist: Die Schweizer sind noch immer Schönwetterspieler!
Wenn ihnen der Raum genommen wird und es auf ein „Hardskating“ ankommt, können die „Eisgenossen“ oftmals diese Fähigkeiten gar nicht einsetzen. Die Deutschen hingegen bringen es fertig, dem Gegner genau das Kampfspiel aufzuzwingen, welches ihren Fähigkeiten entgegenkommt. Und das bedeutet: Disziplin, Hardskating, überfallartige Konter und Kampf um jeden Zentimeter Eis.
Und sechstens: Die Nationalliga
Wie oft wurde schon bemängelt, dass junge Stars aus dem Juniorenbereich in der NLA zu schnell zu Stammspielern werden? Und dies, aufgrund einer Liga mit zu vielen Teams und mit zu wenigen Ausländern, welche zuviel Platz für Schweizer Talente offen lässt.
Wie oft wurde moniert, dass die Ausländer zuviel Verantwortung übernehmen und dadurch die Schweizer sich hinter derer verstecken können? Natürlich hat dies auch Vorteile: Man kann die Schweizer Spielpraxis auf hohem Niveau besorgen und dies wird sich bis zur U20 bemerkbar machen.
Aber dann kommt die Stagnationsphase aufgrund mangelndem Konkurrenzkampf. Wie oft sagte man zudem über die DEL, dass diese mit der EU-Regelung keinerlei Platz für deutsche Spieler lasse und so der Unterbau kaputt ginge? Diese Einschätzung hat sich gedreht, denn die DEL ist auf dem Vormarsch, nachdem die Skandälchen beiseite geschoben wurden und man sich auf ein Minimum an Ausländern pro Kader (15, in der kommenden Saison 12) beschränkte.
Die deutschen Spieler profitierten und diejenigen, welche sich nach hartem Konkurrenzkampf in der DEL durchsetzten, waren auch international geeicht.
Joël Wüthrich, Working Press Basel/Montreal, Chefred. SLAPSHOT. Quelle: eishockey.ch
bsk