Eishockey am Fusse der Karawanken
von Urs Burri, CH-Fribourg
Bitterkalt ist es an diesem frühen Morgen Ende Dezember im Jesenice, jener ungastlichen Industriestadt im Norden Sloweniens. Das grosse Stahlwerk dominiert die Silhouette von Assling (veralteter deutscher Name für Jesenice), der im Oberkrain gelegenen slowenischen Eishockey-Hochburg. 23-mal gewann man hier die jugoslawische Eishockey-Meisterschaft und seit der Unabhängigkeit Sloweniens (1991) ging der Meisterpokal bereits 5-mal nach Jesenice.
Seit Jahrzehnten ist dem 1948 gegründeten "Hokejski Klub Jesenice" die Unterstützung des lokalen Stahlwerkes Acroni gewiss. Die europaweit tätige Firma erzeugte letztes Jahr 335'000 Tonnen Stahl und trug einiges dazu bei, dass der Region um die Stadt Jesenice in der Vergangenheit der Ruf vorauseilte, die Eisenütten sowie die metallverarbeitende Industrie vergifte die Umwelt. Im September 2006 wurde eine Entstaubungsanlage gebaut, welche nun bis zu 17 Tonnen Staub pro Tag ableitet. Acroni unternimmt weitere Anstrengungen, damit Jesnice künftig seinen Ruf als unsaubere Stahlwerk-Stadt ablegen kann.
Die erste Mannschaft des HC Acroni Jesenice war im vergangenen Winter in der slowenischen Meisterschaft nicht mehr richtig gefordert und schloss sich auf die Saison 2006/07 als erstes nicht österreichisches Team der EBEL (Erste Bank Eishockey-Liga) an. Erstaunlicherweise blieben die Erfolge der mit slowenischen Nationalspielern gespickten Mannschaft nicht aus und das Team von Trainer Matjaz Kopitar spielt mit den österreichischen Profi-Teams wacker mit. Kurz vor dem Jahreswechsel bezwang man im heimischen Podmezakla-Stadion sogar den Tabellenführer Red Bulls Salzburg nach Verlängerung und Penaltyschiessen.
Auf Umwegen über Rouen (Frankreich) sowie La Chaux-de-Fonds und Langenthal ist auch der Franko-Kanadier Jean-Philippe Paré (27) in Oberkrain gelandet. Er zeigt sich erstaunt vom professionellen Umfeld in Jesenice uns ist voll des Lobes über Trainer Matjaz Kopitar, dessen 18-jähriger Sohn Anze bei den Los Angeles Kings in der NHL sowie im slowenischen Nationalteam spielt. Jean-Philippe Paré geniesst seinen Aufenthalt in Slowenien und freut sich daran, dass Jesenice mit seinen 22'000 Einwohnern eine eishockeyverrückte Gegend sei. Die Fans schaffen es mehrmals pro Saison, dass im renovationsbedürftigen Podmezakla-Stadion 5'000 Zuschauer ihren Lieblingen zujubeln und jeder Torerfolg mit rassigem Oberkrainer-Sound gefeiert wird. Auch der Fan-Club "Red Steelers" sorgt für Ambiance im Stadion. Die Fans benehmen sich dennoch sehr gesittet und so herrscht im Stadion denn auch ein absolutes Alkohol- und Rauch-Verbot. Der omnipräsente Sicherheitsdienst sorgt dafür, dass in diesem Bereich keine Ausnahmen geduldet werden. Nach Aussagen des Security-Verantwortlichen des HK Jesenice gibt es denn auch keine nennenswerte Probleme mit den Fans - weder mit den eigenen noch mit den Gästefans aus Österreich.
Für die 3 Nordamerikaner im Team (Keeper Seamus Kotyk stammt aus Ontario/Kanada, Jean-Philippe Paré aus Montréal (Québec/Kanada) und Aaron Fox aus den USA) ist es äusserst wichtig, dass praktisch jeder junge Slowene Englisch spricht. Da Trainer Kopitar seine Anweisungen ausschliesslich in der Sprache der Einheimischen gibt, sind auch die 3 Söldner gehalten, zumindest ein paar Brocken Slowenisch zu lernen. Momentan sei es noch zu früh, über eine Verlängerung des Vertrages zu sprechen, doch könne sich Paré durchaus vorstellen, seinen Vertrag bei Jesenice zu verlängern oder aber bei einem Liga-Konkurrenten im benachbarten Kärnten (Villach oder Klagenfurt) anzuheuern. Nach dem vergangenen Winter im Neuenburger Jura bei Paul-André Cadieux' HC La Chaux-de-Fonds bleibt sich für den sympathischen Kanadier eines gleich: Auch in Jesenice lacht meist die Sonne vom blauen Himmel, währenddem in tiereren Lagen der Hochnebel keinen Sonnenstrahl durchlässt.